Führen Frauen anders als Männer?
Die Boston Consulting Group zeichnete UBM für ihre Bemühungen um Geschlechterparität als einen der „Diversity Champions 2023“ aus. Dennoch ist die Rolle von Frauen in Führungspositionen noch ausbaufähig. Darüber sprach Martina Maly-Gärtner, COO der UBM Development AG, mit Karin Sheppard, Managing Director Europe der InterContinental Hotels Group.
Beide haben bereits in jungen Jahren international Karrieren gemacht, beide bekleiden in ihren Unternehmen absolute Führungspositionen. Und beide setzen sich vehement für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern in allen Positionen eines Unternehmens ein. Grund genug, die beiden Powerfrauen über „Female Leadership“ diskutieren zu lassen.
Female Leadership ist nicht nur ein Begriff für Frauen in Führungspositionen, sondern hat sich auch für die Gleichstellung von Frauen und Männern in Top-Positionen etabliert. Führen Frauen anders als Männer?
Karin Sheppard: Ich denke, es geht um die Eigenschaften, die Frauen und Männer voneinander lernen und in ihren Führungsstil einbringen können. Verletzlichkeit und Glaubwürdigkeit sind Eigenschaften, die jede erfolgreiche Führungskraft haben sollte, unabhängig vom Geschlecht. Historisch gesehen wurden sie wohl mit einem weiblichen Führungsstil in Verbindung gebracht, und natürlich habe ich auch beobachtet, dass viele meiner Kolleginnen sehr gut darin sind, aber nicht nur sie. Heute geben Gesellschaft und Arbeitswelt den verschiedenen Typen von Führungskräften – und damit letztlich auch den verschiedenen Menschen – mehr Raum, in dieser Rolle sie selbst zu sein, unabhängig davon, wem die jeweiligen Eigenschaften traditionell zugeschrieben werden.
Female Leadership betont die positiven Eigenschaften von Frauen in Führungspositionen wie Umsicht und Kooperation. Frauen gelten als kommunikativ und empathisch, kompromissfähig und besonnen in ihrem Handeln. Sie stehen auch für einen eher partizipativen Führungsstil. Stimmen Sie dem zu?
Martina Maly-Gärtner: Der weibliche Führungsstil ist inklusiver, lädt zu mehr Partizipation ein und legt großen Wert auf die Weitergabe von Informationen sowie die Einbeziehung der Beschäftigten in Entscheidungen. Frauen bringen andere Erfahrungen und Sichtweisen ein als Männer. Aus diesen unterschiedlichen Sichtweisen kann in der Diskussion die ideale Lösung gefunden werden.
Karin Sheppard: In meinem derzeitigen Führungsteam sind Frauen und Männer im Verhältnis 50:50 vertreten, und ich habe keinen Zweifel daran, dass man das Beste aus allen herausholen kann, wenn man mit Vielfalt arbeitet. Die einen hören zunächst lieber zu, denken nach und reagieren erst dann. Andere legen eine Idee auf den Tisch, die noch nicht zu Ende gedacht ist. Die Kombination aus beidem funktioniert am besten, unterschiedliche Stile und Meinungen bergen einen enormen Reichtum. Und ich sage nicht, dass das eine besser ist als das andere. Es geht vielmehr darum, voneinander zu lernen.
Es gibt einige Studien, die feststellen, dass Frauen gerade in Krisenzeiten oft die bessere Wahl für eine leitende Position sind. Fürsorglichkeit, Kommunikationsstärke und der Wille, das Gemeinwohl über die eigenen Interessen zu stellen, würden helfen, ein Unternehmen mit Ruhe und Besonnenheit aus dem Sturm einer Krise zu navigieren. Sehen Sie das auch so?
Martina Maly-Gärtner: Gerade in Krisenzeiten sind Zusammenhalt, Kooperation und Kommunikation enorm wichtig. Ein Schlüsselfaktor ist sicherlich eine klare und transparente Kommunikation. Weibliche Führungskräfte bringen dies in der Regel etwas stärker zum Ausdruck als Männer.
Karin Sheppard: Keiner von uns führt einseitig, und das bringt uns zu meinen Punkt zurück, dass eine Vielfalt von Stilen und Ansätzen sehr wertvoll ist. Während der Corona-Krise waren Klarheit und Empathie in der gesamten Kommunikation mein Mantra, besonders im neuen virtuellen Raum. Ich habe sehr schnell gelernt, dass es bei Videokonferenzen absolut wichtig ist, Gefühle auf dem Bildschirm zu sehen oder sich die Zeit zu nehmen, jemanden anzurufen und zu fragen: „Wie geht es dir?“ Mir ist auch bewusst, dass ich dies als Führungskraft mit Entschlossenheit und Durchsetzungsvermögen in Einklang bringen muss, Eigenschaften, die traditionell eher Männern zugeschrieben werden. Was ich damit sagen will, ist, dass wir eine Mischung von Stilen brauchen, um wirklich gut zu sein.
