Eine grüne Oase im Betonhochhaus
In der vietnamesischen Metropole Ho-Chi-Minh-City wachsen immer mehr Bürotürme in den Himmel. Das lokale Architekturbüro MIA Design Studio sorgt dafür, dass auch die Natur blüht und gedeiht – notfalls in betriebsamen Innenräumen.
Ho-Chi-Minh-City ist hierzulande vielleicht besser bekannt unter ihrem früheren (und heute noch parallel verwendeten) Namen Saigon. Die ehemalige vietnamesische Hauptstadt wurde 1976 – nach dem Abzug amerikanischer Truppen – zu Ehren des 1969 verstorbenen Staatschefs Ho Chi Minh umbenannt. Und entwickelte sich im Lauf der Jahre zu einer boomenden Wirtschafts- und Verkehrsmetropole mit mittlerweile rund neun Millionen Einwohnern.
Pulsierendes Großstadtherz
Die traditionsreiche Stadt nördlich des Mekong-Deltas ist in 19 Bezirke und fünf Landkreise unterteilt. Die zwölf innerstädtischen Bezirke haben keine Namen, sondern sind einfach durchnummeriert – wobei Quận (also Stadtbezirk) 1 als finanzielles, kulturelles, politisches, kommerzielles und touristisches Zentrum gilt. Daran angrenzend darf sich Quận 3 aber ebenfalls noch als Teil des pulsierenden Großstadtherzens betrachten.
Hier steht nicht nur die 1958 eröffneten Xá-Lợi-Pagode, das buddhistische Zentrum Südvietnams, sondern mit der Saigon Station auch der größte Bahnhof der Stadt (und südlichste des Landes). Architektonisch geprägt wird Quận 3, das für seine lebhafte Restaurant-Szene und angesagten Cafés nicht nur von Touristen geschätzt wird, von Villen im französischen Kolonialstil.
Bring den Garten ins Büro
Von Seiten der Planer war das ein Wunsch, den sie mit großer Freude erfüllen konnten: „Warum eigentlich nicht? Wir sind Kinder der Natur und verlieben uns immer wieder in die Schönheit der Landschaft. Zufällig trafen wir auf einen Kunden mit der gleichen Leidenschaft für Pflanzen, Blumen, Komfort und Leichtigkeit. Gemeinsam haben wir daraufhin ein ‚Büro im Freien‘ geschaffen.“
Das 2003 in Ho-Chi-Minh-City gegründete MIA Design Studio versteht sich selbst als „Berater für Architektur, Innenarchitektur und Landschaftsgestaltung“ und spezialisiert sich eigentlich auf Projekte im Gastgewerbe und im Wohnungsbau. Geführt vom Architekten Nguyen Hoang Manh ist das Team mittlerweile auf mehr als 50 Mitarbeiter angewachsen.
Fließende Räume
Die Architekten und Designern bezeichnen sich auf ihrer Homepage selbst als „große Bewunderer der modernistischen Bewegung“, die versuchen, „die schwierige Aufgabe zu erfüllen, diese ikonische Generation neu zu überdenken und ihr Kontinuität zu verleihen.“ Bei ihren Arbeiten setzen sie letztendlich vor allem auf „formale Einfachheit und die Integration von Innen- und Außenbereichen in fließende Räume mit besonderem Augenmerk auf die landschaftlichen und klimatischen Bedingungen jedes einzelnen Projekts.“
Zu diesen grundlegenden Bedingungen zählt, dass sich Büro- und Industrieflächen in Metropolregionen wie Ho-Chi-Minh-City immer stärker ausbreiten und umgekehrt Grünflächen und freie Räume der stetig wachsenden Nachfrage weichen müssen. „Die sind aber“, wissen die Architekten, „für das Lebensumfeld notwendig. Die rasante Entwicklung im wirtschaftlichen Zentrum eines Landes bringt immer mehr Hochhaus-Betonblöcke in den städtischen Gebieten hervor. Junge Unternehmen und Arbeitnehmer verbringen Tausende von Stunden mit intellektuellen Aktivitäten auf begrenztem Raum und mit begrenzten Emotionen.“
Grün gegen begrenzte Emotionen
Die Betreiber des Mr. Green’s Office wollten diesen einschränkenden Faktoren nach bestem Wissen und Gewissen entgegentreten, verrät MIA Design Studio: „Wir durften Barrieren überwinden und Ideen entwickeln, wie wir grüne Außenflächen sinnvoll in das Innere eines klassischen Betongebäudes integrieren können.“
Mitarbeitern und Besuchern eröffnet sich gleich nach dem Öffnen der Aufzugtüren eine neue, überraschende Welt: In der Lobby werden Geschäftspartner mit Sitzgelegenheiten in einem kleinen Bonsaigarten empfangen, die als Zeichen der Gastfreundschaft zur Erholung von der Großstadthektik einladen.
Gastfreundschaft statt Hektik
Wird der Besucher ins Innere geführt, sollte er das beengte und stickige Gefühl der Stadt spätestens dann verlieren, wenn er sich dem Outdoor-Lounge-Garten nähert. Denn hier werden Besprechungen und Meetings – obwohl Indoor – ganz einfach ins Grüne verlegt: „Dieser Garten hat nicht nur die Funktion, Privatsphäre mit der Umgebung zu schaffen, sondern auch die Funktion, das Licht zu regulieren, die Blendung am Nachmittag zu reduzieren und direkt in die Büros zu strahlen.“
Die Verlagerung der Natur hinein in eine betonierte Welt ist auch von einem prinzipiellen Gedanken des mehrfach mit Preisen wie den World Architecture Community Awards ausgezeichneten MIA Design Studios geprägt: „Wir sind bestrebt, die negativen Auswirkungen von Gebäuden auf die Umwelt durch Effizienz und Mäßigung bei der Verwendung von Materialien, Energie und Entwicklungsraum zu minimieren.“
Die Pflanzenwelt draußen genießen
Nachhaltiges Design, heißt es weiter, „nutzt einen bewussten Ansatz zur Energie- und Umwelterhaltung bei der Gestaltung der Gebäudeumgebung. Unsere Idee der Nachhaltigkeit oder des ökologischen Designs besteht darin, sicherzustellen, dass unsere heutigen Handlungen und Entscheidungen die Möglichkeiten künftiger Generationen nicht einschränken.“ Und dass sie die blühende Pflanzenwelt nicht nur Indoor, sondern tatsächlich auch draußen im Grünen genießen können.
Text: Hannes Kropik
Fotos: Hiroyuki Oki