Auf Algen gebaut
Franzosen wollen in China das grünste Gebäude der Welt errichten. Die tragende Rolle spielen dabei Algen, die so ziemlich alles können, wovon man träumt. Klar also, dass das Projekt French Dream Towers heißt.
Man kann getrost behaupten: Die French Dream Towers, die da in der chinesischen Stadt Hangzhou errichtet werden sollen, sind eigentlich nicht so super besonders. Vier ineinander verwundene Bürotürme eben. Ganz cool aber nicht outstanding. Da gibt’s schon ganz andere Hingucker! Wäre da halt nicht die Sache mit den Algen …
Begrünung der besonderen Art
Während bei anderen Architektur-Projekten die Spannung im spektakulären Design steckt, ist hierbei schlichtweg das Material der gigantischen Fassadenflächen der vier Türme außergewöhnlich: Diese sind nämlich nicht bloß begrünt geplant, sondern sollen von Algen förmlich überwuchert werden! Das französische Studio XTU Architects hat für sein Konzept tatsächlich mikroalgenimprägnierte Paneele entwickelt, mit denen die Glastürme verkleidet werden sollen.
Dass dieser Aufwand nicht aus rein optischen Motiven betrieben wird, liegt freilich auf der Hand. Und so beeilt sich das für die French Dream Towers verantwortliche Architektur-Studio damit, die Sache ins rechte Licht zu rücken. Sprich: Presseaussendung!
French Dream Towers mit neuer Technologie
In dieser steht also geschrieben: „Der Entwurf des Studios für die French Dream Towers beinhaltet seine zum Patent angemeldete ‚Bio-Fassaden‘-Technologie. Dabei handelt es sich um eine Kultur von Mikroalgen, die an der Gebäudefassade angebracht werde. Es ist ein Verfahren, das von XTU seit mehreren Jahren entwickelt wird.“
Das bedeutet im Klartext, dass das durchaus spektakuläre Konzept die Einführung einer Algenschicht vorsieht, die alle Stückerl spielt. Fangen wir also einmal an:
- Isolation.
Die Algen sollen für eine natürliche Isolierung der Gebäude sorgen. Das sei gerade bei Glastürmen besonders wichtig, wird betont, da diese Wärme schnell aufnehmen und auch wieder schnell abgeben. Weshalb sie aus heutiger Sicht so oder so nur unter bestimmten Bedingungen sinnvoll seien. - CO2-Ausgleich.
Außerdem sollen die Algen den CO2-Fußabdruck, also die Umweltauswirkungen des Gebäudes, durch die Absorption von Kohlendioxid und Produktion von Sauerstoff ausgleichen. - Algen als Produkt.
Außerdem sollen die Algen für die Verwendung in der Medizin oder Kosmetik geerntet werden könnten. In Schönheitsprodukten werden die Algen wegen ihrer hohen Protein- und Nährstoffdichte nämlich immer beliebter, während die Schleimsekrete des photosynthetischen Organismus angeblich feuchtigkeitsspendende Eigenschaften haben.
Und um der Sache noch die aus architektonischer Sicht schöpferische Krone aufzusetzen, funktioniert diese lebende Fassade offenbar ein bisschen wie ein biologisches Perpetuum Mobile: „Diese Technologie ermöglicht eine Symbiose: Die Biofassade nutzt das thermische Gebäude, um die Kulturtemperatur der Algen zu regulieren. Umgekehrt ermöglichen diese Fassaden eine viel bessere Isolierung der Gebäude.“ Die beiden Elemente befeuern sich also irgendwie gegenseitig. So lautet zumindest der Plan.
Kein absolutes Neuland
Und in der Tat bewegen sich die Planer von XTU auf durchaus sicherem Terrain und keineswegs auf unbestelltem Neuland: Das Ingenieurbüro Arup leistete vor mehreren Jahren mit dem weltweit ersten algenbetriebenen Gebäude in Hamburg Pionierarbeit für Algenfassaden. Die in seinen Glaslamellen wachsenden Mikroalgen können nicht nur Schatten spenden, sondern auch zur Erzeugung erneuerbarer Energie genutzt werden.
Überall dort, wo auf den French Dream Towers keine Algen wachsen können, sollen von Vegetation bedeckte Solarpaneele und Gewächshäuser integriert werden. Etwa in den Spitzen der Glastürme. In diese sollen gar kleine Wälder integriert werden, um die Luft der Gebäude zu filtern und den Bewohnern kleine Waldoasen zu eröffnen.
Sinnvolle Anordnung der Türme
Aber auch die Form der Türme hat einen nachhaltigen Aspekt: Das kräuselnde Podium, das sie alle an ihrer Basis verbindet, ist so gestaltet, dass Regenwasser an den Seiten, durch die Öffnung in der Mitte und in die darunter liegenden Becken abfließen würde. Dazu erklären die Architekten: „Hangzhou ist eine Stadt, in der Wasser sehr präsent ist. Wir wollen diese Tradition fortsetzen, aktualisieren und hervorheben“, erklärten die Architekten.
Abseits der Nachhaltigkeitsthematik wird jeder der vier Türme eine eigene Funktion erfüllen, die in irgendeiner Weise auf „französische Kompetenzen“ referiert, so die Medienmitteilung. So wird es in einen Turm ein französisches Restaurant und eine Bar geben. Ein anderer wird ein Hotel und einen Spa beherbergen. Der dritte Turm wird der Kunst gewidmet. Samt eigener Galerie und Unterkünften für die Künstler.
Französisches Denkmal in China?
Der höchste und letzte Turm der French Dream Towers soll schlussendlich zum so genannten „French Tech Hub“ werden. Er soll Start-ups und größeren und kleineren Unternehmen Platz bieten, vornehmlich welche mit nachhaltigem Hintergrund, versteht sich.
Was jedoch bei all den schönen grünen Aspekten dieses gewiss zukunftsweisenden Projekts noch fehlt, ist der vermutlich wesentlichste Farbkleks: Das grüne Licht für den Baubeginn. Wir warten jedenfalls gespannt.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: XTU Architects