Spieglein, Spieglein an der Wand …
Sich am Arbeitsplatz vor allen anderen verstecken? Bell Phillips Architects zeigen mit dem Harwell Hide, wie diese etwas andere Art eines Smart Offices Wirklichkeit wird.
Hört man von Oxford, so denkt man wohl zuerst unwillkürlich an Bildung. An Wissenschaft. An Forschung. Immerhin ist die 150.000-Seelen-Stadt weit über die Grenzen Englands vor allem für seine altehrwürdige Universität bekannt. Weniger bekannt ist dagegen der Harwell Science and Innovation Campus, eine 700 Hektar große Forschungsstätte rund 24 Kilometer südlich von Oxford. Über 6.000 Menschen arbeiten hier in über 240 öffentlichen und privaten Organisationen. Und das auf unterschiedlichen Gebieten wie Raumfahrt, erneuerbaren Energien, Biowissenschaften und Quantencomputing.
Auf dem heutigen Campus-Geländes befand sich in der Vergangenheit die Hauptforschungseinrichtung der UK Atomic Energy Authority. Mit der Stilllegung der dortigen Nuklearanlagen wurde der Standort zum aktuellen Wissenschafts- und Gewerbepark umgestaltet – wobei die Gestaltung noch lange nicht abgeschlossen ist.
Harwell Hide mal 3
So wurden zuletzt umfassende Investitionen getätigt, um neue Arbeitsbereiche auf dem Campus zu schaffen. Beauftragt wurde das Architekturstudio Bell Phillips Architects mit Sitz in London; entstanden ist Harwell Hide, ein Ensemble aus drei Pavillons: „Working Hide“, „Informal Hide“ und „Utility Hide“.
Der Name wurde passend gewählt: Was beim Blick auf das Projekt nämlich sofort auffällt, ist, dass es nicht auffällt. Sprich: Es fügt sich perfekt in die Landschaft ein. Ein echtes Versteck eben für Mitarbeiter:innen des Science and Innovation Campus. Für die Fassaden wurde verspiegelte Paneele und sibirische Lärche gewählt, „um sich in die Umgebung in Oxfordshire einzufügen“, bestätigt auch das Studio. Die Pavillons wurden mit Brettsperrholz (Cross Laminated Timber, CLT) und auf Stahlrohrfundamenten errichtet, damit die Landschaft lediglich „sanft berührt wird“, wie es heißt.
Es war die Lärche
„Das Harwell-Hide-Projekt ist Teil eines ehrgeizigen Campus-Erweiterungsplans, der Platz für mehr Menschen und Organisationen schafft – mit modernsten Arbeitsplätzen, neuen Laboren und weltweit führenden Einrichtungen“, erklärt dazu Hari Phillips, Miteigentümer von Bell Phillips. „Die Hides wurden als Orte der Innovation, als Arbeitsplatz, an den man gerne zurückkehrt, sowie als Rückzugsort für die bei Harwell arbeitenden Menschen konzipiert“.
Das Material sei „der Schlüssel“ des Designs, so Phillips. „Die natürlich silberne Fassadenverkleidung aus sibirischer Lärche verschmilzt mit den umliegenden Bäumen und dem Grasland. Sie wird mit der Zeit verwittern und in die Umgebung einfließen“.
Karges Innenleben
Um das Risiko von Vogelkollisionen mit den Spiegelwänden zu minimieren, wurden die Paneele laut Phillips in verschiedenen Winkeln aufgestellt. Zudem sorge „das facettierte Design der Pavillons für Kontrast … Jedes Paneel ist im Verhältnis zur Pavillongruppe relativ klein, und neben der schrägen Anordnung enthalten sie Tür- und Fensteröffnungen, sodass sie nicht als durchgehende Fläche erscheinen.“
Im Inneren der Harwell-Hide-Pavillons blieben die CLT-Platten bewusst unverkleidet, um einen entsprechenden Hintergrund für die einfachen schwarzen Möbel und Beleuchtungskörper zu bilden. Große Schreibtische wurden entlang den Winkeln der Außenwand maßgefertigt. An den ausladenden Fenstern positioniert, bietet sich den arbeitenden Menschen ein weiter Blick auf die Landschaft.
Bau auf Holz
In jedem Hide wird der große Raum komplett genutzt, um eine helle und luftige Atmosphäre zu schaffen. „Gleichzeitig trägt das der markanten Kantigkeit der Struktur Rechnung“, betont Phillips. Die einfache Gestaltung minimiere darüber hinaus den Wartungsaufwand und somit die Kosten. Aus diesem Grund wurden maßgefertigte Holzmöbel auch sparsam eingesetzt.
Harwell Hide ist nicht das erste Projekt, bei dem Bell Phillips Architects im wahrsten Sinne auf Holz gebaut haben. So entwarf das 2004 gegründete Studio unter anderem den „Baumhaus“-Pavillon im Londoner Elephant Park sowie die Skinners‘ School im englischen Kurort Royal Tunbridge Wells.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Kilian O’Sullivan