Mind the gap
Unsere Städte sind so gebaut, dass sie Überflutungen nicht standhalten können. Die Produktdesigner von Snøhetta haben die Pflastersteine Flyt entwickelt, die den Boden in den Städten durchlässiger machen. Dank eines cleveren Spalts.
Die rasante Bodenversiegelung und der steigende Urbanisierungsgrad des Planeten beeinflusst den natürlichen Wasserkreislauf. Eine Folge der Verstädterung ist, dass der Anteil an undurchlässigen Oberflächen steigt und die Mengen an Oberflächenwasser, das nicht versickern oder verdunsten kann, in die Höhe schnellen. Zugleich sorgt der Klimawandel für immer mehr Wetterextreme wie Stürme und Überschwemmungen. Die Stadtplaner von heute arbeiten deshalb daran, die Städte diesbezüglich resilienter zu machen.
In Wien setzt man etwa auf das Schwammstadt-Prinzip, bei dem unter Straßen, Parkplätzen und Gehwegen eine Schicht aus grobkörnigem Schotter sowie feineren, wasserspeichernden Materialien angelegt wird. Diese Schicht hält das Wasser wie ein Schwamm zurück. In Rotterdam hat man den Wasserplatz Benthemplein angelegt, der als Sportplatz, Spielfeld, Skatepark oder Bühne genutzt wird. Im Fall von Starkregen lassen sich die Becken mit bis zu 1,7 Millionen Liter Wasser füllen. Der Platz wird dann zu einer Teichlandschaft mitten in der Stadt, bis das Wasser langsam und kontrolliert wieder abgeflossen ist.
Mit Pflastersteinen gegen die Flut
Ein weiteres Instrument für das urbane Wassermanagement sind durchlässige Pflastersteine. Zwar ist dies keine komplett neue Erfindung, doch fehlte es bislang an wirklich gut durchdachten und ästhetisch ansprechenden Lösungen. Dafür braucht es nämlich nicht nur Ingenieure, sondern auch Designer, die alle Ansprüche an ein Produkt ganzheitlich zusammenführen.
Innovative wasserdurchlässige Pflasterlösungen sind eine Notwendigkeit für die Entwicklung moderner öffentlicher Räume.
Snøhetta, Architektur- und Designbüro
Eine Aufgabe, die die Produktentwickler von Snøhetta nun übernommen haben. Gemeinsam mit dem norwegischen Produzenten Asak Miljøstein haben sie das permeable Pflastersteinsystem Flyt entwickelt, das dabei helfen soll, durchlässige Oberflächen zu schaffen, die zudem auch noch gut aussehen.
Der Betonpflastersteinhersteller hatte zwar bereits drei durchlässige Produkte in seinem Portfolio, aber keines, das sich für öffentliche Räume eignen würde. „Innovative wasserdurchlässige Pflasterlösungen sind eine Notwendigkeit für die Entwicklung moderner öffentlicher Räume“, heißt es vonseiten des norwegischen Architektur- und Designbüros Snøhetta.
Ein flexibles Design
Die Flyt-Kollektion besteht aus drei unterschiedlich geformten, sechseckigen Steinen, die miteinander verzahnt sind. Je nach Größe ihrer Oberfläche und der variierenden Fugen zwischen den Steinen ergibt sich eine höhere oder weniger hohe Durchlässigkeit des Bodens. Dadurch unterscheiden sie sich im Wesentlichen von bestehenden Pflastersystemen.
Auf diese Weise lassen sich bei der Gestaltung von Außenräumen je nach Bedarf und Nutzung nahtlose Übergänge schaffen. Von Randzonen um bepflanzte Areale bis hin zu stark frequentierten Fußgängerbereichen.
Es entsteht ein Untergrund, der eine Durchlässigkeit von bis zu 28 Prozent pro Quadratmeter aufweist. „Man kann damit Wege kreieren, man kann Übergänge schaffen, es gibt die unterschiedlichsten Anwendungsmöglichkeiten. Was wir zusammengestellt haben, sind nur ein paar erste Nutzungsbeispiele“, sagt Marius Myking, Direktor für Produktdesign bei Snøhetta. „Das wirklich Spannende ist, wenn andere Kreative beginnen, das System zu nutzen.“
Kleine Veränderung, große Wirkung
Wie sich die Pflastersteine in der Praxis bewähren, werden schon bald zwei Projekte in Norwegen zeigen, wo sie auf öffentlichen Plätzen eingesetzt werden. Auch wenn sich eine Durchlässigkeit von 28 Prozent nicht nach besonders viel anhört, so entspricht es doch dem doppelten Wert des norwegischen Standards.
Auf der Suche nach innovativen Lösungen im Hinblick auf den Klimawandel könnten solche scheinbar kleinen Interventionen große Ergebnisse erzielen, wenn sie im großen Maßstab angewendet werden.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: HISM, Asak Flyt