Der gerade Turm von Porto
Die Universität Porto wächst – und mit ihr die Zahl der Studenten. Mit dem Hoso Tower haben die Planer von OODA in nur 14 Monaten ein Studentenwohnheim hochgezogen, das die Wohnungsnot etwas mildert. Neben Bauzeit und -kosten reduzieren die vorgefertigten Betonelemente zudem den CO2-Fußabdruck.
Porto hat sich in den letzten Jahren nicht nur zu einem Hotspot für Touristen entwickelt. Die Stadt im nördlichen Portugal zieht auch immer mehr internationale Investoren und Start-ups an. Ein Grund dafür sind unter anderem die blühenden Bildungseinrichtungen, allen voran die Universität Porto (U.Porto). Als eine der größten staatlichen Hochschulen des Landes – sie zählt 14 Fakultäten, eine Business-Schule, 60 Forschungseinrichtungen und 13 Museen – bietet sie Firmen nicht nur ein lokales Ökosystem für Innovation, Forschung und Entwicklung. Sie hilft ihnen auch, eine der derzeit größten unternehmerischen Herausforderungen zu meistern: den Fachkräftemangel. Fast ein Drittel der Bevölkerung Portos hat einen Hochschulabschluss. Und für „Nachschub“ ist gesorgt.
Bezahlbarer Wohnraum ist Mangelware
Über 30.000 aktive Studentinnen und Studenten sind allein an der U.Porto eingeschrieben, mehr als 9.000 sind Erstsemester. Dazu kommen pro Jahr über 4.000 internationale Hörer. Und ihre Zahl wächst beständig. Einerseits erfreulich, andererseits eine Herausforderung. Denn bezahlbarer Wohnraum ist knapp. „Die Studenten, sowohl ausländische als auch portugiesische, haben große Schwierigkeiten, eine Unterkunft in der Stadt zu finden“, sagt der Hochschul-Rektor António Sousa Pereira. Die Regierung hat deshalb schon 2018 den „Nationalen Plan für die Unterbringung im Hochschulbereich“ (PNAES) ins Leben gerufen. Allein in Porto sollen bis 2026 sieben neue Wohnheime gebaut und bestehende saniert werden.
Derzeit deckt das landesweite Angebot von etwa 15.000 Betten in Hochschuleinrichtungen nur etwa neun Prozent des Bedarfs ab. Man kann sich daher ausrechnen, dass weder der staatliche Etat noch die geplanten Neubau-Kapazitäten ausreichen werden, um der Wohnungsnot Herr zu werden. Die Privatwirtschaft muss einspringen. So haben etwa Reditum Capital und BigCity, ein Immobilienentwicklungs- und -verwaltungsunternehmen, das auf Studentenwohnheime in ganz Europa spezialisiert ist, rund 30 Millionen Euro in die Hand genommen. Nicht ganz uneigennützig freilich: Denn „diese Transaktion verschafft unseren Investoren Zugang zu einem interessanten und nachhaltigen Projekt“, sagt Mark Stephen, Geschäftsführer von Reditum Capital.
Hoso Tower: lohnende Investition
Das Geld floss in den Bau des BigCity Asprela an der Rua Manuel Pacheco De Miranda in Paranhos. Das nördlich gelegene Stadtviertel beherbergt den größten Universitätscampus Portos, auf dem sich unter anderem die Fakultäten für Medizin, Technik und Wirtschaftswissenschaften finden sowie der Technologie-Inkubator UPTEC. Und neuerdings eben auch das als Hoso Tower bekannte Studentenwohnheim. Auf 9.350 Quadratmetern bietet das Hochhaus 209 Wohneinheiten und damit rund 240 Studenten eine Unterkunft.
Und was für eine! Jedes Studio verfügt über Bad, Küche, Klimaanlage und Balkon. Gemeinschaftsräume für gesellige Treffen oder Lerngruppen gibt es im Erdgeschoss natürlich auch. Und die oberste Etage ist als Terrasse mit Dachgarten angelegt. Ein wahres Highlight, um zu entspannen, Partys zu feiern oder einfach nur den Panoramablick über Porto zu genießen.
Vom heimischen Architekturbüro OODA geplant und von Teixeira Duarte gebaut, wurde der Hoso Tower in nur 14 Monaten errichtet. Die Vor-Ort-Montage jeder Etage dauerte sogar nur jeweils eine Woche. Möglich machte das die Verwendung von vorgefertigten Elementen aus stranggepresstem Beton. Wer „vorgefertigte Betonteile“ hört, denkt zuerst mal an Plattenbauten oder zumindest an langweilige, repetitive, graue Kästen. Doch keines dieser Adjektive beschreibt den Hoso Tower auch nur annährend. Stattdessen schraubt sich das runde 13-stöckige Gebäude wie eine moderne – und natürlich gar nicht schiefe – Version des Turms von Pisa in den Himmel. Denn die Planer haben ein Betonexoskelett um das zylindrische Volumen gelegt, das an die Säulengalerien des italienischen Wahrzeichens erinnert.
