In die Zeit hineingefallene Würfel
Das dem legendären Rubik-Würfel nachempfundene Gewerbegebäude „UniFun” von CLOU Architects bespaßt Nutzer und Passanten mit einer Multimedia-Fassade.
Gamification ist zum beliebten Schlagwort in der digitalisierten Internet-Ökonomie geworden. Darunter versteht man die Übertragung von spieltypischen Elementen und Vorgängen in spielfremde Zusammenhänge. Beispielsweise werden (Werbe-)Botschaften und Informationen auf eine lustige und spielerische Art und Weise vermittelt.
Ein bekanntes Modell dafür sind die Starbucks-Sterne: Mit jedem gekauften Produkt sammeln die User in der eigens entwickelten Reward-App Sterne. Die Kaffee-Tassen werden dabei grafisch mit den Himmelskörpern aufgefüllt.
Rubik Würfel mit gamifizierter Fassade
Beim UniFun Gewerbe- und Einzelhandelskomplex in Chengdu Shi in China haben die Architekten des Büros CLOU gleich das gesamte Gebäude und die gesamte Fassade in den Gamification-Gedanken einbezogen. Tagsüber fällt das UniFun Tianfu Chengdu Gebäude, wie es mit vollem Namen heißt, kaum auf. Abgesehen davon, dass es sich in der Ästhetik des Rubik Würfels präsentiert und damit längst vergangene Spiel- und Wettbewerbs-Assoziationen weckt.
Für alle ab Ende der 1980er Jahre Geborenen, die den legendären „Zauberwürfel” nicht mehr (oder noch nicht) in Händen gehalten haben: Beim Rubik‘s Cube handelt sich um ein Drehpuzzle, das 1974 von dem ungarischen Bauingenieur und Architekten Ernő Rubik erfunden wurde. Wer in einem Affentempo die 26 verdrehten Würfel wieder in seine Grundstellung bringen konnte, gehörte der „Elite” der weltweit allerorts drehenden „Speedcubing”-Community an.
Online- und Offline-Architektur
Aber zurück zum UniFun Tianfu Chengdu: Die CLOU-Architekten beschreiben das 42.500 Quadratmeter große Einkaufszentrum als eine „Online- und Offline-Architektur” mit einem multimedialen Fassadensystem. Architektonische Form und digitale Werbung sollen zu einem kohärenten Ganzen verschmelzen.
Tagsüber, wie gesagt, fügen sich die würfelförmigen Baukörper beziehungsweise „Pixelmodule” in die „geordnete Umgebung” der städtischen Struktur. Die Geschichte der Stadt Chengdu Shi geht zwar zurück bis in das frühe 4. Jahrhundert vor Christus. Aber heute hat sich die Hauptstadt der chinesischen Provinz Sichuan – neben Chongqing – zum Wirtschaftszentrum Westchinas entwickelt.
„Pixelmodule”
In der urbanen Agglomeration Chengdu Shi leben nun an die neun Millionen Einwohner. Ein modernistisches, nach dem Grundgedanken der „Medienarchitektur” entworfenes „Würfelgebäude” scheint also „in die Zeit hineingefallen”.
Das Wort „Clou” steht für die Hauptattraktion. Mit unserem technischen Know-how und unserer Liebe zum Detail sind wir bestrebt, unerwartete Lösungen zu finden und aus jedem Projekt das Potenzial herauszuschälen, das es zum Clou macht.
Gleichwohl stechen die weißen „Pixelmodule” mit ihrer roten Umrandung auch bei Tageslicht hervor. Der Außenbereich ist großzügig gestaltet und soll mit den vielen Terrassen zu sozialer Interaktion animieren. Die multimedialen Fassadensysteme erzeugen immer neue und unterschiedliche räumliche und visuelle Effekte. Nachts dringt Licht durch die Fugen der Aluminiumplatten. Das nächtliche Stadtbild bekommt so einen Hauch von Futurismus.
Vorläufer „Maison de la Publicité”
Mit ihrem Objekt erinnert das CLOU-Team rund um den Gründer, den deutschen Architekten Jan Clostermann, bewusst auch an das Projekt „Maison de la Publicité” (dt.: Haus der Werbung) des Jahres 1936: Der schlanke Bau mit seiner aus diagonal verstrebten Stahlgittern bestehenden Fassade auf den Pariser Champs Elysées beherbergte in seinem Inneren Büros für Werbeagenturen und eine Halle für Medienveranstaltungen.
Erst durch den Einsatz von Beleuchtung und Fotomontage wurde der Baukörper zu einer „Medienmaschine”. Architekt Oscar Nitzchke, der unter anderem das United Nations-Headquarter in New York und die Oper von Los Angeles entworfen hat, und der mitgestaltende Fotograf Hugo Herdeg, haben damals dadurch das Verständnis von Fassade in der Welt der Architektur grundlegend geändert.
Mit entsprechender Beleuchtungstechnik lässt sich das Erscheinungsbild einer sonst regulären Fassade wandeln, sodass beispielsweise eine Reihe frei fließender Muster darstellbar ist. Die unterschiedlichen Licht-, Schatten-, Farb- und grafischen Variationen des Fassadensystems interagieren dabei mit dem Multimedia-Bildschirm.
Werbeleinwand
Das Projekt ist so etwas wie eine Schnittstelle zwischen Online-Technologie und Kommerzialisierung der Erscheinungsform von Architektur. Eine digitale Leinwand könne als Erweiterung der traditionellen Fassadenwerbung dienen und in Echtzeit spannende als auch informative Inhalte wie Markenbilder, Online-Werbung, Social-Media-Aktivitäten und Offline-Veranstaltungsinfos ausstrahlen.
Die Architektur biete die physisch-feste Plattform für digitale Kontext-Ergänzungen, heißt es bei CLOU. „Trägermaterial“ sind die mit LEDs bestückten Glaspaneele. So erweitern sich die Möglichkeiten und die Reichweite der Architektur. Gleichzeitig komme man dem Auftrag nach regionaler Entwicklung nach.
CLOU ist ein internationales Designstudio mit Expertise in den Bereichen Architektur, Innenarchitektur und Landschaft. Das Portfolio an Bauwerken umfasst Projekte in den Bereichen Mischnutzung, Einzelhandel, Gastgewerbe, Bildung und Ausstellungen.
Aufsehenerregend war zuletzt auch der Bau des Sanya Farm Lab in einer Tourismusregion in China: Das Landwirtschaftsmuseum geht Fragen und Lösungen für Land- und Wasserknappheit auf den Grund und bietet passende Ausstellungsflächen.
CLOU wurde von dem deutschen Architekten Jan Clostermann gegründet. Das CLOU-Team ist eine Gemeinschaft von Talenten aus der ganzen Welt.
Text: Linda Benkö
Fotos: CLOU Architects/Arch-Exist, v2com, Olav Ahrens Røtne/Unsplash