Fix nicht abgekupfert
Das erste Büro-Projekt von Foster + Partners in Russland ist ein intelligenter Tower für einen Kupferhersteller. Und weil man bei sowas echt nicht abkupfern darf, haben die Planer ein super-individuelles Office entwickelt. Läutet es gar das Ende der Großraumbüros ein?
Was wurden sie nicht gehyped. Die Großraumbüros. Die neue Form des Arbeitens. Endlich miteinander. Kommunikativ und die Kreativität fördernd. Doch schon vor der Pandemie hatte sich ein kleiner Trend abgezeichnet, der das klassische Großraumbüro nicht mehr so ganz in den Vordergrund rückte.
Experte sagte Ende der Großraumbüros vorher
Intelligente Kombinationen aus Zellen und Begegnungszonen waren gerade im Aufkeimen, als das Virus jegliches Büroleben zum Erliegen brachte. Und seither ist so oder so alles anders.
Experten wie etwa Walter Hugentobler, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin in Wien, sprach sich schon während der ersten Corona-Welle im Kurier für die Rückkehr zu kleineren Büroeinheiten aus. „Wenn wir den Ausbreitungsweg von Viren berücksichtigen, spricht vieles dafür, den Trend zu Großraumbüros zu hinterfragen“, sagt der Mann, der sich in seiner Forschung mit den Auswirkungen des Innenraumklimas auf die Gesundheit beschäftigt. „Wir sollten zurückkehren zu kleineren Büroeinheiten, die idealerweise auch getrennt belüftet werden können.“
Wenn wir den Ausbreitungsweg von Viren berücksichtigen, spricht vieles dafür, den Trend zu Großraumbüros zu hinterfragen.
Walter Hugentobler, Facharzt für Allgemeine Innere Medizin
Und vielleicht haben die Architekten von Foster + Partners einem seiner Vorträge gelauscht. Oder waren mit einem Fachkollegen in Kontakt. Denn ihr soeben fertiggestellter Büroturm in Jekaterinburg in Russland zielt genau auf dieses neue Büro-Verständnis ab. Weg von den Großraumbüros, hin zu kleineren, aber clever arrangierten Zellen.
Es ist alles Kupfer, das hier glänzt
Aber gehen wir kurz einen Schritt zurück. Ausgeschrieben war die neue Firmenzentrale der Russian Copper Company (RCC), also der Russischen Kupfergesellschaft. Kurz zur Einordnung: Das ist eines der größten Kupferbergbauunternehmen des Landes.
Zudem markiert dieser Auftrag für das weltweit renommierte Büro Foster + Partners noch aus einem anderen Grund einen besonderen Stellenwert: Ist es doch das erste Bürogebäude des Studios in Russland. Sprich: Potentielle Folgeaufträge witternd, wollte man hier keinen Fehler machen. Dementsprechend ambitioniert gingen die Projektleiter bei dem 15-stöckigen Tower ans Werk.
Als Ausgangpunkt ihrer Planung entschloss man sich, nicht einfach einen Firmensitz zu konzipieren. Vielmehr wollte man den Komplex als „Haus für die Mitarbeiter“ neu erfinden. Eben mit dem Zugang: Anstelle der herkömmlichen gemeinschaftlichen Großraumbüros suchten die Planer Wege, den „Büros einen intimeren und häuslichen Aspekt“ zu verleihen. So erklären sie rückblickend.
Taskforce statt Expertenmeinung
Um hierbei auf einen grünen Zweig zu kommen, zählte man allerdings keineswegs auf die Expertise von erfahrenen Büroentwicklern, die man naturgemäß bei Foster + Partners an der Hand gehabt hätte. Stattdessen etablierte man eine eigene Taskforce, die über Wochen hinweg die Arbeitsabläufe des Kunden protokollierte und analysierte.
Smartness von Anfang an gedacht
Hintergrund dieses aufwändigen Vorgehens: Smarte Office-Lösungen seien nicht nur von moderner Sensorik abhängig. Wer bei der Planung schon möglichst ins Detail geht, weiß später besser, welche Daten wo erhoben werden müssen und baut langfristig effizienter. So die vorherrschende Meinung bei dem in London ansässigen Architektur-Büro.
