Im Schatten der Schanze
Das älteste Skimuseum der Welt auf der ältesten Skisprunganlage der Welt. Klingt irgendwie verstaubt, ist es aber nicht. Snøhetta hat dem Holmenkollen Ski Museum eine moderne Erweiterung verpasst, die es dennoch schafft, Tradition hochzuhalten.
Es gibt Sportstätten auf dieser Welt, die darf man ohne Übertreibung als „legendär“ bezeichnen. Sportstätten, die nicht nur für eingefleischte Fans einen Besuch wert sind, die zu Sehenswürdigkeiten, wenn nicht sogar zu Wahrzeichen geworden sind. Wie die größten Fußballstadien Europas, das Camp Nou in Barcelona und das Wembley Stadium in London. Wie die Streif in Kitzbühel, auf der Jahr für Jahr mit dem Hahnenkammrennen das spektakulärste Skirennen der Welt stattfindet. Oder wie der Holmenkollen am Rande von Oslo.
Legendärer Ort
Streng genommen ist ja eigentlich der Holmenkollbakken die legendäre Sportstätte, sprich: die dort errichtete Skisprungschanze. Im Sprachgebrauch hat sich jedoch der Holmenkollen, der 371 Meter hohe Berg, auf dem die Schanze thront, als deren Synonym etabliert. Jahr für Jahr pilgern nicht nur Sport-Begeisterte zur – 1892 erstmals genutzten und 2010 zuletzt erneuerten – ältesten Skisprunganlage der Welt.
Und auch das Holmenkollen Ski Museum, das ebenfalls schon auf einige Jahre seines Bestehens zurückblicken kann, hat sich zur Pilgerstätte entwickelt. 1923 gegründet, gilt es als ältestes Skimuseum der Welt – das nun um einen modernen Eingangsbereich erweitert wurde. Das Architekturbüro Snøhetta bekam anlässlich des 100-jährigen Jubiläums des altgedienten Museums den Auftrag, diesem ein neues Erscheinungsbild sowie mehr Sichtbarkeit zu verleihen. Denn der jüngste Neubau der 60 Meter hohen Sprungschanze hatte das Gebäude an ihrem Fuß im wahrsten Sinne in den Schatten gestellt und zudem den Zugang erschwert. Nun sollte das Holmenkollen Ski Museum aus diesem Schatten wieder heraustreten.
Das Studio mit Hauptsitz im benachbarten Oslo entwarf dafür eine zaunähnliche Struktur aus insgesamt 1.207 Latten aus Kiefernholz. Mit einer Länge von zweieinhalb bis fünf Metern erinnern diese sowohl an traditionelle Skigard-Zäune als auch an alte, handgemachte Holz-Ski. In Wellenform errichtet, hebt und senkt sich der Zaun und sorgt dadurch für natürlichen Lichteinfall im Inneren. Und für bessere Sicht nach draußen. „Er schafft einen visuellen Filter zwischen Innen und Außen“, so Snøhetta.
Gemütliche Hütte
Vor dem Eingang öffnet sich die Verkleidung wie ein Vorhang und gibt den Blick auf die neu errichtete Erweiterung des Gebäudes frei: Eine Glaskonstruktion mit einem Tragwerk aus Brettschichtholz, das in bewusstem Kontrast zur Beton-, Stahl- und Steinoberfläche des bestehenden Museums und der Skisprungschanze steht. So wurde der neue Bereich um die Betonpfeiler der Schanze gebaut, die im Inneren auch zu sehen sind.
Das gesamte Foyer ist laut Snøhetta an das Ambiente einer gemütlichen Hütte angelehnt, in die man „nach einem Tag im Wald zurückkehrt“. Die Stehtische aus Kiefernsperrholz wurden mit Linoleumoberflächen versehen, die Esstische wurden vom Auftraggeber, dem norwegischen Skiverband Skiforeningen, aus Kiefernholz handgefertigt. Auch die Farbgebung im neuen Eingangsbereich ist ans Skifahren angelehnt: Rot erinnert an Anoraks, Grün an die Wälder und Weiß an Schnee. Und selbst Sport-Tradition darf im Design nicht fehlen: Die Blau- und Türkistöne der Sitzgelegenheiten des Cafés erinnern an Plakate der Olympischen Winterspiele 1952 in Oslo und Helsinki.
Eigenständige Identität
Neben diversen Lampen im Retro-Stil erkennt man in den Hängeleuchten im Lounge-Bereich wiederum die zaunähnliche Verkleidung des Gebäudes wieder: Auch hier entschied man sich für das Holzlatten-Design; in diese wurden die Lampen montiert. An einer Seite der fünf Meter hohen Glasfront wurden zudem weitere Latten aufgehängt. Sie stellen ein Spiegelbild der Latten auf der anderen Seite der Fenster im Außenbereich dar.
Snøhettas Fazit: „Durch den Abriss eines Teils des Gebäudes unterhalb der Skisprungschanze und einen Anbau mit neuem Eingangsbereich verfügt das Museum nun über eine verbesserte Zugänglichkeit und eine eigenständige Identität. Es hat einen Transformationsprozess durchlaufen, der es wieder ins Rampenlicht rückte.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Thomas Ekström