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Wenn Design mit Wissenschaft fusioniert

Mit neuen, nachhaltigen Methoden zur Energiegewinnung verändert sich auch die Architektur der Energieerzeuger. So setzt die vom Studio AL_A entworfene Fusionsanlage im englischen Culham im wahrsten Sinne des Wortes auf Transparenz.

Beim Wort „Atomenergie“ brechen wohl nicht gerade viele Menschen in großen Jubel aus. Sicherheitsrisiken, Strahlenbelastung, Entsorgung der Rückstände. Zu groß sind die Bedenken und können auch heute, Jahrzehnte nach dem Bau der ersten Kernkraftwerke, noch immer nicht ausgeräumt werden.

Dabei ist mit ebenjener „Atomenergie“ explizit Kernspaltung gemeint. Es gibt allerdings auch andere Methoden der atomaren Energiegewinnung. So werden bei der Kernfusion die Atomkerne nicht gespalten, sondern verschmolzen. Also ganz so, wie das seit Milliarden Jahren in der Sonne der Fall ist. Und wenn man sich diese ansieht (bitte das nicht wörtlich nehmen), dann ist klar: In der Kernfusion liegt ein ungeheures Energiepotenzial. Darüber hinaus gilt sie als sicher und sauber. Es besteht keine Gefahr einer Kernschmelze, Strahlenbelastung und radioaktiver Abfall sind im Vergleich zur Kernspaltung gering.

Culham Science Center
Culham Science Centre, Oxfordshire

Symbol des Potenzials

Es verwundert daher nicht, dass die Wissenschaft ihre Forschung zur Kernfusion permanent vorantreibt. So auch das Culham Science Centre südlich von Oxford, betrieben von der United Kingdom Atomic Energy Authority (UKAEA). Hier entsteht die weltweit erste MTF-(Magnetized Target Fusion)-Demonstrationsanlage, entworfen von AL_A.

Beauftragt vom kanadischen Energie-Unternehmen General Fusion, arbeitet das Architekturbüro mit Sitz in London seit 2021 an dem Projekt, dessen Baubeginn im Sommer 2023 geplant ist. „Das Gehäuse der Anlage wird als ein Symbol die außergewöhnliche Geschichte des darin enthaltenen Potenzials erzählen“, so AL_A. „Mit seiner Energie und Power wird das Gebäude eine Verbindung von Technologie mit der Natur darstellen.“

FDP, Culham
Fusion bei Tag …

MTF-Anlage, England
… und Nacht.

Fusion mit der Natur

Für die 38 Meter hohe Halle, die den MTF-Prototypen beherbergen wird, wählte man eine transparente Außenhülle, um das Erscheinungsbild des Gebäudes abzumildern, wie es seitens des Studios heißt. Neben den hochmodernen technischen Einrichtungen wird es hier auch Bereiche geben, um sich zu treffen, um zu lernen, um zu diskutieren. Es soll laut AL_A ein Ort für alle Menschen sein: Aus der Wissenschaft, der Politik, aus Unternehmen, aus der breiten Öffentlichkeit. Rund um die Halle sind Büros, Werkstätten und Labore geplant.

Mit der Verwendung von transparenten Materialien nehmen die Designer auch Bedacht auf die Lage des Kraftwerks in der malerischen ländlichen Landschaft von Oxfordshire. „Wir wollten eine wechselseitige Beziehung zwischen Wissenschaft und Natur herstellen“, betont daher auch AL_A-Direktor Maximiliano Arrocet die, nun ja, Fusion mit der Umgebung. „Beim Betreten des Gebäudes hat man den Blick auf die Technik und die Landschaft.“

FDP-Plant, Culham
Fusion von Wissenschaft und Natur

Das Innere nach außen kehren

Transparenz ist es auch, die den Designprozess der Anlage vorangetrieben hat, so Arrocet weiter. „Dies ist eine sichere, saubere Technologie, die Energieerzeugung, wie wir sie kennen, verändern wird. Eine große Motivation für uns war es, zu zeigen, was im Inneren passiert. Das konzentrische Design zieht einen hinein in den Kern, in das Herz der Einrichtung.“

Die Demonstrationsanlage (englisch: Fusion Demonstration Plant, FDP) soll nach ihrer Fertigstellung im Jahr 2027 die Machbarkeit von MTF-Technologie beweisen, erzählt Betreiber General Fusion. Damit könne der Ausbau einer ersten kommerziellen Einrichtung vorangetrieben werden. „Wir werden dazu Fusionsbedingungen in einer kraftwerksnahen Umgebung schaffen, ohne Strom zu produzieren. Die FDP wird Neutronen erzeugen, und die daraus hervorgehenden Daten werden die Informationen liefern, die wir zum Bau einer Pilotanlage benötigen, die dann auch Strom erzeugt.“

Die FDP soll mehr bieten …

… als nur reine Technologie.

Die Zukunft hat begonnen

AL_A spricht von „einer einzigartigen Einrichtung, die offen, transparent und inspirierend ist.“ Der Prototyp der FDP sei ein Bekenntnis zu einer grüneren, besseren Zukunft.

„Es wird ein Gebäude sein, das nicht nur hocheffizient ist, sondern den technologischen Optimismus der Fusion zur Lösung der Energieprobleme der Welt einfängt. Und das der Öffentlichkeit eine selbstbewusste Botschaft über das außergewöhnliche Potenzial dieser Technologie vermittelt.“

Text: Michi Reichelt
Bilder: Culham Science Center, AL_A

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