Eine Branche im Aufbruch
Die Baubranche zählt bekanntlich zu den größten Verursachern der Treibhausgas-Emissionen. Während eine richtungsweisende CO2-Bepreisung noch ansteht, machen Unternehmen vor, wie sie die Dekarbonisierung der Branche aktiv vorantreiben.
Üblicherweise werden Ziegel in Tunnelöfen gebrannt, die mit Öl oder Gas betrieben werden. In der beschaulichen oberösterreichischen Gemeinde Uttendorf steht der erste Hochtemperaturofen der Welt, der mit Strom aus erneuerbaren Energien betrieben wird. „Mit dem neuen Elektroofen können wir den CO2-Ausstoß in der Ziegelproduktion um bis zu 90 Prozent reduzieren“, sagt Johann Marcher, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich. Der weltweit größte Ziegelhersteller hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Traditionsbaustoff zukunftstauglich zu machen und fossile Energieträger durch erneuerbare zu ersetzen.
Der (nahezu) klimaneutrale Ziegel
Gemeinsam mit dem Austrian Institute of Technology (AIT) hat man außerdem an den Schrauben der Energieeffizienz von Ofen, Trockner und Wärmepumpe gedreht. Das Ergebnis: Die sogenannten GreenBricks benötigen rund 30 Prozent weniger Energie. Das ist nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaftlichkeit des Standorts. „Damit können wir die Produktionskosten optimal im Griff behalten“, so Marcher.
Mit dem neuen Elektroofen können wir den CO2-Ausstoß in der Ziegelproduktion um bis zu 90 Prozent reduzieren.
Johann Marcher, Geschäftsführer von Wienerberger Österreich
Im Sommer 2024 lief der erste, „nahezu klimaneutrale Wandziegel“ vom Band, seit Anfang 2025 ist das Werk nach der Umbauphase wieder in Vollbetrieb. Den Großteil dieser Investition hat Wienerberger selbst gestemmt. „Mit diesem Projekt leisten wir unseren Beitrag zur Dekarbonisierung der Industrie“, heißt es vonseiten des Geschäftsführers.
Der große CO2-Hebel
Der Green Deal der EU soll Europa bekanntlich bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen. Wie groß der CO2-Hebel in diesem Sektor ist, zeigt ein Blick auf die folgenden Zahlen: Jedes Jahr rührt die Bauindustrie rund vier Milliarden Tonnen Zement an. Und auf jede Tonne Zement entfällt über eine halbe Tonne klimaschädliches Kohlendioxid.
Die Eidgenössische Technische Hochschule Zürich hat errechnet, dass insgesamt an die 600 Milliarden Tonnen des Materials weltweit verbaut wurden, und zwar großteils innerhalb der letzten hundert Jahre. Da verwundert es auch nicht, dass eine Studie des UN-Umweltprogramms von 2020 zu dem Schluss kommt: 38 Prozent der globalen CO2-Emissionen gehen auf das Konto des Bau- und Gebäudesektors.
„Inzwischen sollte jeder den Schuss gehört haben. Wir haben es jetzt eilig, und wir haben im Bausektor einen riesigen Einfluss auf die Gesamtentwicklung des Klimas“, warnte Stefan Winter kürzlich in einem Interview mit dem ubm magazin.
Winter ist Professor an der TU München und einer der renommiertesten Fachleute des modernen Holzbaus. Mit seinem Unternehmen bauart ist er als Berater und Tragwerksplaner von mehrgeschossigen Holzbau-Projekten tätig. So auch im Fall des Hochhauses Timber Peak, das derzeit von UBM Development im Zollhafen Mainz entwickelt wird.
Vom Hotelentwickler zum Holzbau-Pionier
Der Immobilienentwickler mit Sitz in Wien zählt zu den wenigen Marktteilnehmern, die die krisengebeutelte Baukonjunktur der letzten Jahre gut durchschifft haben. Angestoßen durch die Disruption der Pandemie, richtete man das Unternehmen neu aus: weg vom Fokus Hotelentwicklung, hin zum Pionier für Wohnungen und Büros in klimafreundlicher Holz-Hybrid-Bauweise.
Wir können uns die Folgen eines ungebremsten Klimawandels schon finanziell gar nicht leisten.
Thomas G. Winkler, CEO von UBM Development
Nachweislich beschleunigt der vom Menschen verursachte CO2-Ausstoß die Erderwärmung und damit den Klimawandel. Wir können uns aber die Folgen eines ungebremsten Klimawandels schon finanziell gar nicht leisten. Es ergibt sich daher für uns geradezu eine Verpflichtung, den größten Hebel zur CO2-Reduktion bei der Errichtung von Gebäuden zu nutzen, und zwar in Form des Holzbaus“ erklärt Thomas G. Winkler, CEO von UBM Development, seine Mission und schickt hinterher: „Eine konsequente CO2-Bepreisung würde diese Einsicht extrem beschleunigen.“
Das Gesamtvolumen der in Holz-Hybrid-Bauweise umgesetzten und geplanten Bauvorhaben beziffert UBM mit 300.000 Quadratmeter. Was man der Öffentlichkeit bei jedem einzelnen dieser Projekte immer wieder vorrechnet, ist die Menge an CO2, die im verbauten Holz gebunden ist. Das hat einen guten Grund: Holz ist nicht nur ein nachwachsender Baustoff, es wirkt auch als CO2-Speicher. Während es über viele Jahrzehnte in Gebäuden verbleibt, wachsen wieder neue Bäume nach, die schädliches Kohlendioxid aus der Atmosphäre filtern.
Reforest the planet, retimber the city
Diesen Ansatz, den Holzbau strategisch zur Bereinigung des Klimas einzusetzen, vertritt auch Hans Joachim Schellnhuber, einer der renommiertesten Klimaforscher und Mastermind hinter der Initiative New European Bauhaus.
Auf der Konferenz wood4bauhaus stellte er seine Strategie vor: „Reforest the planet, retimber the city.“
Dass wir über die im Pariser Klimaabkommen festgelegte 2-Grad-Grenze hinausschießen werden, darüber sind sich Schellnhuber und andere Klimaexperten einig. Um die dadurch angestoßenen Kippprozesse rechtzeitig zu stoppen, muss die Emissionskurve so schnell wie möglich wieder fallen.
Wenn wir aktiv CO2 aus der Atmosphäre entfernen wollen, gibt es eine wunderbare, natürliche Lösung: die Photosynthese.
Hans Joachim Schellnhuber, Klimaforscher
„Das gelingt aber nur“, so Schellnhuber, „wenn wir aktiv CO2 aus der Atmosphäre entfernen. Dafür gibt es eine wunderbare, natürliche Lösung: die Photosynthese. Wenn wir diese nutzen und aus den daraus entstehenden organischen Rohstoffen wie Holz Gebäude und Infrastruktur bauen, haben wir einen großen Effekt.“
Mittlerweile zielt man auch bei der Beton-Herstellung mit neuen Rezepturen und einem rezyklierten Anteil auf die Verringerung des Kohlendioxid-Ausstoßes ab. Einen Kampf der „guten“ gegen die „schlechten“ Baustoffe, wie er gerne heraufbeschwört wird, lehnt man beim Holzbau-Developer ab. „Die Frage ist vielmehr, wie es uns am besten gelingt, die je nach Bauaufgabe sinnvollsten Materialien so CO2-arm wie möglich zu produzieren und einzusetzen“, sagt Winkler. „Nur ein gemeinsamer Kraftakt bringt uns ans Ziel.“
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Manfred Fresl / Wienerberger, Philipp Horak / UBM Development