Sonnen- und Lärmschutz
In Porto jedoch dient die gegliederte Fassade nicht nur der Optik. Sie verleiht dem Gebäude zwar Plastizität, doch noch viel mehr sorgt sie für Praktikabilität. So entstehen durch die vorgelagerte Struktur umlaufende, tiefe Balkone – für jede der dahinterliegenden Wohneinheiten. Zudem schützt das Skelett die Studios vor Sonneneinstrahlung und Verkehrslärm. Ersteres ist ein Gewinn in Sachen Hitzeschutz und damit Energieeffizienz, letzteres eine clevere Lösung für den Standort. Denn mit dem Bau des Hoso Towers wurde eine urbane Lücke an der städtischen und viel befahrenen Autobahn geschlossen.
Überhaupt wurde bei der Planung intensiv und innovativ gedacht. Man könnte fast sagen, dass der Entwurf aus einer Besessenheit heraus geboren wurde. Aus der Besessenheit, die ideale Formel für Optimierung und räumliche Flexibilität zu finden. Denn man wollte sowohl dem Lebensstil von Studenten als auch den Herausforderungen in Bezug auf Nachhaltigkeit, Erschwinglichkeit und Gemeinschaftssinn gerecht werden. „Die Antwort lag für uns in der Form und Volumetrie“, erklärt OODA-Partner Julião Pinto Leite. „Wir wählten eine einfache Kreis-Geometrie.“
Der Kreis (er)schließt sich
Baulich übersetzt heißt das: Rings um den kompakten inneren Gebäudekern, in dem das doppelte Treppenhaus und die Aufzüge untergebracht sind, zieht sich auf jeder Etage ein Korridor. Von ihm gehen die Wohneinheiten wie Blütenblätter ab, die nach außen hin immer breiter werden. Der Grundriss der Studios ermöglicht maximale räumliche Effizienz und dennoch eine großzügige Innenausstattung: In jedem Mini-Apartment finden sich eine kleine Küchenzeile und ein Bad am Eingang, während das Bett und der Wohnbereich am Fenster stehen, wo sich der keilförmige Raum schließlich zum Balkon erweitert.
Bei allen Vorzügen des runden Layouts: In der Konstruktion sind gebogene Wände im Vergleich zu rechten Winkeln eine Herausforderung und Baufortschrittsbremse. Doch auch das hatten die OODA-Planer im Blick und machten aus dem Nachteil via Fertigteilbauweise sogar in einen weiteren Pluspunkt: „Durch die Vorfertigung der Betonelemente, die erst vor Ort zusammengebaut wurden, haben wir bei gleichbleibend hoher Bauqualität die Kosten und Bauzeit um 30 Prozent reduziert.“ Zudem konnten auch der Transportaufwand und die Abfallmenge durch die stapelbaren Elemente minimiert werden – was wiederum den CO2-Fußabdruck des Hoso Towers erheblich reduzierte.
Kleiner CO2-Abdruck, große Spuren
Vieles wird auch zukünftig dazu beitragen, dass das Wohnheim auch jenseits der Bauphase auf kleinem CO2-Fuß unterwegs sein. Darunter etwa der nach außen offene Grundriss der Wohneinheiten, der für natürliches Licht und Belüftung sorgt. Das Exoskelett, das für Beschattung sorgt. Die Zentralisierung der Infrastruktur im Kern des Gebäudes, die künftig die Wartung vereinfacht und die Komplexität der Serviceleistungen reduziert …
Ansonsten aber hinterlässt der Hoso Tower eher große Spuren. In der Architekturwelt, wo es Nominierungen und Auszeichnungen regnet. Noch viel mehr aber im Leben seiner Bewohnerinnen und Bewohner, die endlich eine bezahlbare und dennoch hochwertige Unterkunft in ihrer Unistadt gefunden haben.
Wir freuen uns, das der Hoso Tower auch von der Jury des 12. Architizer A+ Award ausgezeichnet wurde. Es ist das erste Mal, dass ein portugiesisches Büro in der Kategorie Hochhäuser gewonnen hat.
OODA Architects
Auch andere Uni-Städte glänzen natürlich mit beeindruckenden Wohnheimprojekten, etwa Ridabu. Für Porto bleibt aber zu hoffen, dass gerade der OODA-Entwurf „Nachbauer“ findet. Dann könnten in nur 14 Monaten weitere 240 Studenten ihre Zeit dem Studium statt der Wohnungssuche widmen.
Text: Daniela Schuster
Bilder: Fernando Guerra; OODA