Entscheidung fürs Exilmuseum Berlin
Star-Architektin Dorte Mandrup hat den Zuschlag für ein wichtiges Projekt bekommen: Der Entwurf ihres Büros ist Sieger des Wettbewerbs für das Exilmuseum Berlin. Das Ziel: Ein Ort, der Verständnis schafft und bewusst macht, dass auch heute Millionen von Menschen ins Exil getrieben werden.
Den Anstoß für das spannende Projekt gab eine Initiative um Literaturnobelpreis-Trägerin Herta Müller und den Kunsthändler und „Villa Grisebach“ Mitbegründer Bernd Schultz. Die zugehörige Stiftung wurde 2018 gegründet. Jetzt wird mit der Umsetzung begonnen: Das Exilmuseum Berlin wird gebaut. Und zwar nach einem Entwurf des erfolgreichen dänischen Büros Dorte Mandrup (siehe Beitragsbild). Denn dieses ging jüngst als Sieger aus dem entsprechenden Wettbewerb hervor. Die Eröffnung des beeindruckenden Neubaus ist für 2025 geplant.
Zehn international renommierte, im Museumsbau erfahrene Architekturbüros waren eingeladen, ihre Konzepte einzubringen. Dass die Portalruine am Anhalter Bahnhof einbezogen werden muss, war vorgegeben. Es galt, rund 3.500 Quadratmeter Nutzfläche einzuplanen, um allen Bereichen des Museums Platz zu geben. Dazu zählen etwa Dauer- und Sonderausstellungen, Gastronomie und Museumsvermittlung.
Geschichte, Kultur und Freizeitangebot
Außerdem soll im Foyer des Exilmuseums ein frei zugänglicher „Raum des Ortes“ entstehen. Dort soll die Geschichte des Anhalter Bahnhofs beleuchtet werden. Rund 700 Quadratmeter sind zudem für Freizeit- und Kulturangebote durch den Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg und Dritte vorgesehen. Voraussichtliche Kosten für Konstruktion und technische Anlagen: Um die 27 Millionen Euro.
Dorte Mandrup Architekten setzten sich im Rennen ums Exilmuseum Berlin gegen prominente Kollegen durch: Platz zwei ging ans New Yorker Studio Diller, Sofidio + Renfro, dessen Olympisches und Paralympisches Museum der USA aktuell Furore macht. Platz drei errang das mehrfach preisgekrönte Berliner Büro Bruno Fioretti Marquez.
Kernziel der Stiftung ist es, ein Museum zum Thema „Exil 1933 bis 1945“ zu errichten. An einem zentralen Berliner Ort. Und das Gelände, auf dem das Exilmuseum Berlin nun entstehen wird, hat gewaltige Symbolkraft. Denn am ehemaligen Anhalter Bahnhof brachen unzählige Menschen in eine ungewisse Zukunft auf, um der Verfolgung durch die Nationalsozialisten zu entkommen. Später wurde diese Station am Askanischen Platz zum Deportationsbahnhof – und damit zum Schicksalsort für jene, denen die rettende Flucht ins Ausland nicht gelang.
Was das Projekt aktuell doppelt wichtig macht, ist, dass es neben Geschichte auch „den Inhalt des Wortes Exil begreifbar“ machen soll, wie Mit-Initiatorin Herta Müller betont. So formuliert auch Star-Architektin Dorte Mandrup in der Beschreibung ihres Vorschlags: „Aktuelle Flüchtlings- und Migrantenbewegungen schärfen die Sensibilität der Öffentlichkeit für Themen wie Vertreibung, Auswanderung, Exil und Völkermord“.
Exilmuseum mit Blick in die Gegenwart
Das Kernprojekt des Exilmuseums habe auch die Gegenwart im Blick. Es schlage eine Brücke zwischen dem Exil der NS-Zeit und jenem unserer Tage: „Übergeordnetes Thema ist die menschliche Erfahrung des Exils, die Exilgeschichten aus verschiedenen Epochen und Orten vereint“.