Jedenfalls half diese Methode dabei, ein, wie es heißt, „innovatives modulares System für die Räume zu entwickeln. Dieses wurde dann mit den hauseigenen Ingenieurteams fertiggeplant, um eine schnelle Konstruktion zu ermöglichen.“
Fazit: Jedes Modul ist zweigeschossig, besteht also aus zwei übereinander gestapelten Büroräumen. Die Module selbst sind in Reihen zu beiden Seiten eines zentralen Flurs angeordnet, der als sogenannter „Breakout Space“ fungiert. Also als Fluchtmöglichkeit vor dem nächsten E-Mail oder Anruf. Mit Lounge-Sitzgelegenheiten und Blick auf die Stadt durch den verglasten Aufzugsschacht.
Details muss man selbst erahnen
Schade ist bloß, dass die Planer keine Details ihres Evaluierungsprozesses bekanntgeben, sondern eben bloß die daraus resultierenden Ergebnisse. Allerdings kann man aufgrund einiger realisierter Komponenten auf Dinge schließen, die weniger offensichtlich sind als etwa die Raumaufteilung. Vor allem beim Energiemanagement des kupferfarbenen Turmes wird die Sache nämlich spannend …
Dazu muss man allerdings vorab wissen, dass Jekaterinburg in einer klimatisch durchaus anspruchsvollen Region liegt: Zwischen den einzelnen Jahreszeiten schwankt die Temperatur zwischen +30°C und -30°C! Dennoch gelang es den Architekten, einen fast vollständig verglasten Bau hinzustellen, der wohl tatsächlich eine BREEAM Excellent Bewertung erhalten wird. Also das älteste und am weitesten verbreitete Zertifikat für Nachhaltigkeit.
Energiemanagement mit Köpfchen
Möglich wird das freilich erst einmal durch die zum Einsatz kommenden Rohstoffe. Das lässt sich während des Baus recht entspannt steuern und ist heute auch kein wirklicher Kostentreiber mehr. Spannend ist eher der Betrieb des Objekts – Stichwort: Energiemanagement.
Dem Planungsteam ist es gelungen, ein cleveres Gleichgewicht zwischen massiven und verglasten Bereichen zu etablieren. Diese wurden jeweils so gewählt, dass die tief stehende Wintersonne das Gebäude eher durchflutet, als die Hitze entwickelnde Sonneneinstrahlung im Sommer.
Zudem gewährleistet ein ideales Maß an natürlichem Tageslicht jederzeit konzentriertes Arbeiten. Somit fallen die über Sensoren und Klimasysteme zu regulierenden Faktoren weiter weniger ins Gewicht, als wenn man nicht auf diese Außeneinflüsse Rücksicht genommen hätte.
Auch wurde die Begrünung des vorbeifließenden Flusses Isset bis zum Sockel des Gebäudes ausgedehnt. Als privaten Garten für die Mitarbeiter, heißt es. Nur logisch, dass Landschaftsgestaltung die zellulare Anordnung im Inneren des Gebäudes widerspiegelt. Eine Reihe von „Außenräumen“, die den Mitarbeitern ruhige Plätze zum Entspannen und Essen bieten.
Schön darf die clevere Sache auch sein
Abseits dieser smarten Überlegungen hatten die Star-Architekten aber natürlich auch optische Konzeptionsideen. So ist der markante Turm als direkter Bezug auf die Bergbauaktivitäten des Unternehmens zu verstehen. Ein überirdischer Schacht, sozusagen. Und seine dreieckige Verkleidung wurde vom Kristallgitter inspiriert, aus dem Kupfer auf atomarer Ebene besteht.
Und an der Spitze des neuen Unternehmenssitzes prangt freilich auch das Firmenzeichen, wie Foster + Partners stolz verkünden. Aber nicht irgendwie: „In die Krone des Gebäudes ist das neue Logo von RCC integriert. Ein Rebranding, das wiederum von der Architektur inspiriert wurde.“ Kurz gesagt: Bei diesem Projekt wollten die kreativen Architekten nicht einmal das ursprüngliche Logo des eigenen Kunden abkupfern. Das nennen wir mal Motivation. Chapeau!
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Foster + Partners