Neuer Turm, neue Chance
Mit dem Garden Tower House hat das australische Studio Bright in Sydney nicht nur ein spannendes architektonisches Projekt geschaffen: Das Einfamilienhaus soll auch der sich verändernden Wohngegend neues Leben einhauchen.
Wer Sydney im Rahmen einer touristischen Reise besucht, wird sich üblicherweise vor allem im Central Business District, dem Zentrum der Metropole, aufhalten. Und natürlich am Hafen mit der Sydney Harbour Bridge und dem Operngebäude. Cremorne auf der nördlichen Hafenseite wird vermutlich nicht am Programm stehen, zumal es sich bei dem Vorort der Millionenstadt um ein Wohngebiet ohne nennenswerte Sehenswürdigkeiten handelt.
Ebendort entstand allerdings im Jahr 2022 etwas durchaus Sehenswertes – zumindest in architektonischer Hinsicht. Studio Bright mit Sitz in Melbourne entwarf in Cremorne das Garden Tower House, ein Einfamilienhaus „mit allen Annehmlichkeiten, die man beim Wohnen in der Vorstadt haben kann“, so das Architekturbüro.
Sportliche Aufgabe
Der Entwurf sei eine „sportliche Aufgabe gewesen“, meint man bei Studio Bright weiter. Das zur Verfügung stehende Grundstück hat mit 144 Quadratmetern nämlich eher bescheidene Ausmaße, eine besondere Herausforderung war zudem die Breite: Gerade einmal 4,2 Meter weist die Fläche auf, auf der das Garden Tower Haus errichtet wurde. Wobei dieser Name schon verrät, wohin sich der Entwurf ausrichtete: Nach oben.
Tatsächlich ist das Projekt nur ein Anbau, die Erweiterung eines restaurierten Arbeiterhauses. Mit dessen Erhalt und dem Zubau an der Rückseite wollte die auftraggebende Familie bewusst ein Zeichen setzen. Gegen die Zersiedelung in der Gegend und gegen den Verlust alter, traditioneller Gebäude. Der neudesignte „Turm“ zielte darauf ab, die ungünstige, beengte Lage des bestehenden Hauses zu maximieren, anstatt sich nach außen auszudehnen.
Ehrgeiziges Projekt
In Crermone haben in den vergangenen Jahren zahlreiche riesige Siedlungen die ursprünglichen Arbeiter-Wohnhäuser verdrängt. Eigentlich hatte der Kunde einen kompletten Abriss der alten Gebäude und eine schnelle, einfache Bebauung des Grundstücks vorgesehen. „Während des Designprozesses entwickelte sich jedoch etwas Ehrgeizigeres“, wie Studio Bright erklärt.
Melissa Bright, Leiterin des nach ihr benannten Architekturbüros, ergänzt: „Abgelegene Gassen werden oft als Sicherheitsproblem gesehen. Wir sehen sie als Chance. Eine Chance für einen Ort, an dem man mit Nachbarn in Kontakt treten kann, als Chance für eine neues Stadtbild. Auch derart begrenzte Räume können als kleine urbane Orte betrachtet werden, die wir mittels Aktivierung und Hingabe mit Leben erfüllen können.“
Neben der Restaurierung der ursprünglichen Fassade und der straßenseitigen Veranda wurde im bestehenden Haus zusätzlich zu den beiden Kinderzimmern auch ein neues Arbeitszimmer geschaffen. Das Garden Tower House wiederum umfasst einen großen Wohn-, Ess- und Küchenbereich, von dem aus man Zugang zum kleinen zentralen Garten hat, sowie den Turm mit Elternschlafzimmer und Zugang zur Dachterrasse.
Das Design des Neubaus stellt bewusst einen optischen Kontrast zum ursprünglichen Gebäude dar: Gemusterte, in hellrosa gehaltene Betonsteine, sogenannte Breeze Blocks, sorgen inklusive schmaler Pflanzflächen und großer Schiebefenster für besondere Lichtspiele im Inneren.
Erholung vom Alltag
Studio Bright: „Bei solch einer knappen Planung muss man an jedem einzelnen Millimeter hart arbeiten, um das gesamte Potenzial auszuschöpfen. Jede Wandfläche muss für das Familienleben nutzbar werden“. Und man musste natürlichen Lichteinfall sowie den Blick von innen nach draußen mit der notwenigen Privatsphäre kombinieren. Die Breeze Blocks gewährleisten dies.
„Das Garden Tower House verfügt über eine einzigartige Fassade. Von außen wirkt es schroff und verborgen. Nach innen aber dringt Sonnenlicht durch und man hat durch die unzähligen Löcher des Blockmusters genügend Ausblick“, so das Büro.
Die Innenräume sind in erdigen Farbtönen gehalten, mit einer blassgrünen Küche und ebensolchen Treppen. So wird eine Verbindung zwischen dem Haus und dem Garten hergestellt. Neben der dortigen Bepflanzung legte man auch besonderen Wert auf Fassadenbegrünung, die das Garden Tower House im Laufe der Zeit „immer stärker in die Natur einbetten wird“, wie Studio Bright sagt. „Es wird den Bewohnern Abkühlung und Erholung von den Belastungen des Stadtlebens bieten.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Studio Bright