Zwei Türme für Bratislava
Sie sollen die höchsten Bauten der Slowakei werden, mehr als 1.100 Wohnungen schaffen und obendrein auch noch nachhaltig sein: die vom Büro KCAP designten Eurovea Towers, die aus der Innenstadt von Bratislava gen Himmel ragen werden.
Die Hauptstadt der Slowakischen Republik hat den Ruf, Geschichte und Innovation gekonnt zu verbinden. Mit einem Mix aus historischem Charme und aktuellen Trends lockt Bratislava seit Jahren immer mehr Besucher aus aller Welt an die Donau, die den alten Stadtkern vom grünen Teil im Süden trennt. Nun soll die legendäre Burg von Bratislava, die als Wahrzeichen der Stadt auf einem Hügel im Westen thront, bald „Konkurrenz“ bekommen: Zwei vom niederländischen Büro KCAP entworfene Wolkenkratzer, die Eurovea Towers, sollen ein modernes Highlight ins Zentrum setzen.
Hoch hinaus mit den Eurovea Towers
Mit ihren 260 und 184 Metern Höhe werden die beiden schlanken Türme auch die höchsten Gebäude der Slowakei sein. Was den neuen urbanen Blickfang allerdings noch interessanter macht: Die Eurovea Towers werden mehr als 1.100 Wohnungen schaffen. Gut ans öffentliche Verkehrsnetz angebunden, unweit zahlreicher Sehenswürdigkeiten – und bereits vor Baubeginn für ihre Nachhaltigkeit gelobt.
Die Hochhäuser entstehen am östlichen Ende der Pribinova-Allee, in der Nähe des Sockels der Apollo-Brücke. Sie belegen ein rund 8.200 Quadratmeter großes Grundstück und sollen eine kombinierte Gesamtgeschossfläche von zirka 115.000 Quadratmetern bieten. Der Bauplatz liegt in der sich rasch entwickelnden Innenstadt von Bratislava, in einem neuen Stadtteil westlich des historischen Zentrums. Das Ziel: Ein Ort zum Leben, Arbeiten und Freizeit genießen. Ausgerichtet auf urbane Lebensqualität, die es den Bewohnern ermöglicht, alles Notwendige in kürzester Zeit zu erreichen.
Neues Highlight fürs neue Viertel
Im Umfeld des Projekts hat Bratislava in den vergangenen Jahrzehnten bereits viel erreicht: Das einst von Lagerhallen und Industrieruinen geprägte Viertel wurde mit zahlreichen neuen Projekten nachhaltig saniert. Eine riesige Industriebrache wurde in ein pulsierendes Wohn-, Arbeits- und Spielviertel verwandelt, das mit innovativer Architektur und einladenden, begrünten öffentlichen Zonen aufwartet.
Dieses zukunftsorientierte Stadtentwicklungsprojekt soll nun in Form der Eurovea Towers ein zusätzlich verbindendes, zugleich weithin sichtbares Highlight bekommen. Und zwar ein architektonisch sehr interessantes: Die zwei schlanken, gebündelten Volumina steigen in gestaffelten Schichten an. Inspiriert von den natürlichen Formationen der Gegend und den Charakteristika Bratislavas sollen sie sich ins Stadtbild einfügen. Quasi als visionäre Monumente, die eine gute Zukunft verheißen.
Effizient nach Wind & Licht gedreht
Nahe am Scheitelpunkt jedes Turms sieht KCAP‘s Plan je eine Gemeinschaftsterrasse vor, die weiten Panoramablick eröffnet. Die Hochhäuser sind so gedreht, dass sich ihr Winkel von jenem des umgebenden Straßenrasters unterscheidet. Dadurch wird die Sonneneinstrahlung optimiert und die Windlast verringert. Dieses Zusammenspiel mit den Nachbarbauten soll die Energieeffizienz steigern und ein angenehmes Mikroklima begünstigen. Bei der Positionierung der beiden Wolkenkratzer haben die Architekten sich an genauen Analysen des Lichteinfalls, der Windkräfte und Ausblicke aller baulichen Höhenparameter orientiert.
