Kampf dem Donut-Effekt!
Die österreichischen Architekten smartvoll architects sagen mit dem neuen Gemeindezentrum in Großweikersdorf dem berüchtigten Donut-Effekt den Kampf an.
Wenn er sich nur in Form von Schwimmreifen um die Leibesmitte bemerkbar machen würde, wäre er vielleicht nur halb so schlimm: Der Donut-Effekt. Leider aber bleibt es nicht dabei. Nein, er befällt auch ganze Ortschaften: Hinterlistig zieht er über Nahversorger an der Peripherie Frequenz aus dem Ortzentrum ab und lässt diesen ab- und aussterben.
Nicht mit uns, dürfte sich die Gemeinde Großweikersdorf gedacht haben. Und hat kurzerhand die Experten von smartvoll architects um ein Konzept gebeten, das dem Donut Einhalt gebieten soll. Das, was daraus entstanden ist, hat gute Chancen darauf, dem Donut erfolgreich die Stirn zu bieten.
Gemeindezentrum: Erfolgreiches Konzept gegen den Donut-Effekt
Das Anti-Donut-Konzept stieß auf so viel Anklang in der Fachwelt, dass das neue Gemeindezentrum von Großweikersdorf gleich mehrere Awards eingeheimst hat: Darunter den Architizer A+ Award, den Holzbaupreis Steiermark, den Archilovers best project 2021 und zusätzlich ist das Projekt für den ZV-Bauherrenpreis 2021 nominiert.
„Aus der Häuserzeile am Hauptplatz herausgedreht, öffnet sich das neue Herzstück des Dorfes zu einer einladenden Willkommensgeste”, so die beiden Gründer des Wiener Architekturbüros smartvoll architects Philipp Buxbaum und Christian Kircher. Dadurch dass der Baukörper gedreht ist, wird das Grundstück offener, der Haupteingang orientiert sich auf den Hauptplatz hin. „Bürger und Besucher sollen sich nicht nur willkommen fühlen, sie sollen auch vor allem dazu animiert werden, das Haus zu benutzen.”
Das neue Bürgerhaus von Großweikersdorf gliedert sich funktional und baulich in drei Teile. Allen voran ist das Rathaus untergebracht. Im zweiten Baukörper gibt es ein Vereinshaus, das den verschiedenen Traditionen und Aktivitäten Platz bietet. Und im östlichen Teil des Gebäudes befindet sich das Ärztezentrum mit einer Gemeinschaftspraxis von bis zu fünf Ärzten.
Verträgliche Happen
Diese Segmentierung findet auch optische ihre Entsprechung: Die einzelnen Bauteile sind zueinander verschoben. „Einerseits wollen wir damit den Baukörper in für den ortsüblichen Maßstab verträgliche Happen filetieren, andererseits bilden wir damit glasklar das Raumprogramm beziehungsweise die Funktionen ab”, heißt es bei smartvoll architects. Ein sehr pragmatischer Nebeneffekt: So ganz nebenbei entstanden in den versetzten Flächen die Eingänge für das Vereinshaus und das Ärztezentrum.
Den Bürgern steht für vielfältige Aktivitäten nicht nur das Vereinshaus zur Verfügung, auch die Freibereiche sowie die öffentlichen Zonen im Rathaus bieten sich an, das Haus für sich zu vereinnahmen und zu nutzen.
Antithese zum bloßen Verwaltungsbau
Ergänzt wird das Ensemble in Großweikersdorf mit einer sogenannten „Potentialfläche” im hinteren Bereich des Grundstückes. Buxbaum und Kircher verstehen das Gebäude als „Antithese zum bloßen Verwaltungsbau, das sich als gebaute Manifestation eines lebendigen und aktiven Dorfkernes deutet”.
Dass sich smartvoll architects auch mühelos „stil- und smartvoll” hätten nennen können zeigen viele realisierte Projekte und auch Entwürfe des kreativen Teams, das als Slogan „alles bleibt anders” gewählt hat.
Stil- und smartvoll
Beim Service Treff der Wiener Stadtwerke etwa lag es dem Team am Herzen, nicht nur die Tätigkeit zu berücksichtigen, der im Gebäude nachgegangen wird, sondern auch die Ansprüche, die damit einhergehen. Räumlichkeiten der öffentlichen Verwaltung sollen zwar in erster Linie funktional sein. Jedoch war man bei smartvoll architects der Meinung, dass das nicht bedeutet, dass Gebäude der öffentlichen Verwaltung nicht auch repräsentativ sein dürfen.
Der Zuschlag bei der EU-weiten Ausschreibung für das neue Restaurant am Thalersee bei Graz ging letztendlich zwar an jemand anderen. Aber die Projektidee der kreativen Wiener „Land in Sicht“ war abermals raffiniert: See-Architektur, die die Uferzonen nützt, zugleich renaturiert und für die Allgemeinheit öffnet. Damit wollte man gewährleisten, dass eine kommerzielle Nutzung möglich ist, ohne die Allgemeinheit auszusperren.
Fokus auf dem Entwurfsprozess
Der Fokus von smartvoll liegt auf dem architektonischen Entwurfsprozess. Dort entstehe ihrer Meinung nach bei Projekten der meiste Mehrwert. Ästhetik könne bei Architektur Hand in Hand mit Inhalt gehen – was der Nachhaltigkeit keinen Abbruch tun müsse.
„Wir lieben Design und wir lieben es, dass ein Designprozess ein fließender, lebendiger und sich ständig verändernder Fluss von Dingen ist, die gleichzeitig passieren”, heißt es bei smartvoll. „Wir glauben an ein starkes und einfaches Konzept und eine Vision. Und wir glauben, dass die Form das Ergebnis der Prüfung der Geometrie anhand des Inhalts und der Prinzipien ist, die wir mit dem Konzept festgelegt haben”.
Dies wollen die Architekten bei smartvoll architects aber keineswegs als Einbahnstraße verstanden wissen. „Das Konzept kann die Form ändern und die Ergebnisse der Geometrieprüfung können das Konzept beeinflussen”.
Text: Linda Benkö
Fotos: Romana Fürnkranz, Wienerberger (Andreas Hafenscher), Dimitar Gamizov, Jörg Seiler, Sara Schmidt, Mathias Bank