Frankfurts neue Spitze
Ein neues Hochhaus-Ensemble wird Frankfurts Europaviertel bereichern. Designt hat es das ortsansässige Büro Ferdinand Heide, dessen Entwurf sich im Wettbewerb gegen jene internationaler Star-Architekten durchgesetzt hat. Und Frankfurts neue Spitze hat in der Tat „den Dreh heraus“.
Es waren große Namen, die sich da auf der Teilnehmerliste des Wettbewerbs ums neue Großprojekt im Frankfurter Europaviertel fanden. International berühmte Studios wie etwa David Chipperfield Architects oder Herzog & de Meuron hatten Entwürfe vorgelegt. Auf Platz eins landete allerdings der Vorschlag des (noch) nicht annähernd so bekannten, lokalen Büros Ferdinand Heide Architekt. Selbst in der deutschen Metropole ansässig, wird es nun Frankfurts neue Spitze gestalten: Ein Ensemble mit zwei außergewöhnlichen, spektakulär in sich gedrehten Hochhäusern. Und eines davon soll alle bisherigen Bürotürme Deutschlands überragen.
Was der Stadt und Entwickler CA Immo vorschwebte, war von Beginn an ein Konzept mit zwei Türmen und Blockrandbebauung. Eine Mixed-Use Anlage, die Büros, Wohnungen und ein Hotel, aber auch Geschäfte, Lokale, Dienstleister und einen Kindergarten beherbergt. Außerdem galten der Nutzen fürs urbane Umfeld des Neubaus und dessen Effizienz als Kriterien, die die Mitbewerber zu bedenken hatten. Nicht zu vergessen: Die optische Wirkung der Hochhäuser im Kontext der Skyline.
Spektakulär „verdreht“
Der Sieger-Entwurf des Büros Ferdinand Heide stellt ein Ensemble in Aussicht, das unter anderem durch die gedrehte Gestalt der Hochhäuser beeindruckt. Der höhere der beiden Türme, der rund 288 Meter aufragende „Tower A“, wird von vielen Punkten der Stadt aus sichtbar sein. Sein ungewöhnliches Design macht ihn auf jeden Fall zum Blickfang. Die Idee dahinter beschreibt das Ferdinand Heide Team so: „Wir suchten nach einer Form, einer Oberfläche und einer signifikanten Spitze, die von unterschiedlichen Standpunkten und bei unterschiedlichem Licht als verdrehte Skulptur gelesen werden kann. Mit immer wieder variierender Anmutung“.
Der 8.700 Quadratmeter große Bauplatz verlangt nach einer Strategie, die auf die Besonderheiten der Lage eingeht. In diesem Sinne vereint das Konzept von Ferdinand Heide die Teile „Tower A“, den rund 157 Meter hohen „Tower B“ und den Gebäudetrakt „Tower 185“ zu einem großen Ganzen, das quasi harmonischen „Dreiklang“ verkörpert.
Spektakulär und sinnvoll
Die Form der in sich gedrehten Türme „A“ und „B“ ist mehr als bloß ein spektakuläres Design-Spiel. Denn sie sorgt dafür, dass größtmöglicher Zwischenraum zwischen Neubauten entsteht. Dadurch verschafft Ferdinand Heide allen Büros und Wohnungen so viel freie Sicht wie möglich.
Ein Plus für Nutzer & Umfeld
Außerdem bewirkt diese „Verdrehung“ der Hochhäuser, dass auch im unteren, vermeintlich engsten Bereich des Ensembles maximaler Abstand bleibt. Dadurch kann so viel Sonnenlicht wie möglich in die Räume dringen. Und zwischen den Volumina entstehen offene, besonnte Grünflächen, die auch dem Umfeld von Frankfurts neuer Spitze Freude machen werden. Ebenso, wie Terrassen, die sich in der Höhe aus der Drehung heraus entwickeln. Denn auch sie sind für öffentliche Nutzung vorgesehen.
Turm „A“ wird Büros und ein Hotel beherbergen, Turm „B“ und das Blockrandgebäude sind für Wohnungen reserviert. Die Haupteingänge des Wohn- und des Büroturms sind dem öffentlichen Freiraum, der „Plaza“, zugewandt. Auf der Erdgeschossebene werden hohe, von Restaurants, Geschäften und einer Kantine gesäumte Hallen Besucher locken.
Mixed-Use mit verbindendem Extra
Ferdinand Heide hat hier kommunikativ verbindende, gemeinsam genützte Lobbys vorgesehen. So werden Hotelgäste, Büromitarbeiter und Besucher der Aussichtsplattform zu allererst dieselbe riesige Halle betreten, die sich um die Ecke und entlang der Osloer Straße erstreckt. Zwischen die Türme und das Randgebäude setzt der Entwurf einen neuen kleinen Platz mit Wasserbecken. Und direkt vor der Kindertagesstätte wird ein geschützter Quartiersplatz Freiraum bieten.