Zentrales Element des Entwurfs der Türme sind durch effiziente, rautenförmige Strukturkerne definierte Grundrisse, die sich zahnradförmig nach außen erstrecken. Diese Konfiguration erhöht die Anzahl der Eckwohnungen und verspricht den Bewohnern weiten Blick auf die Donau, das historische Zentrum und die umliegende Landschaft. Zudem ermöglicht dieses Konzept individuelle Wohnungsgrundrisse verschiedenster Art. Im Inneren sind die Wohneinheiten großzügig und offen gestaltet und verfügen über Panoramafenster, die den Blick auf die Stadt freigeben.
Unten offen, oben windgeschützt
Die Wohnungen in den unteren Etagen der Eurovea Towers werden über großzügige Balkone verfügen. Weil in der Höhe mehr Schutz vor den Elementen nötig wird, sind dort teilweise geschlossene Freiflächen vorgesehen. Und in den höchsten Höhen der Türme sollen schlanke Loggien für besten Windschutz bei idealem Lichteinfall und beeindruckendem Ausblick sorgen.
Im Erdgeschoss bildet ein mehrstöckiger Glaspavillon den Kern des Projekts. Dieser Bereich verbindet die beiden Hochhäuser sowohl miteinander, als auch mit dem umliegenden Gelände. Er ist zudem dazu gedacht, den Bewohnern Raum für Interaktion innerhalb des Neubaus und mit dem Umfeld zu bieten. Direkt im Pavillon befinden sich auch der Zugang zu einer Tiefgarage und Platz für die Unterbringung von Fahrrädern. Und damit nicht genug.
Durchdachter Schutz vor Lärm & Wetter
Der Entwurf der KCAP-Architekten setzt einen üppigen Indoor-Garten, mehrere Cafés und einladende Treffpunkte ins Innere des Glaskonstrukts, das mit auskragenden Überhängen versehen wird. Letztere ragen über die Grundfläche der Türme hinaus und schirmen abfallende Winde ab. Zugleich sollen sie zusammen mit dem Pavillon selbst den von der nahen Brücke ausgehenden Lärm dämmen und das Mikroklima positiv beeinflussen.
Der üppige Pocket-Park ist als grüne Oase mit verspielten, gewundenen Wegen konzipiert, die durch waldähnliche Biotope, Wiesen und parkähnliche Flächen führen. Er soll dem Gelände der Eurovea Towers eine eigene „Topografie“ verleihen, die an die nahe gelegene Donau erinnert. Wobei: An nahen, zu Fuß erreichbaren Erholungsräumen, Radrouten und öffentlicher Anbindung wird es den künftigen Bewohnern nicht fehlen.
Facettenreiche Nachhaltigkeit
Was die Jury, die KCAPs Entwurf zum Sieger des entsprechenden Wettbewerbs kürte, besonders hervorhob, war allerdings auch die Nachhaltigkeit des Konzepts: Die Türme sollen als Modellbeispiel für nachhaltiges Hochhaus-Wohnen dienen, das Umwelt-Auswirkungen minimiert und gleichzeitig hochwertigen innerstädtischen Wohnraum schafft. Und dies nicht nur, weil die geplante Bauweise den Materialverbrauch so weit wie möglich reduziert, sondern weil ein ganzes Maßnahmen-Bündel darauf abzielt, den ökologischen Fußabdruck der Eurovea Towers klein zu halten.
So setzt man beim Energiesystem auf Erdwärme und generiert durch geschickt platzierte PV-Paneele Sonnenstrom. Ein dezentrales Energienetz auf lokaler Ebene verbessert die Gesamtenergieeffizienz, indem es die Lasten mit den benachbarten Bürogebäuden ausgleicht. Zudem beinhaltet der Entwurf eine Fassade mit integrierten Jalousien und ein dezentrales Lüftungssystem mit Wärmerückgewinnung, das die Abhängigkeit von externen Energiequellen weiter verringert. Und das modulare, rückbaubare Fassadensystem fördert die Kreislaufwirtschaft.
Visionäres Plus historischer Stadt
Mit den beiden extravagant geformten Türmen designt das niederländische Büro KCAP die bislang höchsten Gebäude der Slowakei. Und die renommierten Architekten, die etwa auch mit dem Hamburger Wasserhaus, dem Masterplan fürs Münchner Sugar Valley oder The Grid in Amsterdam städtebauliche Finesse bewiesen, fügen ihrer Liste spektakulärer Bauten ein weiteres spannendes Projekt hinzu. Eines, das den Reiz von Bratislavas Mischung aus historischem und modernem Charme um ein höchst interessantes Stück Architektur bereichert.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: KCAP