Development AG und im Vorstand für das operative Hotelgeschäft und Human Resources zuständig. Im Rahmen ihrer internationalen beruflichen Tätigkeit war sie seit 2018 als COO für das Hotelportfolio und die Strategieentwicklung der Arabella Hospitality mit Sitz in München verantwortlich. Zuvor hatte sie acht Jahre lang als Managing Director das auf Europa fokussierte Tourismusberatungs- und Hotelentwicklungsunternehmen Michaeler & Partner in Wien geleitet. Darüber hinaus verfügt Maly-Gärtner über zehn Jahre operative Hotelmanagement-Erfahrung in Amerika, dem Mittleren Osten und Europa bei international renommierten Hotelketten.
Die Gleichstellung von Frauen und Männern in Führungspositionen scheint noch in weiter Ferne. Warum wäre das so wichtig?
Karin Sheppard: Es ist schwierig, diese Frage pauschal zu beantworten. Tatsache ist aber, dass Frauen auch heute noch mit vielen Hindernissen am Arbeitsplatz konfrontiert sind. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns auf Strategien und Prozesse konzentrieren, die die Chancen und Entwicklungsmöglichkeiten von Frauen fördern. Unser RISE-Programm zum Beispiel unterstützt Kolleginnen, die Führungspositionen in der Hotellerie anstreben, durch Mentoring und Networking. Es wird immer stärker, und weltweit gibt es Gruppen in unseren Regionen; wir haben bereits über 200 Absolventinnen. Unser Lean-In-Mitarbeiternetzwerk wächst ebenfalls und verleiht weiblichen Kollegen eine Stimme, aber auch ihren Verbündeten, die das Unternehmen bei Maßnahmen zur Förderung von Diversität und Inklusion am Arbeitsplatz beraten. Diese Maßnahmen reichen von geschlechtlich und ethnisch ausgewogenen Shortlists für die Einstellung neuer Mitarbeiter über die regelmäßige Evaluierung unserer marktspezifischen Karenzregelungen bis hin zur Unterstützung von Frauen und ihren Familien bei Veränderungen in ihrem Leben. Seit kurzem bieten wir unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Großbritannien im Rahmen unserer Partnerschaft mit Busy Bees einen Rabatt von 20 Prozent auf die Kinderbetreuungskosten.
Was halten Sie von einer Frauenquote für bestimmte Führungspositionen, zum Beispiel in Aufsichtsräten, Vorständen oder Geschäftsführungen?
Martina Maly-Gärtner: Grundsätzlich sollte eine Frau die Stelle bekommen, wenn sie dafür qualifiziert ist. Dennoch ist leider eine Frauenquote immer noch hilfreich, um die Umsetzung zu beschleunigen. Das fünfte Ziel der UN-Nachhaltigkeitsziele besagt, dass die Gleichstellung der Geschlechter nicht nur ein grundlegendes Menschenrecht ist, sondern auch eine notwendige Voraussetzung für eine friedliche, wohlhabende und nachhaltige Welt. Wir wissen um die Qualitäten und das Potenzial diverser Teams und müssen hart daran arbeiten, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen. Diese Veränderung ist nur möglich, wenn die oberste Führungsebene eines Unternehmens dahintersteht und eine entsprechende Unternehmenskultur gelebt wird.
Karin Sheppard: Ich finde, dass Zielvorgaben positive Bestrebungen auslösen können, aber das Hauptaugenmerk sollte auf der Vielfalt der Kandidatenlisten und der Unterstützung von Frauen bei ihrer Karriere innerhalb der Organisation liegen. Die Herausforderung besteht darin, dass niemand auf die Idee kommen sollte, eine Frau habe eine bestimmte Position nur bekommen, um die Quote zu erfüllen.
Ist es für Frauen in Führungspositionen möglich, Teilzeit zu arbeiten, um Karriere und Familie unter einen Hut zu bringen? Oder sich vielleicht eine Stelle zu teilen? Zum Beispiel zwei Geschäftsführerinnen, die Teilzeit arbeiten, sodass an sieben Tagen die Woche eine Geschäftsführerin verlässlich vor Ort ist?
Karin Sheppard: Ja, flexible Arbeitszeiten, Teilzeitarbeit oder Jobsharing sind gute Konzepte, um zumindest einige der Hindernisse für Frauen zu beseitigen. Generell sind Frauen für solche Modelle sehr gut geeignet, da sie etwas weniger Ego und dafür mehr Sinn für das Praktische haben.
