Highlights urbaner Holzbau-Pioniere
Die Architekten weberbrunner gelten als Pioniere im Holzbau. Nun zeigt die Ausstellung „Holzgeschichten“ deren Bauten in Deutschland und der Schweiz, nachhaltige Wohnhäuser ebenso wie ganze Siedlungen.
Fünf Beispiel-Projekte und viel Fachinformation zum Holzbau der Zukunft: Dies und mehr erwartet Besucher des Aedes Architekturforums ab 29.November (bis 9. Jänner 2020) in der Berliner Christinenstraße. Die Ausstellung „Holzgeschichten“ präsentiert Arbeiten des Büros weberbrunner, dessen Architekten als Holzbau-Pioniere gelten.
Detaillierte Werkschau
„Holzgeschichten“ zeigt urbane Holzbauten aus unterschiedlichen Orten in der Schweiz und in Deutschland. Fotografien von Beat Bühler und Georg Aerni veranschaulichen die Architektur und ihre Details von außen und innen. Sie geben Einblick in Planung, Bauprozesse und Formen der Aneignung der Holzgebäude.
Neben der Werkschau widmet sich eine Veranstaltungsreihe den positiven Eigenschaften von Holzgebäuden. An drei Dialog-Abenden im Dezember finden Fachdiskussionen über Status Quo und Zukunft modernen urbanen Holzbaus statt.
Anhand der fünf präsentierten Projekte des Büros weberbrunner architekten illustriert die Ausstellung drei Thesen zum Holzbau der Zukunft. Kurz umrissen lauten diese: Holz als Rohstoff für das Tragwerk – CO2-Speicher und Konstruktionsmaterial. Holz als Botschaft im öffentlichen Raum – Hölzernes „Kleid“ für nachhaltiges Bewusstsein. Und Holz mit emotionaler Wirkung – Atmosphärische Qualität im Innenraum.
Vom Kindergarten zum Großprojekt
Detailliert dargestellt werden der Kindergarten Freie Waldorfschule in Werder an der Havel, das Mehrfamilienhaus Im Amt in Gutenswil, das Wohnhaus Bruderberg in Weiningen und das Mehrgenerationenhaus Hagmann-Areal in Winterthur. Beispielprojekt Nummer fünf ist die stattliche Siedlung sue&til in Winterthur.
weberbrunner architekten planen und bauen in Zürich seit 1999 und in Berlin seit 2016. Das Team steht für einen ganzheitlichen Architekturansatz und erbringt alle Leistungsphasen. Der urbane Holzbau hat sich mehr und mehr zu einer Kernkompetenz im architektonischen Repertoire des Studios entwickelt.
Holzbau in jeder Lage
Die nun im Aedes Architekturforum gezeigten Projekte unterscheiden sich sowohl in Sachen Dimension und Stil, als auch was Zweck und Lage betrifft. So befindet sich etwa das Mehrfamilienhaus im kleinen Ort Gutenswil im Kontext intakter ländlicher Dorfstruktur am Rand des Siedlungsraumes zwischen Obstwiesen und Feldern.
Das Mehrfamilienhaus vereint zeitgenössisch offene Wohngrundrisse mit traditionellen, architektonischen Elementen der Kernzone. Die Holzhülle wirkt wie ein Gewebe und vermittelt mit verschiedenen Schalungstypen zwischen ortstypisch geschlossen wirkenden Holzfassaden der Vielzweckgebäude und urbanem Wunsch nach Ausblick in die Landschaft.
Der Waldorf Kindergarten in Werder indes liegt inmitten eines grünen Wohngebietes mit freistehenden Gebäuden. Für Ganztagsbetreuung konzipiert, wird er als „Wohnort für Kinder“ angelegt, in dem jede Gruppe ihr eigenes Haus erhält.
Hell, nachhaltig und behaglich
Zusammen bilden die wabenförmig aufgebauten Einheiten ein kleines Dorf mit gut besonntem Freiraum. Helles Holz, durchdachte Raumkonzepte und durchgehende Barrierefreiheit sollen den Holzbau zum Kinderparadies gestalten.
In Wintherthur, wo weberbrunner architekten zuvor bereits das Mehrgenerationenhaus Hagmann-Areal realisiert hatte, waren 2017 – nach nur rund einem Jahr Bauzeit – bereits die ersten Wohnungen der sue&til Siedlung fertig. Wie im Wettbewerb vorgegeben, besteht die Anlage größtenteils aus Holz.