Der Neubau soll einen würdigen Rahmen für die Geschichten von 500.000 Emigranten und die nachvollziehbare Präsentation aller Aspekte des Themas „Exil“ schaffen. Dorte Mandrup hat dafür ein elegant geschwungenes Design entworfen. Zentral davor thront die Ruine des alten Bahnhofsportals – fast wie ein Mahnmal, das vom neuen Komplex „schützend umarmt“ wird.
Gelber Ziegel als Zeichen der Erinnerung
Die untere Ebene des neuen Hauses wird von breiten Bögen durchbrochen. Hoch und verglast werden sie die Eingänge hervorheben und freien Blick ins Innere des Gebäudes bieten. Die Fassade wird aus gelbem Ziegel errichtet, der an den alten Anhalter Bahnhof erinnern soll.
Raffinierte Fassade
Auf halber Höhe der Außenhaut bilden die Ziegel mit dahinter liegenden Glasflächen eine Art Gitter, das Licht kunstvoll nach innen filtert. Dazu erklärt Dorte Mandrup im Magazin Dezeen: „Die unterschiedlich geneigten Ziegel lassen die Fassade wie ein flimmerndes Bild erscheinen – als subtile Erinnerung daran, dass an diesem Ort mehr als nur ein Gebäude verloren ging“.
Das Exilmuseum Berlin wird drei Stockwerke und ein Untergeschoss umfassen. Auch ein begrüntes Dach ist Teil des Entwurfs. Dieses wird von außen allerdings nicht zu sehen sein, weil durch eine gemauerte Brüstung eingefasst. Der Haupteingang liegt am Askanischen Platz an der Nordseite des Gebäudes. Das dreigeschossige Foyer wird mit Kopfsteinpflaster ausgelegt, um das Ambiente des Platzes fortzusetzen. „Drinnen“ und „Draußen“ werden hier schließlich nur durch die Glasfront eines weitläufigen Bogens voneinander getrennt. Und zwar barrierefrei.
Multimedial erlebbare Geschichte(n)
Von der Empfangshalle aus werden alle Bereiche leicht zugänglich sein. Ausstellungen, Bildungseinrichtungen und ein Restaurant sollen zum Besuch einladen. Die Präsentation von Objekten soll im Exilmuseum Berlin nicht im Vordergrund stehen. Man will hier multimedial und mit szenografisch inszenierten Räumen eine Nahsicht aufs zentrale Thema erzeugen und die Exilgeschichte unmittelbar erfahrbar machen.
Und dies nicht nur von deutscher Perspektive aus: Bilder, Töne, Texte, Installationen, Filme und Objekte sollen spürbar vermitteln, wie es Menschen aus und in aller Welt erging (und aktuell ergeht), die das Land ihrer Geburt verlassen mussten.
Mandrups Entwurf wurde mit Unterstützung von Höhler & Partner, Topotek1 und Buro Happold entwickelt. Das neue Exilmuseum Berlin unterstreicht die Bedeutung des Askanischen Platzes als mahnenden Ort der Erinnerung. Denn dort, im umgebauten Deutschlandhaus, soll bald auch das Dokumentationszentrum der Bundesstiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung seine Pforten öffnen.
Ein Bauwerk mit Symbolkraft
Die für grandiose Projekte wie das Besucherzentrum „The Whale“ in Norwegen berühmte Architektin Dorte Mandrup will mit dem Exilmuseum Berlin einmal mehr ein Zeichen setzen. Dass sie mit ihren Konzepten mehr anstrebt als spektakuläre Bauten, hat sie mehrfach bewiesen. Zum Beispiel mit behutsam in bedrohte Natur gesetzten Werken wie dem Icefjord Centre in Grönland, das den Klimawandel thematisiert.
Brandaktuell ist nun auch der Fokus des Projekts in Berlin. Mandrup: „Das Museum wird ein Mahnmal der Vergangenheit und ein Vehikel für zukünftiges Bewusstsein und Solidarität sein“.
Alle neun Einreichungen zum Wettbewerb werden vom 29. September bis zum 17. Oktober 2020 in der Staatsbibliothek am Kulturforum (Potsdamer Straße 33, Berlin) ausgestellt.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Dorte Mandrup, MIR, Diller Scofidio + Renfro, Bruno Fioretti Marquez, Büro Schindler Friede / Stiftung Exilmuseum Berlin, Volker Renner