Martina Maly-Gärtner: Meiner Erfahrung nach sind Frauen, die aus der Karenz in Teilzeit zurückkehren, höchst motiviert. Sie freuen sich auf das berufliche Umfeld, arbeiten sehr effizient und versuchen, etwas zu bewegen.
Wie sehen Ihre persönlichen Erfahrungen mit Female Leadership aus? Wurden Ihnen oft Steine in den Karriereweg gelegt?
Martina Maly-Gärtner: Auf diese Frage möchte ich mit einem Rat an mein jüngeres Ich antworten: Habe mehr Selbstvertrauen, denn Frauen neigen dazu, unsicher zu sein, obwohl sie Ergebnisse liefern! Lass dich nicht entmutigen, wenn du Fehler machst! Lerne daraus und mach weiter! Sag, was du denkst, finde den richtigen Zeitpunkt und den richtigen Ton, aber bringe deine Ideen ein!
Karin Sheppard: Ich hatte die gleichen Selbstzweifel, aber mein großes Glück war, dass ich immer Menschen um mich hatte, die mich unterstützt haben. Aber Selbstzweifel haben auch etwas Gutes. Demut ist eine sehr positive Eigenschaft, wenn man sie richtig einsetzt.
Im Diversity Leaders Ranking der „Financial Times“ belegte die InterContinental Hotels Group 2023 unter 850 Unternehmen weltweit den zweiten Platz, geschlagen nur vom finnisch-schwedischen Konzern Stora Enso. Was war dafür ausschlaggebend?
Karin Sheppard: Ich habe mich sehr über diese Auszeichnung gefreut, zumal sie durch eine Mitarbeiterbefragung zustande gekommen ist. Die Auszeichnung ist sicherlich das Ergebnis unserer Initiativen der letzten Jahre. Der Durchbruch war aber letztlich der Kulturwandel, den wir im Konzern geschafft haben. Dabei geht es nicht nur um Female Leadership, sondern um Chancengleichheit in allen Bereichen und für alle Menschen, um Diversity und Inclusion. So marschieren wir zum Beispiel in immer mehr Ländern lautstark und stolz bei den Regenbogenparaden mit. Wir beschäftigen Praktikanten mit unterschiedlicher ethnischer Herkunft und jeder Art von Fähigkeiten. In der IHG gibt es den ehrlichen Willen zu einem Kulturwandel und auch genügend Ungeduld, diesen Kulturwandel herbeizuführen. Wir haben schon viel erreicht, aber es gibt noch viel zu tun.
Sind Frauennetzwerke ein Mittel zur Stärkung von Frauen in Führungspositionen?
Martina Maly-Gärtner: Mentoren haben meinen Karriereweg geprägt und sind wichtig. Man sollte auch keine Angst vor Networking-Veranstaltungen haben, anfangs muss man nur aus seiner Komfortzone rauskommen. In Österreich gibt es zum Beispiel ein Immobiliennetzwerk für Frauen, den „Salon Real“. Dieses Netzwerk hat mir sehr geholfen. Denn manchmal greife ich zum Telefon und frage eine Kollegin um Rat, und manchmal werde ich angerufen.
Braucht Female Leadership auch die Unterstützung von Männern? Müssen Männer Frauen unterstützen, damit sich mehr und mehr Frauen in Führungspositionen etablieren?
Karin Sheppard: Jede Sache braucht Mitstreiter, um Erfolg zu haben, und die Unterstützung von Frauen durch Männer ist sehr wichtig. Als wir in Australien eine Initiative starteten, um mehr Frauen in die Geschäftsführung zu bringen, mussten wir sicherstellen, dass dies nicht als etwas wahrgenommen wurde, das Männer ausschließt. Stattdessen mussten wir kommunizieren, warum diese Initiative notwendig war. Und plötzlich wurden unsere Geschäftsführer in dieser Region, damals alles Männer, zu Paten und Mentoren und erzählten, warum dieses Thema für sie persönlich wichtig ist. Zum Beispiel: „Ich habe eine Tochter, und ich möchte, dass die Welt anders aussieht, wenn sie ins Berufsleben eintritt.“ Oder: „Ich habe eine Schwester und weiß, wie sie sich durchkämpfen musste.“ Sie hatten also ihre ganz persönlichen Gründe und waren eine wunderbare Unterstützung für die Frauen, die sich nach oben gearbeitet haben. Female Leadership darf nie als Spaltung empfunden werden, es geht darum, das Beste für alle zu erreichen.
Martina Maly-Gärtner: Eine wichtige Botschaft an die Männer ist: Glaubt nicht, dass die Frauen die Welt übernehmen wollen. Erkennt die Führungsqualitäten der Frauen an und seid euch bewusst, dass diverse Teams erfolgreicher agieren.
Moderation:
Tanja Milner
Fotos: Philipp Horak, IHG