Größte Holzbau-Siedlung der Schweiz
In Etappen errichtet, erstreckt sich die Siedlung über eine Fläche von 1,8 Hektar. Das Erdgeschoss des mäandrierenden Gebäudes bietet auf 1.200 Quadratmetern Raum für Gewerbeeinheiten und Wohnungen. Unterschiedliche Gebäudehöhen, Attikageschosse und attraktive Innenhofzonen machen die Anlage ansprechend und verheißen hohe Lebensqualität.
Der bis zu sechs Geschosse hohe Komplex verfügt über insgesamt 40.000 Quadratmeter Nutzfläche (oberirdisch), davon 80 Prozent für Miet- und 20 Prozent für Eigentumswohnungen. Die sue&til Siedlung ist derzeit der größte Holzhybridbau der Schweiz.
Die Fassaden sind mit Aluminiumblechen verkleidet, die das Holz weitgehend verbergen. Doch in der Anlage stecken um die 10.000 Kubikmeter Holz. Holzbau Austria zitiert weberbrunner-Geschäftsführer Boris Brunner: „Die dünne Schicht aus Aluminium schützt den Holzkern wirkungsvoll und reflektiert die Farben der Umgebung“.
In Vergleich zum konventionellen Bau verschiebt sich die Zeitachse. Man tut gut daran, dem Holzbau sehr bewusst gegenüberzutreten.
Boris Brunner, Architekt und Geschäftsführer von weberbrunner architekten
Bei diesem großen Holzbau-Projekt gesammelte Erfahrungen fasst der Architekt so zusammen: „In Vergleich zum konventionellen Bau verschiebt sich die Zeitachse. Man tut gut daran, dem Holzbau sehr bewusst gegenüberzutreten. Die Planung muss in der Zeitachse sehr früh stattfinden.“
Stehe von Beginn an fest, dass die Ausführung in Holzbauweise erfolgt, könne der Planer die Eigenheiten des Holzbaus bereits im Entwurf berücksichtigen. Und zwar sowohl strukturell als auch normativ.
Wohliges „Holz-Gefühl“ im Inneren
Der Metallfassade zum Trotz müsse man spüren, dass man sich in einem Holzbau befindet, betont Brunner. In diesem Sinne wurden die Brettstapeldecken in den Wohnräumen sichtbar belassen und nur in der Grundrissmitte Gipskartonplatten als Verkleidung für die Gebäudetechnik eingesetzt.
Was die Ausstellung im Aedes Architekturforum deutlich machen will, sind die vielen Vorteile, Gestaltungs- und Einsatzmöglichkeiten modernen Holzbaus:
Der Baustoff Holz eignet sich als Voll-, Brettschicht- und Mehrschichtholz. Sowohl für Decken, Dachkonstruktionen, Innen-, Trenn- und Brandwände, als auch für Fassadenelemente als komplexe vorgefertigte Gebäudemodule. Durch technologischen sowie industriellen Fortschritt kann der Holzbau enorme Spannweiten und Lasten aufnehmen.
Außerdem ergeben verschiedene Holzbauweisen sehr flexible, kalkulierbare Systeme. Durch den hohen Vorfertigungsgrad lässt sich die Bauzeit verkürzen. Und durch die trockene Bauweise kann hohe Kosten- und Terminsicherheit gewährleistet werden.
Kürzere Bauzeit, viele Möglichkeiten
Deshalb wird Holz gerade im mehrgeschossigen Bauen immer öfter verwendet. Dies eröffnet neue Potentiale für die zeitgenössische Architektur – insbesondere bestandsverträgliche Lösungen für nachhaltige Nachverdichtung im urbanen Raum.
Holz ist ein ideales Dämmmaterial gegen Hitze ebenso wie gegen Kälte. Gleichzeitig ist der natürliche Baustoff atmungsaktiv und fördert dadurch gesundes Wohnklima sowie hohe Wohnqualität.
Holzbau-Pioniere demonstrieren Vorteile
Darüber hinaus belegt die aktuelle Werkschau: Mit Holz lassen sich – abseits von rustikalen Assoziationen zu Fachwerkhäusern und Alpen-Chalets – bemerkenswerte Kombinationen und Kontraste mit anderen Baustoffen wie Aluminium, Beton oder Stein herstellen.
Grund genug, die fünf in der Werkschau präsentierten Projekte der Holzbau-Pioniere genauer zu betrachten. Wer sich für nachhaltigen, variantenreichen und zukunftsfitten Holzbau interessiert, wird dabei viele Ideen und Anregungen finden. Die Ausstellung „Holzgeschichten“ im Berliner Aedes Architekturforum liefert eine bunte, umfassende Palette an Fachinformation, Illustrationen und Details.
Text: Elisabeth Schneyder
Fotos: Beat Bühler, Georg Aerni