Holzbau unter Dach und Fach
Der bekannte Hafermilch-Produzent Oatly hat einen neuen Firmensitz. Gjuteriet, die ehemalige Gießerei in Malmös Hafen, wurde dafür nachhaltig transformiert. Mit ganz viel Holz und wiederverwendeten Baustoffen aus den umliegenden Werfthallen.
Mit seinen zum Teil sehr provokativen Werbeslogans hat sich das schwedische Unternehmen Oatly bereits mehrfach mit der Milchindustrie angelegt. Nahezu geräuschlos, in weißen Elektro-Schwerlastern mit der Aufschrift „Here comes the Post Milk Generation“, erreicht der beliebte Kaffeebegleiter mittlerweile auch die entlegensten Barista-Cafés und Supermarktregale. Authentizität und Nachhaltigkeit sind der Kern seines Marketings. Mit seiner forschen und unkonventionellen Art, diese Message an die Konsumentenschaft zu bringen, ist die Marke zu einem Lifestyle-Symbol für umweltbewusste Werte geworden. Dasselbe kann man auch von Oatlys neuem Firmensitz behaupten, der in der südschwedischen Stadt Malmö liegt. Gjuteriet, die verfallene Gießerei auf dem Areal der ehemaligen Kockums-Werft, hat man nach zirkulären Prinzipien renoviert und mit jeder Menge Holz ausgebaut.
Kreislauffähiges Bauen vom Feinsten
Der Entwickler Varvsstaden, der das gleichnamige Industriegebiet in ein neues Wohn- und Arbeitsviertel verwandelt, hat mit dem Revitalisierungsprojekt städtebauliche Pionierarbeit geleistet. Während ein großer Teil des Bestands erhalten und saniert wird, legte man mit den Materialien aus den rückgebauten Strukturen ein Lager mit wiederverwertbaren Rohstoffen und Bauteilen an. Gespeichert in einer Urban-Mining-Datenbank und direkt auf dem Werftareal zwischengelagert, setzte man die geschürften Materialien anschließend für den Bau von neuen Strukturen am Gelände ein. Das ist kreislauffähiges Bauen vom Feinsten.
Wir konnten Ziegel wiederverwenden, die seit fast 100 Jahren am Grundstück sind. Sie liefern eine Geschichte und eine Verbindung zum Kontext.
Johan Pitura, Leiter der Malmöer Zweigstelle von Kjellander Sjöber
Auch die Architekten des Büros Kjellander Sjöberg, die den Umbau der Gießerei planten, haben sich aus diesem Materialschatz bedient. Der Bestandsbau war zu Projektbeginn in einem sehr schlechten Zustand: Das Dach war eingestürzt und die Längsfassaden stark beschädigt. Gemäß dem Auftrag sollte die Renovierung möglichst behutsam erfolgen und den industriellen Charakter der Gießerei aus dem Jahr 1910 bewahren.
Dem geschichtlichen Erbe des Ortes wollte man ebenso gerecht werden wie dem Anspruch, so ressourcenschonend wie möglich zu bauen. So flickte man die einstige Ruine mit Baumaterialien, die sowohl einen zeitlichen als auch einen örtlichen Bezug zum Objekt hatten.
„Wir konnten Ziegel wiederverwenden, die seit fast 100 Jahren am Grundstück sind. Sie liefern eine Geschichte und eine Verbindung zum Kontext“, erzählt Johan Pitura, Leiter des Malmöer Büros von Kjellander Sjöberg. Die Materialbibliothek von Varvsstaden steuerte außerdem Bodenplatten, Treppen und Fassadenpaneele für den Umbau bei.
Nachverdichtet in Holzbauweise
Einen weiteren Hebel für die Schonung von Ressourcen lieferte der Holzbau, der mit massiven Fachwerkträgern an die bestehende Stahlstruktur andockt. Eine neue Holzkonstruktion für das Dach überspannt nun die Halle, und auch beim Innenausbau kam zum Großteil der Naturbaustoff zum Einsatz.
Das Büro besteht aus Räumen, die in diesem größeren Raum schweben.
Johan Pitura, Leiter der Malmöer Zweigstelle von Kjellander Sjöber
„Oatly wollte seinen Firmensitz unter einem Dach haben, und das ist es im wahrsten Sinn des Wortes geworden“, sagt Pitura. „Wir haben den Raum als das bewahrt, was er einst war: eine große Industriehalle.“
Hohe Lufträume, die bis zu den Oberlichtbändern im Dach reichen, schaffen eindrucksvolle Raumerlebnisse, die zu keinem Zeitpunkt vergessen lassen, dass man sich im Inneren eines Industriedenkmals befindet.
Räume in der Schwebe
Anstatt das Volumen in einzelne Geschossebenen zu zerteilen, schlichteten die Architekten Raumeinheiten in die Halle, wie in ein luftiges Regalsystem. Die Raumgefüge sind durch Brücken und Treppen miteinander verbunden, die spannende Blickbezüge herstellen. „Das Büro besteht aus Räumen, die in diesem größeren Raum schweben“, beschreibt es der zuständige Architekt. „Die Nutzer können sich hier ihre eigenen Orte, Routen und Kommunikationswege suchen.“
Die transformierte Gießereianlage Gjuteriet bietet heute auf 4.900 Quadratmetern Platz für rund 300 Arbeitsplätze. Auch wenn es sich um einen privaten Firmensitz handelt, wollte man das geschichtsträchtige Gebäude auch für die Allgemeinheit öffnen. Dazu gibt es im Erdgeschoss ein Restaurant, und im Foyer von Oatly erwartet die Besucherinnen und Besucher ein Café mit Barista-Theke.
Mit dem CO2-Fußabdruck, der auf jeder Oatly-Packung zu lesen ist, geht das Unternehmen in der Lebensmittelindustrie mit gutem Beispiel voran. Die elektrisch betriebene Schwerlaster-Flotte und das zirkuläre Bauprojekt für das neue Headquarter sind der nächste Schritt auf seiner Agenda, ohne verpflichtende Vorgabe Verantwortung für Mensch und Umwelt zu übernehmen.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Rasmus Hjortshøj – COAST