Wenn die Finanz ein Ding dreht
Mit dem neuen Finanzministerium in Baku hat FXCollaborative ein neues Wahrzeichen in der aserbaidschanischen Hauptstadt geschaffen: Ein Gebäude mit dem richtigen Dreh.
Die Bevölkerung von Baku wächst rasant. Seit Beginn des Jahrhunderts hat sich die Anzahl der in der aserbaidschanischen Hauptstadt lebenden Menschen um rund 800.000 erhöht. Zum Vergleich: In Berlin gab es im gleichen Zeitraum gerade einmal den halben Zuwachs.
Das daraus resultierende Wachstum der urbanen Aktivität festigte Bakus Status als soziales, wirtschaftliches und kulturelles Zentrum am Kaspischen Meer. In der Metropole wurden in den letzten Jahren zahlreiche Hochhäuser errichtet, es entstanden lebendige Kulturzentren. In Baku wuchs zudem eine ausgewogene, aber doch futuristisch anmutende architektonische Komposition.
Spirale nach oben
Ein Teil dieses Ensembles ist das von FXCollaborative entworfene Finanzministerium. Das US-amerikanische Architekturbüro mit Sitz in Manhattan kreierte einen 31-stöckigen Turm auf 45.000 Quadratmetern Grundfläche am Heydar Aliyev Prospekt, dem wichtigsten Boulevard der Stadt.
„Das Gebäude besticht durch sein markantes spiralförmiges Design, das sich nach oben hin verjüngt. Es besteht aus fünf Würfelformen unterschiedlicher Größe, die übereinander gestapelt auf einem Podest ruhen“, so das Büro. Verbunden sind die Würfel durch einen zentralen, kreisrunden Kern; auf jedem Quader befindet sich eine begehbare, begrünte Dachterrasse. Ganz oben bietet eine Aussichtsplattform inklusive Dachgarten einen spektakulären Blick über Baku bis hin zum Kaspischen Meer.
Würfelspiel
Geometrisch exakt sind die Formen der Architektur nicht. Jedes der würfeligen Elemente beherbergt fünf Stockwerke, die jeweils um 1,2 Grad zur darunter liegenden Etage gedreht sind. Bis zur 170 Meter hohen Turmspitze ergibt sich so eine insgesamte Drehung zur Basis von 36 Grad, „um die Ausrichtung auf die Sonne sowie die Aussicht zu optimieren“, wie FXCollaborative erklärt.
Jeder der unteren vier Würfel beherbergt die eigentlichen Wirkungsstätten der Finanzbeamten: Hier sind die Büros angesiedelt. Lediglich der oberste Würfel bietet mehr. In ihm befinden sich private Suiten für geladene Gäste sowie ein Restaurant der gehobenen Klasse. Im Sockel des Gebäudes sind ein Auditorium mit 400 Sitzplätzen, Konferenzräume, eine Cafeteria, ein Fitnessclub und ein Wintergartenbereich untergebracht.
Hohe Anforderungen
Die säulenfreien Terrassen auf den Würfeln erforderten die Übertragung der Traglast in die Würfelbasis. 15 Meter lange Ausleger aus dem zentralen Kern stützen die Konstruktion gemeinsam mit diagonale Stahlstegelementen innerhalb der Würfel. Aufgrund der hohen seismischen Aktivität in der Region rund um das Kaspische Meer sowie von teilweise sehr starken Winden muss das Tragwerksystem des Gebäudes erhöhte Anforderungen erfüllen.
Die kreisförmige Kernwand besteht aus Stahlbeton und erstreckt sich nahtlos über die gesamte Höhe des Gebäudes, um seitlichen Belastungen ebenso standzuhalten wie tektonischen. Die Dicke der Wand variiert entlang ihrer Höhe. An der Basis beträgt sie knapp zwei Meter, an der Spitze nur noch 60 Zentimeter. Der Innenradius des Kerns beläuft sich durchgehend auf acht Meter.
Neues Wahrzeichen
Im April 2018 wurde das Richtfest gefeiert. Schon damals wurde der Turm aufgrund seines einzigartigen Designs zum neuen Wahrzeichen der Stadt. Ein Jahr später schließlich war das Projekt fertiggestellt und das Finanzministerium Baku konnte sein neues Hauptquartier beziehen.
Ob die Bevölkerung das Gebäude seitdem auch weiterhin als positives Symbol ansieht oder ihm aufgrund des, nun ja, zwiespältigen Verhältnisses zur Finanz mittlerweile eher skeptisch gegenübersteht, ist bisher nicht bekannt.
Text: Michi Reichelt
Bilder: Tekfen Construction, FXCollarabotive