Bezahlen an der Holz-Kasse
Die österreichische Kapsch TrafficCom hat mit „Green Gantry“ eine Maut-Brücke in Hybridbauweise auf Holzbasis entwickelt. Mit an Bord sind die Technische Universität Graz, das Zivilingenieurbüro freiraum ZT, Hasslacher Norica Timber und der Verkehrsinfrastrukturanbieter Forster.
„Wir fahren, fahren, fahren auf der Autobahn.“ Es ist nicht überliefert, ob sich das Entwicklungs-Team für Greeny Gantry (Grünes Portal) vom legendären Kraftwerk-Song aus dem Jahr 1974 inspirieren ließ. Jedenfalls entwickelt das österreichische Mobilitäts- und Infrastrukturunternehmen Kapsch TrafficCom mit einigen Partner eine sogenannte Maut-Brücke in Hybridbauweise auf Holzbasis. Der Prototyp steht auf der Kapsch TrafficCom-Teststrecke im niederösterreichischen Teesdorf und ist so gut wie einsatzfähig.
Green Gantry: Holz statt grauer Stahl
Graue Stahl- oder Aluminium-Mautbrücken auf Autobahnen sind seit Jahrzehnten der Industriestandard. Kapsch TrafficCom hat eine nachhaltige, alternative Hybridbauform entwickelt, die auf Holz statt Stahl basiert und so den Metallverbrauch auf ein Minimum reduziert. Die Stahl- und Aluminiumträger sowie -stützen werden dabei durch Brettschichtholz ersetzt. Mit der „Green Gantry“ getauften Neuentwicklung will Kapsch TrafficCom „neue Maßstäbe für nachhaltige Infrastruktur“ setzen. Die Maut-Innovation reduziert außerdem den Einsatz von Metall auf ein Minimum.
Deutlich reduzierter Öko-Fussabdruck
Die Green Gantry ist nach Angaben des Unternehmens bei Qualität und Kosten mit einer herkömmlichen Mautbrücke vergleichbar. Da Holz gegenüber Stahl einen bis zu zwanzigfach geringeren CO2-Fussabruck aufweist, werden die Umweltauswirkungen mit der Green Gantry im Vergleich zu herkömmlichen Mautbrücken deutlich verringert. Auch bei einer erforderlichen Demontage wird die Umwelt nicht belastet, da keine schädlichen chemischen Substanzen zur Behandlung des Holzes verwendet werden. Kapsch TrafficCom gibt die Lebensdauer der Neukonstruktion derzeit mit 20 Jahren an. Neben diesen Vorteilen für die Umwelt erfüllt die Green Gantry auch alle relevanten europäischen Normen und Standards. Nach Angaben des Unternehmens gibt es bereits zahlreiche internationale Anfragen.
Noch befindet sich die neuartige Mautbrücke im Versuchsstadion und wartet auf den Praxiseinsatz. Um die Green Gantry zu realisieren, hat Kapsch TrafficCom ein eigenes Forschungsprojekt initiiert. Dem Institut für Holzbau und Holztechnologie an der Technischen Universität Graz wurde die Projektleitung übertragen. Weitere Forschungs- und Entwicklungspartner sind der Kärntner Brettschichtholz-Spezialist Hasslacher Norica Timber und der niederösterreichische Verkehrsinfrastrukturanbieter Forster Verkehrs- und Werbetechnik. Das Design der Green Gantry wurde gemeinsam mit dem Zivilingenieurbüro freiraum ZT entwickelt, welches auch die Berechnungen für das Tragwerk übernahm. Der Waldfonds, eine Initiative des österreichischen Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Regionen und Wasserwirtschaft fördert das Projekt, das zudem im Rahmen des Programms Think.Wood der Österreichischen Holzinitiative durchgeführt wird.
In den kommenden zwei Jahren werden im Rahmen des Projekts die Spezifikationen und Eigenschaften der Green Gantry am Standort in Teesdorf analysiert, um auch in Zukunft eine einwandfreie Qualität zu gewährleisten, so dessen Entwickler. Die Station dient auch als Forschungsanlage, denn in die Holz- und Stahlverbindungsteile wurden Sensoren installiert, die umfangreiche Daten liefern. Diese Daten wiederum werden über drei Jahre hinweg beobachtet und ausgewertet.
Varianten für alle Verkehrslagen
Das Grunddesign des bisherigen Entwurfs mit A-Stehern kann für den Praxiseinsatz in verschiedenen Versionen variiert werden. Zudem sind für die Mautbrücke von Kapsch TrafficCom die unterschiedlichsten Ausstattungsvarianten denkbar, beispielsweise begehbar oder nicht begehbar sowie für Mautequipment und/oder für Wechselverkehrszeichen tauglich. Selbstverständlich sind Längen-Variationen zur Abdeckung einer oder mehrerer Spuren beziehungsweise Fahrtrichtungen möglich.
Bei dem eingesetzten Brettschichtholz handelt es sich ebenfalls um einen Hybrid. Die für die äußeren Zonen verwendete Lärche sorgt für eine hohe Dauerhaftigkeit. Der Kern besteht aus maschinell sortierten, hochfesten Lamellen aus Fichtenholz. Durch diesen Aufbau wird eine hohe Festigkeit und Steifigkeit bei gleichzeitiger Dauerhaftigkeit erreicht. Die Träger und Stützen sind zudem im Volumen optimiert, auch dadurch werden Ressourcen eingespart.
Das Interesse an nachhaltiger Straßeninfrastruktur ist groß. Wir haben mittlerweile schon einige Anfragen von Kunden aus der ganzen Welt bekommen.
Statement von Kapsch TrafficCom zur Green Gantry.
Die an der Konstruktion maßgeblich beteiligte Hasslacher Gruppe verfügt als Komplettanbieter für modernen Holzbau über eine breite Produktportfolio. Die Kärntner Holzbauspezialisten aus Feistritz zählen im Segment Brettschichtholz (BSH) sowohl bei geraden Teilen als auch bei Sonderbauteilen zu den weltweit führenden Herstellern. An fünf Standorten der Gruppe in Österreich, Deutschland und Spanien werden jährlich mehr als 400.000 Kubikmeter Brettschichtholz produziert. Diese können auf Wunsch auch mit diversen Zusatzelementen wie CNC-Abbund, eingebauten beziehungsweise eingeklebten Stahlteilen und Oberflächenveredelungssystemen ausgestattet werden.
„Im Vergleich zu bisher traditionell bekannten Gantries aus Stahl oder Aluminium ist die Green Gantry jedenfalls ein Blickfang, macht Nachhaltigkeit sichtbar und ist auch nicht aufwändiger in der Installation oder Wartung“, lautet das Resümee von Kapsch TrafficCom zur eigenen Neuentwicklung.
Text: Albert Sachs
Fotos: Kapsch TrafficCom