Quartier mit planetaren Grenzen
In Berlin-Neukölln wurde der Grundstein für ein neues Stadtquartier gelegt. Mit dem Projekt Greenfields Buckow will man bezahlbaren Wohnraum schaffen, und das weitgehend CO2-frei: mit Holz, Sonnenstrom und jede Menge Grün.
Der weltweit angesehene Klimaexperte Hans Joachim Schellnhuber nennt sie seine „beste Idee gegen den Klimawandel“. Anstatt sich auf Methoden wie Carbon Capture and Storage (CCS), also das Herausfiltern und Einlagern von CO2 unter der Erdoberfläche, zu verlassen, sollte der Mensch auf eine „Maschine“ setzen, die schon jetzt im großen Stil CO2 aus der Atmosphäre entfernt, und das sogar kostenlos. „Diese Maschine heißt Baum, und das zugrunde liegende Naturwunder heißt Photosynthese“, erklärte Schellnhuber kürzlich in einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“. „Indem wir also Gebäude aus Holz oder auch Bambus errichten, können wir nicht nur unsere gebaute Umwelt schöner, gesünder und inklusiver gestalten, sondern gleichzeitig die Atmosphäre von historischen CO2-Emissionen reinigen.“
Auf diese Kombination zwischen Forstwirtschaft und Bauwesen setzen heute immer mehr Bauprojekte, ob im Bereich Wohnen, Büroimmobilien oder Industriearchitektur. In der deutschen Bundeshauptstadt Berlin entsteht derzeit ein Vorzeigequartier, das den Beweis antreten will, dass sich sozial nachhaltiges Wohnen großteils CO2-frei umsetzen lässt. Dabei handelt es sich um das Generationenquartier Greenfields Buckow, das im Zentrum des neuen Stadtentwicklungsgebietes Buckower Felder liegt.
Autofreies Quartier in Holzbauweise
Die Grundsteinlegung für das Projekt im Berliner Stadtteil Neukölln erfolgte im Oktober 2024. In den nächsten Jahren sollen hier fünf Mehrfamilienhäuser entstehen, und das so weit als möglich aus nachwachsenden Rohstoffen. “Sämtliche Tragwerke bestehen aus Holz, auch die Fassaden werden in Holz ausgeführt“, erläutert Jörg Finkbeiner, einer der beiden Geschäftsführer von Partner und Partner Architektur.
Das Büro mit Sitz in Berlin ist kein unbeschriebenes Blatt, wenn es um innovative Bauwerke aus biobasierten Materialien geht. Die Bürogründer Klaus Günter und Jörg Finkbeiner kommen vom Zimmermann- beziehungsweise Schreinerhandwerk und haben sich als Architekten dem Baustoff Holz verschrieben. Ihr Projekt Woodscraper in Wolfsburg, zwei im Bau befindliche Hochhäuser aus Holz und Stroh, wurde mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis 2021 ausgezeichnet.
Sämtliche Tragwerke bestehen aus Holz, auch die Fassaden werden in Holz ausgeführt.
Jörg Finkbeiner, Architekt
In den Visualisierungen zeichnet sich Greenfieds Buckow durch großzügige begrünte Außenräume aus, die das Ergebnis einer autofreien Mobilität sind. Werden die Flächen zwischen den Bebauungen nicht dem motorisierten Verkehr gewidmet, dann tun sich plötzlich Freiräume auf, die eine ungeahnte Aufenthaltsqualität mit sich bringen. Anstatt von Parkplätzen gesäumte Straßen wie in der traditionellen Stadtplanung, führen Rad- und Spazierwege durch naturnahe Grünanlagen und kleine Stadtwälder. Das Konzept dafür stammt vom Landschaftsplanungsbüro KOKOMO.
Sozial nachhaltiger Wohnbau
Damit fügt sich das Quartier nahtlos in den Masterplan des neuen Siedlungsgebietes Buckower Felder ein, das vom landeseigenen Wohnbauunternehmen STADT UND LAND errichtet wird. Ein komplett neues Wohnquartier mit insgesamt 900 Wohneinheiten, das auf einem zuvor landwirtschaftlich genutzten Gebiet entsteht.
Neben begrünten Fassaden und einem weitgehend autofreien Mobilitätskonzept setzt dieser außerdem auf Regenwasserversickerung und grünen Eigenstrom aus Photovoltaik-Anlagen.
Bürgerstadt Berlin und die sozialökologische GLS Bank entwickeln und finanzieren die geplanten 106 Wohnungen der Greenfields Buckow, wobei 58 Prozent öffentlich gefördert sind. Dazu zählen neben Wohngemeinschaften für Alleinerzieherinnen- und Alleinerzieher auch ein Generationenhaus und Kleinstwohnungen für wohnungslose Menschen.
Ein sozial nachhaltiges Konzept, das auf die angespannte Situation am Berliner Wohnungsmarkt reagiert. Ein vielfältiger Wohnungsmix soll den Bedarf der unterschiedlichen Altersgruppen widerspiegeln und so ein Quartier schaffen, das gut durchmischt ist.
Wir verbinden ökologisch nachhaltiges Bauen mit unserem sozialen Anspruch als Bank und schaffen so ein Quartier für alle Generationen. Das ist für uns eine langfristige und sinnvolle Investition in dauerhaft bezahlbaren Wohnraum.
Christoph Weber, GLS Bank
Christoph Weber von der GLS Bank betont: „Wir verbinden ökologisch nachhaltiges Bauen mit unserem sozialen Anspruch als Bank und schaffen so ein Quartier für alle Generationen. Das ist für uns eine langfristige und sinnvolle Investition in dauerhaft bezahlbaren Wohnraum.“
Bauen in planetaren Grenzen
Damit entsteht am Berliner Angerplatz ein Generationenquartier, das auf die Bedürfnisse der Menschen eingeht, während man zugleich darauf schaut, dass beim Bauen die planetaren Grenzen gewahrt bleiben. Ein Ziel, dem sich Partner und Partner Architektur aus freien Stücken verschrieben hat.
Das Architekturbüro verfügt über eine eigene Forschungseinheit, das sogenannte 1,5-Grad Lab, und ist damit ganz auf Linie mit dem Klimaforscher Schellnhuber. „Im 1,5-Grad Lab bündeln wir alle Forschungsaktivitäten sowie die Material- und Bau-Elemente-Entwicklung. Der Fokus liegt darauf, Fragestellungen zum Bauen der Zukunft zu benennen und zu kommunizieren. Und so tun, was wir tun können.“
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: GRAU Visuals, GLS BANK, Bürgerstadt AG