Insgesamt schafft der Plan 200 geförderte Wohnungen und 300 freifinanzierte Apartments. Alle Einheiten sind nach Süden, Westen und Osten orientiert und verfügen über eingeschnittene Loggien. Sie sind so gestaffelt, dass ihre geschosshohen Fassadenelemente die jeweils beste Ausrichtung haben. Der Wechsel von Loggien und Wintergärten lässt die Außenhaut des Neubaus lebendig und abwechslungsreich wirken.
Frankfurts neue Spitze hat den „Twist“
Weit oben im Turm „A“ wiederholt sich die Großzügigkeit des Erdgeschoss-Entrées: Auf ebenfalls 60 Metern Breite und mit neun Metern Raumhöhe warten im 29. Stock Halle, Restaurant und Garten des Hotels auf Gäste. Und in der 42. Etage sind es die Verteilerlobby und die Besprechungsräume der oberen Büroebenen.
Die Regelgeschosse der Türme sind durch die Drehung in jeder Etage ein wenig anders. Sie zeigen die wesentliche Grundrissorganisation der Häuser. In den Büroturm „A“ setzt Ferdinand Heide einen mächtigen Kern mit 18 Aufzügen und allen Nebenräumen. Ringförmig umschlossen wird dieser von Flächen mit unterschiedlicher Tiefe, die Einzel-, Kombi- und Großraumbüros ermöglichen.
„Himmelstreppe“ im Ferdinand Heide Design
Den Abschluss bildet Frankfurts eigentliche „neue Spitze“: Die Skyhall. In mehr als 266 Metern Höhe lädt diese öffentlich zugängliche Attraktion Besucher dazu ein, die Stadt von ihrem höchsten Punkt aus zu genießen. Ferdinand Heide sieht dieses Highlight als verglasten, 18 Meter hohen Raum mit Sitzstufen, die die verdrehten Ebenen des Bauwerks noch einmal thematisieren. Quasi als nach oben gewundene „Himmelstreppe“, die sich dem Stadtzentrum und dem Mainufer zuwendet.
Der tragende Kern des spektakulären Turms wird in gleichmäßigem Raster von Basisstützen umgeben. Diese nehmen als gerade, über alle 68 Geschosse durchgehende Tragglieder 80 Prozent der Deckenlasten auf. Nur die durch die Drehung entstehenden Deckenrandbereiche werden durch schräge, dem „Twist“ folgende Fassadenstützen getragen. Insgesamt fünf Mal über die volle Höhe im Bereich der Lobbys und der Technikzentralen werden diagonal an den Kern führende „Outrigger“ den extrem hohen Windkräften trotzen, denen der schlanke Turm ausgesetzt sein wird.
Das innovative Tragwerkskonzept trägt auch zur Nachhaltigkeit der Türme bei. Denn es benötigt rund 20 Prozent weniger Beton und Stahl als herkömmliche Varianten. Und das Büro Ferdinand Heide wartet auch darüber hinaus mit durchdachten, umwelt- und klimafreundlichen Lösungen auf. So wird etwa das Blockrandgebäude in Holzhybridbauweise errichtet.
Nachhaltiges Konzept
Rund 3.500 Photovoltaikmodule an der Fassade und auf Dächern werden bis zu 25 Prozent des Strombedarfs der Gebäude decken. Und ein speziell entwickeltes Energiekonzept sichert unter anderem durch Nutzung von Geothermie und Wärmerückgewinnung, dass die Neubauten hocheffizient und ressourcenschonend betrieben werden.
Bis 2030 soll Frankfurts neue Spitze fertig gebaut sein und Turm „A“ der Skyline seinen Stempel aufdrücken. Ein schöner Erfolg für das Büro Ferdinand Heide, das sich gegen die prominente internationale Kollegenschaft durchsetzen konnte.
Wie stark die Konkurrenz tatsächlich war, belegt auch der auf Platz zwei gelandete Entwurf. Denn dieser stammt immerhin vom dänischen Top-Büro Cobe, das derzeit unter anderem mit seinem faszinierenden Projekt Jernbanebyen in Kopenhagen von sich reden macht. Wobei: Ferdinand Heides clever gedrehte Türme für Frankfurts Europaviertel sind geeignet, das vergleichsweise kleine Architekturstudio seinerseits weithin bekannt zu machen.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Nightnurse Images / Ferdinand Heide Architekt