Wie Fenix aus der Asche
Die einst weltgrößte Lagerhalle, das „Fenix Warehouse“ in Rotterdam, wird in Zukunft keine trivialen Güter mehr beherbergen. Stattdessen wird es als „Museum für Migration“ kunstvolle Schätze aus aller Welt zur Schau stellen.
Der Ort des Geschehens hat in mehrfacher Hinsicht etwas Besonderes. Da wäre einerseits die Tatsache, dass es sich um ein Areal auf der Halbinsel Katendrecht, die am Südufer des berühmten Rotterdamer Hafens liegt, handelt.
Von dort sind einst Millionen Menschen von den Niederlanden aus losgezogen, um die Welt zu erforschen und zu besiedeln. Andererseits wurde eben hier am Anfang des 20. Jahrhunderts mit dem „Fenix Warehouse“ das zeitweise größte Lagerhaus der Welt erbaut. Um möglichst viele Waren aus aller Welt empfangen und in alle Welt entsenden zu können.
Fenix, Lagerhaus der Superlative
Der Ort im heute noch immer weltweit relevanten Hafen, ist also einer, an dem viel geschehen ist, der viel gesehen hat. Zum Beispiel die Eröffnung des ersten China-Restaurants Europas. Und nun ist es ausgerechnet das chinesische Studio MAD Architects, das der gigantischen und schon recht verfallenen Lagerhalle neues Leben einhauchen wird.
Tatsächlich wurde soeben der Spatenstich für eine spektakuläre Aussichtsplattform samt umgebender Museums-Räumlichkeiten getätigt. Ein architektonisches Kulturprojekt, das unter dem Namen „FENIX Museum of Migration in Rotterdam” wohl noch viel internationale Aufmerksamkeit auf sich ziehen wird. Denn was in den nächsten Monaten aus dem Bauch des einstigen Fenix Warehouse erwachsen wird, hinterlässt jedenfalls Eindruck.
Verdrehte Wendeltreppen für Weitblick
Kein Wunder, schließlich sehen die Pläne der chinesischen Architekten zwei gegeneinander verdrehte Wendeltreppen vor, die viele Meter in die Höhe führen. Um Rotterdam zu überragen. Um den Blick über Hafen, Stadt, die Maas und ihr Umland freizugeben.
„Als wir uns in das Projekt vertieften, haben wir festgestellt, dass das Fenix Warehouse im vergangenen Jahrhundert mit der Geschichte Rotterdams eng verwoben ist“, erzählt Ma Yansong, Gründer von MAD. Schließlich sei das Gebäude nach seiner Fertigstellung 1923 während des Zweiten Weltkriegs spektakulär zerstört worden. Doch in den 1940er und 1950er Jahren wurde es erneut aufgebaut und renoviert.
„Es steht als Symbol für eine starke Stadt“, so Ma Yansong weiter. „Wir sind stolz darauf, eine dynamische Transformation des historischen Lagerhauses zu realisieren, die die Menschen ermutigen wird, sich durch den Raum zu bewegen, und die von der Gemeinschaft genossen werden kann. Es wird Körper und Geist beleben und ein Ort des Vergnügens und der Kontemplation sein. Das Fenix wird zum Staunen und Erforschen der Vergangenheit, der Gegenwart und der Zukunft anregen.“
Migrationsgeschichte wird sichtbar
Gleichzeitig lege es Zeugnis über die Migrationsgeschichte des Hafens und der Niederlande ab. Eben auf diese, sich erst auf den zweiten Blick offenbarende Tiefe, wollte das Team von MAG eingehen. Yansong: „Aus der Ferne sehen die Plattform und die Treppe wie eine einzige Einheit aus, aber wenn man sie vor sich hat, steht sie als skulpturales Werk da, das zum Erkunden einlädt.“
Wir sind stolz darauf, eine dynamische Transformation des historischen Lagerhauses zu realisieren, die die Menschen ermutigen wird, sich durch den Raum zu bewegen.
Ma Yansong, Gründer von MAG
Um das historische Erbe des Gebäudes zu bewahren, bezieht MAD bei der nun ebenfalls angestoßenen Renovierung der bestehenden Struktur die ikonischen grünen Stahlfenster des Gebäudes und den Betonrahmen des Fenix Warehouse mit ein.
Edelstahl, Holz und Beton im Zusammenspiel
In der Mitte des Gebäudes wurden die Fassade und das Dach entfernt und durch Glasfassaden und -decken ersetzt. Hier wird zudem die spektakuläre Wendeltreppenstruktur samt Aussichtsplattform gen Himmel wachsen.
Ma Yansong präzisiert: „Die Treppen sollen die massiven Dimensionen des ursprünglichen Lagerhauses aufbrechen und intimere, menschlichere Räume schaffen. Die für ihre Konstruktion verwendeten Materalien Edelstahl und Holz kontrastieren zudem mit den ursprünglichen Beton– und Stahlmaterialien des Lagerhauses. Diese wiederum rufen bei den Besuchern die Vorstellung hervor, ein Schiff zu betreten.“
Tatsächlich aber betritt man eben ein Museum, wie Wim Pijbes, Präsident des Auftraggebers, der Stiftung Droom en Daad, betont und ausführt: „Ein Museum ist ein Phänomen, das in den Köpfen der meisten Menschen eine sehr strenge Vorstellung, ein strenges Bild hat. Ich aber möchte für dieses Museum eine Assoziation schaffen, die eine Art hybride Funktion hat, ein Ort, eine Plattform, ein Ort der Versammlung.“
Erste Fenix-Ausstellung schon fix
Das FENIX Museum für Migration wird sowohl vom Flussufer als auch von der Stadt aus zugänglich sein. Nach seiner Fertigstellung wird das Museum erst einmal eine Ausstellung zum Thema „Bewegung“ zeigen. „Mit zeitgenössischen Kunstwerken und Archiven, die in Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Kunstinstitutionen kuratiert werden“, erklärt Wim Pijbes stolz.
Vergangenheit mit Zukunft
Und weil er gerade so in Fahrt ist, darf er gern auch den Schlusssatz dieser Geschichte liefern: „Das Fenix Warehouse wird zu einem Wahrzeichen für all die Millionen, die Europa von den Ufern der Maas aus verließen, und für alle, die heute ankommen. Es bietet eine große Zukunft für Rotterdams Vergangenheit.“
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: MAD