Fenster als Sonnenkollektoren
Transparentes Material, das wie ein Solarpaneel funktioniert, kann Fenster und Fassaden in „grüne“ Energie-Lieferanten verwandeln. Das Novum aus den USA soll bald weltweit den Markt erobern.
Der Anblick ist typisch für jede Großstadt: Gigantische Glasfassaden moderner Hochhäuser prägen die Skyline – und gleißen an schönen Tagen im Sonnenlicht. Genau dies brachte den Materialkunde-Professor Richard Lunt von der Michigan State University auf eine zukunftsweisende Idee: Wie viel Energie ließe sich wohl gewinnen, wenn man all diese Fenster und Fassaden in Solarpaneele verwandeln könnte? Ganz klar: Weit mehr als mit auf Dächern installierten Kollektoren, für die deutlich weniger Fläche zur Verfügung steht.
Größtmögliche Effizienz
Der Gedanke ließ den engagierten Forscher nicht mehr los. Also machte sich Lunt mit seinem Team daran, transparente Sonnenkollektoren zu entwickeln. Ein Ziel, das auch andere Forscher bereits verfolgt hatten. Bislang allerdings ohne zufriedenstellende Ergebnisse. Doch Lunt blieb hartnäckig und konnte schon 2015 erste Früchte seiner Arbeit präsentieren: Paneele, die wie Fensterglas verwendbar sind.
Seitdem wird intensiv daran gearbeitet, die Entwicklung marktreif zu machen. Aus anfangs nur im Labormaßstab hergestellten Testobjekten wurden fenstergroße Einheiten. Und zwar sehr vielversprechende, wie Lunt auf Anfrage berichtet: „Diese erreichten die für eine transparente Solarzelle höchste zertifizierte Effizienz“.
Was die kurz TLSC (transparent luminiscent solar concentrator) genannte Errungenschaft ausmacht, ist: Das Material sammelt Sonnenenergie, ohne dabei an Lichtdurchlässigkeit zu verlieren. Möglich wird dies mit Hilfe organischer Moleküle, die fürs menschliche Auge nicht sichtbares Licht absorbieren. Das Material wird so behandelt, dass es nur ultraviolette und infrarote Wellenlängen aufnimmt. Diese „glühen“ dann, wie Lunt beschreibt, in einer anderen Wellenlänge. „Das eingefangene Licht wird an die Außenkanten des Paneels transportiert. Dort wird es durch dünne Streifen photovoltaischer Solarzellen in Elektrizität verwandelt“, erklärt der Spezialist im Online-Magazin The Open Mind.
Wir schätzen, dass diese Technologie günstiger als traditionelle Solarmodule sein wird. Unserer Erwartung nach werden die Kosten jenen von hochwertigen Fenstern entsprechen
Professor Richard Lunt, Michigan State University
Die Forscher sind überzeugt, dass mit TLSC eine bedeutende Energiemenge erzeugt werden kann. Zwar nicht genug, um ein ganzes Gebäude zu versorgen. Doch für Licht und Gebrauchselektronik werde der gewonnene Strom allemal reichen. Vor allem den Energieverbrauch großer Gebäude könnte die Technologie kompensieren. Voraussetzung dafür sind allerdings eine entsprechende Lebensdauer und Wirtschaftlichkeit der transparenten Solarzellen. Für Letztere spricht, dass ein großer Teil der Kosten herkömmlicher Photovoltaik-Anlagen nicht durch die Solarzellen selbst verursacht wird, sondern durch die Materialien, auf denen diese montiert werden – also etwa Aluminium und Glas. Bestehende Strukturen mit Solarzellen zu beschichten, könnte diese Kosten also senken.
Richard Lunt zum aktuellen Stand der Dinge: „Wir haben eine Firma gegründet, die an der Kommerzialisierung der neuen Technologien arbeitet“, berichtet Lunt. Das Unternehmen, namentlich Ubiquitous Energy Inc., hat bereits Partnerschaften mit großen Glasherstellern geschlossen – wie etwa mit der NSG Group (Nippon Sheet Glass, Co. Ltd.) oder Asahi Glass.
Wichtiges Ziel der Entwickler ist es, energie-produzierendes Glas herzustellen, das Architekten und Designern ästhetische Möglichkeiten fürgebäude-integrierte Photovoltaiksysteme bietet. Noch heuer soll auf dem Campus der Michigan State University eine große Installation errichtet werden.
Ob sich auch private Hauseigentümer bald Fenster mit den transparenten Solarzellen werden leisten können, beantwortet der Wissenschafter so: „Wir schätzen, dass diese Technologie günstiger als traditionelle Solarmodule sein wird. Unserer Erwartung nach werden die Kosten jenen von hochwertigen Fenstern entsprechen“.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: R. Lunt, Michigan State University, Ubiquitous Energy Inc., GettyImages