Zurück in die Zukunft
Einst war Oslo aus Holz gebaut. Die Neugestaltung des Bahnhofsareals bringt das traditionelle Baumaterial wieder in die skandinavische Metropole zurück. Unter dem Namen Fjordporten entsteht ein spektakulärer Büroturm samt innovativem Hub.
Die norwegische Hauptstadt blickt auf eine rund tausendjährige Geschichte zurück. Das mittelalterlichte Oslo war eine Stadt, die – abgesehen von Kirchen, Burgen und an die 400 Stadthäusern – aus Holz gebaut war. Nach dem großen Brand von 1624 wurde die Stadt verlegt und nach dem Idealbild der Renaissance neu erbaut. Statt auf Holz setzte man fortan auf gemauertes Fachwerk oder Stein. Erst in jüngerer Zeit hat man wieder angefangen, sich auf das traditionelle Baumaterial zu besinnen. So auch beim zukunftsweisenden Stadtentwicklungsprojekt Fjordporten am Osloer Hauptbahnhof.
Weltmeister im urbanen Holzbau
In Sachen Holzbau ist Norwegen in den letzten Jahren sogar zum Weltrekordhalter avanciert. In der Kleinstadt Brumunddal, 140 Kilometer nördlich von Oslo, steht das aktuell höchste Holzhochhaus der Welt. Das Besondere am 85,4 Meter hohen Mjøstårnet ist, dass der Mixed-Use-Tower ohne Betonkern errichtet wurde. Geplante Woodscraper wie das WoHo in Berlin oder The Dutch Mountains in Eindhoven werden den norwegischen Turm in naher Zukunft zwar deutlich überragen, sind aber in einer Hybridbauweise aus Holz und Beton geplant und daher nur bedingt vergleichbar.
Das neue Stadtentwicklungsprojekt Fjordporten Oslo S soll die nachhaltige Urbanisierung mittels Holzbau weiter vorantreiben. Bereits 2017 schrieb Bane NOR Eiendom, eine Tochter der staatlichen Eisenbahngesellschaft, einen Architekturwettbewerb aus. Abgesehen von der zukunftstauglichen Bauweise sollte der Entwurf mit der Umgebung interagieren und eine gute Infrastruktur für die weitere Entwicklung des Viertels bieten.
Ein baumbewachsener Turm
Der Masterplan „Nordisk Lys“ (Nordic Light) von Reiulf Ramstad Architects und C.F. Møller Architects konnte sich gegen die Entwürfe namhafter Architekten wie Bjarke Ingels und Christoph Ingenhoven durchsetzen. Zentrales Element des Siegerentwurfs ist ein baumbewachsener Turm mit übereinander gestapelten Kubaturen. Am Fuß des Hochhauses verbindet eine Pergola aus wabenförmigen Holzelementen die Highrise-Struktur mit dem umliegenden öffentlichen Raum.
Eine klare architektonische Identität und ein umfassendes Nachhaltigkeitsprofil sind die Eckpfeiler des Projektes.
C.F. Møller Architects
„Die Stärke von Nordic Light liegt in seiner klaren und sorgsamen Ausdrucksform“, urteilte die Jury. Für Reisende werde die geplante Drehscheibe eine neue Art der Erfahrung und ein positives Raumerlebnis bieten. „Fjordporten am Osloer Hauptbahnhof vereint Transport, Arbeit, Freizeit, Kultur und Business zu einem zukunftstauglichen und starken Zentrum“, so das Architekturbüro C.F. Møller in seiner Projektbeschreibung.
Geschlossener Rohstoffkreislauf
Der Masterplan soll maßgeblich zur Wiederbelebung der Gegend um den denkmalgeschützten Bahnhof beitragen. Das Development-Projekt umfasst neben einer Reihe von Shops und Lokalen auch ein Kultur- und Konferenzzentrum sowie ein Hotel. „Das Hauptziel von Fjordporten besteht darin, effektive Verkehrslogistik mit attraktiven öffentlichen Räumen zu verbinden. Erreicht wird dies durch eine hohe architektonische Qualität und wohldurchdachten Transfers zwischen den einzelnen Verkehrsmitteln. Eine klare architektonische Identität und ein umfassendes Nachhaltigkeitsprofil sind die Eckpfeiler des Projektes“, beschreiben die Architekten ihren Masterplan.
Die Materialien des Gebäudes sind eine subtile Referenz an eine Zeit, als die Stadt aus Holz gebaut war.
C.F. Møller Architects
Die bautechnische Umsetzung hat es jedenfalls in sich. Die Holzstruktur des Hochhauses wird in eine Glasfassade gepackt, die den Blick auf üppig bepflanzte Bereiche inner- und außerhalb des Gebäudes freigibt. Die Stockwerke werden immer wieder durch vertikale Raumöffnungen unterbrochen, die mit ihrer Bepflanzung als „grüne Lunge“ fungieren sollen. Diese gigantischen Wintergärten mit Holzwendeltreppe werden schon von weithin sichtbar sein.
Holz und Beton im Verbund
Als grünes Gebäude wird das Holzhochhaus nach dem britischen Nachhaltigkeitssiegel BREEAM zertifiziert. Im Vordergrund steht dabei der geschlossene Rohstoffkreislauf und die Kostenevaluierung für den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes.
Bei der Konstruktionsart handelt es sich um eine Hybridbauweise. Für die Struktur des Bauwerks werden Holz und Beton miteinander kombiniert. Die großflächige Fassade des Turms bestehe aus High-Tech-Glas, sagen die Architekten und erklären: „Die Materialien des Gebäudes sind eine subtile Referenz an eine Zeit, als die Stadt aus Holz gebaut war.“
Text: Gertraud Gerst
Renderings: C.F. Møller Architects