Immer dem Ellenbogen nach
Im kanadischen Calgary hat Studio North mit dem Elbow House ein Eigenheim entworfen – mit einer Holzfassade der etwas anderen Art.
Alberta gilt als die reichste unter den kanadischen Provinzen. Insbesondere die ausgedehnten Ölvorkommen sichern schon seit langem den Wohlstand für die gut 4 Millionen Einwohnerinnen und Einwohner – und sorgen beinahe ebenso lang regelmäßig für massive Kritik und ebensolche Proteste. Denn in Alberta wird sogenannter Ölsand abgebaut; ein Verfahren mit hohem CO₂-Ausstoß sowie gravierenden Auswirkungen auf Landschaft und Umwelt.
Doch Tatsache ist: Zahlreiche Menschen profitieren von der wirtschaftlichen Entwicklung der Region, das Lohnniveau in Alberta ist hoch. Höher als in den meisten anderen Provinzen Kanadas. Und so verwundert es nicht, dass zahlreiche Menschen regelmäßig das nötige Kleingeld für ein exklusives Eigenheim am Rande der Großstädte aufbringen können. Ein Eigenheim wie das Elbow House in Calgary.
Das Projekt hat seinem Namen von jenem Fluss, an dessen Ufer es errichtet wurde: dem Elbow (Ellbogen) River. Auf einem rund 750 Quadratmeter großen, keilförmigen Grundstück entwarf Studio North ein Einfamilienhaus, das eine „Relation zur Landschaft herstellt“, wie das Studio mit Sitz in Calgary erklärt. Man habe sich für klare Formen und Linien entschieden, um das Haus in die Umgebung einzubinden.
Unten stark, oben zart
Das Elbow House ist kein Gebäude mit einheitlichem Erscheinungsbild. Das Erdgeschoss mit Wänden aus grauem Ziegel dient als starkes Fundament für das deutlich leichter wirkende, holzverkleidete Obergeschoss. Der Backstein strahle Behaglichkeit aus, so Studio North. Er erinnere an einen offenen Kamin, vor den man sich vor den oft unwirtlichen Bedingungen der Gegend zurückziehe.
Die Fassade des ersten Stocks stellt das eigentliche Herzstück des Entwurfs dar. Der obere Teil des Gebäudes wird nämlich rundum von einer luftigen Verkleidung aus Sperrholz umschlossen, die dem Haus sein charakteristisches Äußeres verleiht. Aussparungen an den Fenstern lassen hier einerseits ausreichend natürliches Licht ins Innere, andererseits sorgt die Holzverkleidung durch ihr Schattenspiel für sich laufend verändernde Stimmung in den Räumen des Obergeschosses.
Grenzenloses Wohnen
Das Erdgeschoss besteht neben dem Eingangsbereich aus einem einzigen Raum. Hier dominiert die Kücheninsel mit der Arbeitsplatte im Marmordesign, das sich über die Kanten hinaus bis zum Boden erstreckt. Der Ess-/Wohnbereich vor dem Kamin nimmt insgesamt so viel Platz ein wie die Küche; die relative Enge sorgt für ein Gefühl der Gemütlichkeit.
Drei Meter hohe Decken sowie raumhohe Verglasung an der Ost- und Südseite verstärken dieses Gefühl. Sie machen das Erdgeschoss nicht nur hell und freundlich, sie lassen auch „die Grenzen zwischen Drinnen und Draußen verschwimmen“, wie das Studio erklärt. Unter dem vorkragenden Obergeschoss befindet sich zudem eine Außenterrasse – eingebaute Grillmöglichkeit inklusive.
Schnörkellos
Direkt darüber liegt das große Schlafzimmer. Wobei „Zimmer“ eine glatte Untertreibug darstellt: Neben dem eigentlichen Schlafbereich mit Doppelbett findet man hier ein offenes Badezimmer – mit Wänden aus glasierten Fliesen und Boden aus Naturstein – und einen begehbaren Schrank. Vom Bett aus kann man aufgrund der großen Fenster in drei Himmelsrichtungen sowohl Sonnenauf- als auch -untergang beobachten. Zwei weitere, kleinere Schlafzimmer im Obergeschoss liegen oberhalb des Wohnzimmers, in das man über eine Treppe mit Holz-Glas-Geländer gelangt. Oberlichte sorgen auch hier für natürliche Helligkeit.
Das Architekturbüro betonte die Bedeutung des schnörkellosen Designs des Gebäudes. „Die Liebe zum Detail macht aus dem Elbow House ein perfektes Zusammenspiel von Material und Form“, sagt Studio North. „Es herrscht ein Gleichgewicht von Offenheit und Abgeschiedenheit, von Stabilität und Durchlässigkeit.“
Text: Michi Reichelt
Bilder: Studio North, Hayden Pattullo