Holz-Hochhaus knackt 100-Meter-Marke
Über 120 Meter hoch, zu großen Teilen aus Holz gebaut und mit einer Glasfassade, die Strom erzeugt: In Offenbach soll ein Büroturm namens Namu künftig die Skyline prägen.
New York lässt grüßen. Zumindest, wenn man sich die Formgebung des in Offenbach geplanten Hochhauses Namu ansieht. Die nach oben hin auskragenden Volumina des Büroturms erinnern ein wenig an das Design des Affirmation Towers vom Architekturbüro David Adjaye. Dabei handelt es sich um einen in Manhattan geplanten Wolkenkratzer, der scheinbar auf den Kopf gestellt ist. Während die Volumenformung üblicherweise durch Setbacks, also Rücksprünge, erfolgt, kragen die Geschosse stattdessen nach oben hin aus.
Das umgekehrte Hochhaus
Im Fall des Offenbacher Hochhauses sind es vier Vorsprünge, die den Grundriss mit steigender Geschosszahl wachsen lassen. „Die mit zunehmender Höhe breiter werdende Form hebt das Gebäude deutlich von den klassischen, sich nach oben verjüngenden Frankfurter Hochhäusern ab“, heißt es dazu vom zuständigen Büro Eike Becker Architekten aus Berlin. Auch wenn der Tower in Offenbach knapp 400 Höhenmeter unter seinem New Yorker Gestaltverwandten bleibt, so punktet Namu dafür mit seiner nachhaltigen Bauweise.
Die mit zunehmender Höhe breiter werdende Form hebt das Gebäude deutlich von den klassischen, sich nach oben verjüngenden Frankfurter Hochhäusern ab.
Eike Becker Architekten
Der Name ist in diesem Fall Programm. „Namu“ bedeutet im Koreanischen „Baum, Holz“ und soll damit ein Hinweis auf die Holz-Hybrid-Bauweise sein. Ein großer Teil des Tragwerks des 124 Meter hohen Bürotums wird aus dem nachwachsenden Baustoff bestehen. Bei den Stützen und Trägern handelt es sich um sogenannte Leimbinder, die aus mehreren in gleicher Faserrichtung verleimten Hölzern bestehen. Sie basieren auf der modernen Holztechnik und kommen vorrangig im Ingenieurholzbau zur Anwendung.
Ökologischer Nutzen durch Holz
Die Holzstützen im unteren Bereich des neuen Hochhauses erreichen eine Stärke von bis zu 80 mal 80 Zentimeter, wie auch in den Visualisierungen zu sehen ist. Eike Becker Architekten, die den Wettbewerb um das aktuell größte Bauprojekt der Stadt für sich entscheiden konnten, unterstreichen den ökologischen Nutzen des Naturbaustoffs: „Dank des hohen Holzanteils werden somit schon vor Baubeginn viele Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert.“
Neben einer Tiefgarage aus Stahlbeton, wird es im Büroturm auch einem aussteifenden Kern bestehend aus Treppenhäusern und Aufzugschächten geben. Zusätzlich werden die Zwischendecken laut Projektinfo in Stahlbeton ausgeführt, allerdings sei der Betonanteil gegenüber herkömmlichen Bauten deutlich niedriger.
Dank des hohen Holzanteils werden somit schon vor Baubeginn viele Tonnen CO2 aus der Luft gefiltert.
Eike Becker Architekten
Nur rund sieben Kilometer Luftlinie weiter westlich, in Frankfurts jungem Europaviertel, befindet sich bereits das von Eike Becker geplante Holz-Hybrid-Hochhaus Timber Pioneer. Das Bürogebäude, in dem rund 1.800 Kubikmeter Fichtenholz verbaut sind, entstand in einem Joint Venture von UBM Development und Paulus Immobilien und wird in diesem Jahr fertiggestellt.
Energieaktive Fassade
Das Besondere an Namu sei neben der Holz-Hybrid-Bauweise auch das Low-Tech-Energiekonzept und die vorgehängte, energieaktive Glasfassade. „Die Fassade fängt Sonnenenergie ein und ermöglicht somit eine weitestgehend autarke Energiezufuhr“, so Eike Becker Architekten über die grüne Stromgewinnung.
Gebaut werde nach der Cradle-to-Cradle-Strategie, also nach dem Prinzip der geschlossenen Rohstoffkreisläufe, wie sie auch in der Natur vorkommen. Ziel dieser Strategie ist es, dass es künftig keine Abfälle mehr gibt, sondern nur Wertstoffe, die am Ende des Lebenszyklus eines Gebäudes wiederverwendet werden. Dass es sich auch mit gebrauchten Materialien gut bauen lässt, haben jüngst die Architektinnen von LXSY bei ihrem zirkulären Projekt Impact Hub Berlin unter Beweise gestellt.
Zuwachs für Offenbachs Skyline
Entstehen wird der 32-geschossige Tower direkt am Offenbacher Mainufer, nahe der Mainbrücke am Kaiserlei. Von der nahegelegenen Autobahn aus wird er prominent zu sehen sein und Offenbachs eher bescheidene Skyline künftig prägen. Der City Tower Offenbach, bislang das höchste Gebäude der Stadt, bekommt durch den Namu Konkurrenz. Ob er tatsächlich höher ist, bleibt allerdings Ansichtssache. Zwar überragt der Holz-Hybride den Rekordhalter um ein paar Meter, doch mit dem knapp 18 Meter hohen Stahlmast erreicht der City Tower eine Gesamthöhe von 140 Meter.
Kürzlich wurde von der Stadt Offenbach der Bauplan für den Holz-Hybriden beschlossen. Damit wird er den New Yorker Affirmation Tower, der derzeit auf Eis gelegt ist, zumindest zeitlich überrunden.
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Eike Becker Architekten