Das vielleicht versteckteste Haus der Welt
Inspiriert von antiken Ruinen baute das Architekten-Kollektiv Frankie Pappas in Südafrika ein Haus, das die Natur kaum stört, sich ihr vielmehr völlig unterwirft.
Wenn man so will, dann kann man in der Architektur zwischen jenen Objekten unterscheiden, die den Menschen durch einen weiten Ausblick vom Gebäude entfernen. Und jenen Objekten, die den Menschen durch das Verhindern von Fernblick an das Gebäude binden. Darin sind sich zumindest die Kreativen des Architekten-Kollektivs Frankie Pappas einig.
Bei ihrem aktuellen Meisterwerk ist die Sache auch sonnenklar erkennbar: Dieses Haus will regelrecht in seiner Umgebung versinken. Fernblick? Gibt’s genau gar keinen.
Frankie Pappas passionierte Auftraggeber
Tatsächlich haben die Architekten für ein pensioniertes Ehepaar im südafrikanischen Bushveld ein Gästehaus gebaut, das sich nahezu unsichtbar in die Umwelt einbettet. Genau so lautete schließlich auch das Grundbriefing der Auftraggeber, die sich Zeit ihres bisherigen Lebens dem Umweltschutz verschrieben haben.
Doch was einer Auftraggeber-Logik folgt, muss nicht zwingend auch einfach sein. Wie in diesem Fall. Das fing schon damit an, dass kein Bauplatz für das zukünftige Objekt definiert worden war.
Das Frankie-Pappas-Team musste zuerst einmal 40.000 Quadratmeter dicht bewaldetes Gelände scannen, um sich einen Überblick zu verschaffen. Aus diesen Scans wurde dann ein 3D-Modell erstellt, das sämtliche Bäume samt Ästen und Wurzeln abbildete.
Die Qual der Ortswahl
Erst mit dieser Grundlage war es dann möglich, jenen Ort zu bestimmen, an dem das Gästehaus stehen konnte. Ein Ort, bei dem es gelingen konnte, ein Gebäude so zu errichten, dass es nur minimale Auswirkungen auf die Natur haben würde.
Und das gelang schlussendlich auch nur deshalb, weil Frankie Pappas in ihrer Planung weiter Rücksicht nahmen: „Wir entwarfen dann eben ein sehr dünnes Gebäude, das sich zwischen die Bäume schieben konnte!“
Doch das Objekt sollte nicht nur wie ein perfekter Puzzleteil aus blanken Ziegeln und lokal wachsendem Holz in der Landschaft verschwinden. Es sollte in Wahrheit mit dieser verschmelzen. Wie ein architektonischer Cyborg, könnte man meinen. Die Frankie-Pappas-Vorstellung davon liest sich übrigens so:
Frankie Pappas und die Philosophie
„Dieses Gebäude bietet die Möglichkeit, zwischen den Bäumen und dem Leben, das in diesen Bäumen lebt, als Mensch präsent zu sein. Es geht darum, aufzuwachen und zwei Meter von Ihrem Bett entfernt spielende Grüne Meerkatzen, Bärenpaviane, die sich nachmittags auf dem Dach sonnen, und Leoparden, die morgens unter dem Gebäude spazieren gehen, zu sehen. Es geht darum, wie das Licht im Sommer durch einen Saligna-Baum filtert und wie die Luft während eines Gewitters riecht.“
Das seien die Aspekte, die Bushveld als Gegend ausmachten. Und eben diese sollte man in diesem Haus bewusst erleben können. Frankie Pappas sind sich sicher: „Der Wert dieses Gebäudes liegt darin, dass es einem die Möglichkeit gibt, Bestandteil etwas ganz Besonderem zu sein.“ Damit ist zweifelsohne die unberührte Natur gemeint.
Von der philosophischen Ebene in die bauliche weitergetragen bedeutet das freilich, dass der Bau selbst so gut keine echten Eingriffe wie etwa Fundamente oder dergleichen aufweisen darf. Das Gebäude berührt also den Grund nur dort, wo es wirklich unbedingt notwendig ist.
Dadurch ist der Boden unter dem Schlafzimmer für Kudus, Leoparden und Gnus vollständig zugänglich, während das Dach zusätzlichen Lebensraum für Affen schafft.
Raum wird Natur nicht genommen
Außerdem ergibt sich daraus, dass das Schlafzimmer etwa fünf Meter über dem Waldboden auf Stelzen steht. Der Raum darunter wird dadurch – wie das grüne Dach darüber – der Natur als Raum nicht genommen, sondern vielmehr zurückgegeben.
Allerdings machen Frankie Pappas darauf aufmerksam, dass sich diese Lebensbereiche durch den baulichen Überbau dennoch langfristig ein wenig verändern: „Natürlich ist dieser Raum schattiger als der umgebende Wald, so dass er ein anderes Mikroklima schafft, als hier zuvor geherrscht hat.“ Doch das sei durchaus kein Nachteil, sondern vielmehr eine Art Chance für die Natur, sich hierfür Neues „einfallen“ zu lassen.
Was das dann sein wird, kann jedenfalls jeder Gast live miterleben: Der Schlaf- und gleichzeitige Wohnbereich ist von großen und abdunkelbaren Glasfenstern umschlossen, die die Baumlandschaft buchstäblich einrahmen. So, dass man gar nicht anders kann, als sich wie ein Bestandteil der Baumkronen zu fühlen.
Und eines steht fest: Dabei wird man garantiert eines nicht vermissen – die sonst immer so gefragte Aussicht auf Berge, Meer oder Skyline.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Frankie Pappas