So wird High-Tech zu Holz-Tech
Für das Homerton College in Cambridge haben Alison Brooks Architects einen Holzbau entworfen, der moderne Holzbauweise mit High-Tech-Komponenten kombiniert. Das sei der nächste Schritt in eine kohlenstoffarme Zukunft, heißt es.
Mit seinen 1386 Studierenden ist es das größte der 31 Colleges der Universität Cambridge. Gegründet wurde es schon im 17. Jahrhundert. Es steht somit wie kaum eine andere Lehranstalt für Tradition. Doch das heißt ganz offenbar nicht, dass man sich hier bloß auf Altbewährtes verlässt.
Das machen die Pläne für das neue Hauptportal des Homerton College nun mehr als deutlich. In einem zweistufigen Wettbewerb hatte man eine Lösung gesucht, die zukunftsweisend ist. Und somit auch als Bau eine Art Lehrauftrag erfüllt.
Das Homerton College und seine Vision
Und die eingereichten Konzepte dürften allesamt hochspannend sein, wie Professor Geoff Ward, Direktor des Homerton College, nun betonte: „Wir haben Beiträge von einer Reihe bekannter Architekturbüros erhalten, die zweifelsohne alle auffällige und hochfunktionale Antworten auf die gestellten Fragen gegeben hätten.“
Die besten Lösungen kamen allerdings von Alison Brooks Architects. „Der Entwurf basiert auf einem Leuchtturm-Gebäude, das durch Dialog und Konsultation zu einer schönen, vielseitigen und zukunftsorientierten Antwort auf die Bedürfnisse des Colleges führen wird“, so die offizielle Sieger-Begründung. Es sein ein „bahnbrechendes Beispiel für nachhaltiges Design“.
Solch hochtrabende Ankündigungen machen natürlich neugierig. Was also hat die Jury an dem Entwurf derartig begeistert? Zusammengefasst kann man sagen: Das Zusammenspiel aus Design, modernen Bauweisen und neuen Technologien.
Erfolg liegt in der Basisarbeit
Tatsächlich haben die Londoner Architekten keinen Aufwand gescheut, um ein hochwertiges Ergebnis erzielen zu können. Bevor sie sich überhaupt an die Planung des neuen dreigeschossigen Pavillons für das Homerton College machten, suchten sie sich erst einen Partner. Und das bloß, um Grundlagenforschung zu betreiben. Das Unternehmen Price & Myers.
Eigener Materialmix
Eine Firma, die unter dem Namen PANDA eine brandneue Software entwickelt hat, die Baumaterialien mit möglichst geringem gebundenem Kohlenstoffgehalt identifizieren kann. Die Ergebnisse wurden infolge analysiert und aus ihnen der schließlich genutzte Material-Mix destilliert. Brettsperrholz, Brettschichtholz, Kupfer und Glas. „Der Ausgangspunkt unseres Entwurfs war die Verwendung eines Massivholzrahmens mit dem ihm innewohnenden gebundenen Kohlenstoff“, so das Studio, das sich auf den Begriff „Sequestrierter Kohlenstoff“ bezieht.
Damit ist jene Menge an Kohlenstoff gemeint, die ein Baum während seines Wachstums der Atmosphäre entzieht und anschließend speichert. Wenn der Baum dann gefällt wird, bleibt diese Menge im Feststoff naturgemäß gebunden. Je höher dieser Wert ist, umso mehr anfallende CO2-Emissionen können infolge abgefedert werden. So die einfache Rechnung. „Dadurch werden die regulierten Kohlenstoffemissionen aus der Haustechnik und die unregulierten Kohlenstoffemissionen aus der täglichen Nutzung des Gebäudes mehr als ausgeglichen.“
Hochleistungshülle wie ein Schutzschild
Dennoch galt es, bei allen weiteren baulichen Maßnahmen, den Kohlenstoffausstoß des Eingangsgebäudes so gering wie möglich zu halten. Um dies zu gewährleisten, habe man eine „Hochleistungshülle“ entwickelt, die nur im übertragenen Sinne eine Hülle ist. Vielmehr bezeichnet sie eine Art Schutzschild, das aus mehreren Maßnahmen besteht. Sie alle sollen in Summe das gesamte Gebäude effizient nutzbar machen.
Konkret heißt das: Eine Photovoltaikanlage auf dem Dach generiert Strom. Eine Erdwärmepumpe sorgt für ein stets richtiges Raumklima. Eine kompakte Grundfläche, hohe Decken und große Bogenfenster im Zusammenspiel mit verglasten Oberlichtern werden den Bedarf an künstlicher Beleuchtung minimieren.
Natürliche Belüftung ist Trumpf
Wo immer möglich, habe man sich öffnende Fenster integriert. Diese ermöglichen eine natürliche Belüftung im Sommer. Zudem ist das Gebäude so ausgerichtet, dass im Winter eine passive Solarheizung ausreichend ist. Zudem wurden Teile des Erdgeschosses mit Kupfer verkleidet, um die schützenden Qualitäten dieser Legierung dort zu nutzen, wo es aus holzbaulichen Gründen relevant ist.
Nach seiner Fertigstellung werden sich im Erdgeschoss des Pavillons ein Foyer und eine Pförtnerloge befinden. Darüber hinaus wird das neue Hauptportal des Homerton College über eine Veranda, Arbeitsräume und Ausstellungsflächen verfügen. Sie werden über eine verglaste Verbindung erreichbar sein.
Über dem Erdgeschoss finden sich schließlich ein Kinderliteratur-Ressourcenzentrum, Forschungsräume und – eine große Bibliothek für echte Bücher! Denn auch wenn das Gebäude sich selbst durch digitale Sensorik-Systeme steuern lassen wird, im Inneren braucht es eben doch noch das, was Cambridge auszeichnet: Tradition!
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Filippo Bolognese Images