Ein Headquarter ohne CO₂
Stora Enso, das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt, bekommt eine neue Zentrale. Der Komplex Katajanokan Laituri soll klimaneutral sein und ein Meisterwerk des finnischen Holzbaus werden. In seiner Ästhetik erinnert es an Großmeister Alvar Aalto.
Der Papier- und Verpackungsmittelhersteller Stora Enso zählt zu den Wegbereitern einer neuen Generation von kreislauffähigen Produkten, die alle auf dem erneuerbaren Rohstoff Holz basieren. Genauer gesagt auf dem Holzbestandteil Lignin, der im Baum für die Festigkeit der Zellwände sorgt. Geschätzte 50 Millionen Tonnen Lignin fallen derzeit weltweit als Abfallprodukt bei der Papierherstellung an. Anstatt es zu verbrennen, stellt das finnisch-schwedische Unternehmen daraus nicht nur bio-basierte Kunststoffe, Harze und Bindemittel her, sondern auch Hartkohlenstoff für die erneuerbare Batterie von morgen.
Die neue Unternehmenszentrale Katajanokan Laituri an der südlichen Hafenkante von Helsinki sollte diesem Anspruch der grünen Innovation in nichts nachstehen. Für den Bau des Bürokomplexes mit integriertem Hotel lobte Stora Enso, das zweitgrößte Forstunternehmen der Welt, einen eigenen Architekturwettbewerb aus.
Ein Meisterwerk finnischer Holzbaukunst
Das Ziel ist ein Bürokomplex, der komplett CO₂-neutral ist, und zwar sowohl in der Errichtung als auch im Betrieb. Erreichen will man das, indem man das gesamte Gebäude als Holzbau plant und ausschließlich auf erneuerbare Energiequellen setzt. „Damit das möglich wird, müssen sich alle Projektbeteiligten von Anfang an diesem Ziel verpflichten“, heißt es vonseiten der Bauherrschaft, die eine LEED-Platinum-Zertifizierung anstrebt.
Urban und natürlich zugleich, vermittelt es von außen Stärke und Ruhe, während Raum und Material im Inneren die dichte Atmosphäre eines finnischen Waldes beschwören.
Anttinen Oiva Arkkitehdit Oy, Architekturbüro
Obendrein soll die neue Unternehmenszentrale als Meisterwerk finnischer Holzbaukunst zur neuen Landmark im Hafenviertel Katajanokka werden. Diesen hohen Anforderungen konnte das finnische Architekturbüro Anttinen Oiva Arkkitehdit Oy laut Jury mehr als nur gerecht werden.
Der Entwurf Spring verweist auf ein ästhetisches Gesamtkonzept, das eine gewisse formale Strenge im Äußeren mit einer organischen, Zen-artigen Gesammeltheit im Inneren vereint. „Urban und natürlich zugleich, vermittelt es von außen Stärke und Ruhe, während Raum und Material im Inneren die dichte Atmosphäre eines finnischen Waldes beschwören“, heißt es in der Beschreibung der Architekten.
Alvar Aalto lässt grüßen
Der Entwurf strebt nach einer engen Verbindung zwischen der gebauten Umwelt und der Landschaft ringsum. „Die Architektur würdigt und stärkt ihre Umgebung. Durch ihre kraftvolle Präsenz und ihre offene, einladende Geste erweckt sie die Umgebung und den Pier wieder zum Leben“, so die Projektbeschreibung.
Die Architektur würdigt und stärkt ihre Umgebung. Durch ihre kraftvolle Präsenz und ihre offene, einladende Geste erweckt sie die Umgebung und den Pier wieder zum Leben.
Anttinen Oiva Arkkitehdit Oy, Architekturbüro
Mit biophilen Designprinzipien wollen die Architekten einen starken Bezug zur Natur herstellen. Außerdem soll mit dem Bau der neuen Firmenzentrale ein Stück Architektur entstehen, das von einer klaren Identität zeugt und modern, aber zeitlos zugleich ist.
Mit diesem Ansatz knüpfen die Architekten an das Erbe des finnischen Großmeisters Alvar Aalto an, der als wichtiger Wegbereiter der Moderne und als Vordenker der organischen Architektur gilt. Er sah alle Gegenstände und Bauwerke als lebendig an und forderte: „Man kann sie nicht anders behandeln als andere Einheiten der Biologie, sonst laufen sie Gefahr, nicht mehr ins System zu passen, sie werden unmenschlich.“
Neuer öffentlicher Raum am Wasser
Die Jury würdigte den siegreichen Entwurf Spring unter anderem für seinen sensiblen Umgang mit dem historischen Bestand. Er füge sich gut in die Blockstruktur von Katajanokka ein und die abgerundeten Ecken des Gebäudes „stellen eine Verbindung zum historischen Lagerhaus und der Jugendstilarchitektur her“.
Nicht nur die Jury goutierte das Konzept, sondern auch die Öffentlichkeit, die man von Anfang an in den Gestaltungsprozess eingebunden hat. Den Bewohnern der finnischen Hauptstadt steht mit dem Abschluss des Großbauprojektes neuer öffentlicher Raum zur Verfügung, und das direkt am Hafen. Am Marktplatz soll ein kleiner Stadtpark entstehen und zum Wasser hin möchte man einen großen Terrassenbereich für Cafés und Restaurants schaffen.
Klimaneutrale Investitionen
Neben Stora Enso und dem Hotel sollen sich auch andere Unternehmen im 16.000 Quadratmeter großen Komplex einmieten können. Entwickelt wird die Immobilie von der finnischen Pensionsversicherungsgesellschaft Varma, die sich das Ziel gesteckt hat, bis 2035 ein klimaneutrales Anlageportfolio zu haben. Dazu hat das Unternehmen seine Investitionen in Kohle und Öl veräußert und investiert stattdessen in emissionsfreien Strom und klimaneutrales Heizen.
Für die Stadt Helsinki bildet das Immobilienprojekt nicht nur den Startschuss für das neue Entwicklungsgebiet am Hafen, sondern auch für den Holzbau, den man zum gängigen Baukanon machen möchte. „Das Ziel des neuen Katajonokka-Viertels ist ein lebendiger Stadtraum, und wir freuen uns, dass wir mit diesem Projekt die Hafenkante für die Bewohnter von Helsinki öffnen können. Das nachhaltige und CO₂-neutrale Gebäude aus Holz entspricht den Zielen der Stadt“, erklärte Helsinkis grüne Vize-Bürgermeisterin Anni Sinnemäki beim Baustart 2021.
Das Projekt Katajanokan Laituri, das 2024 fertig sein soll, scheint der zu Beginn ausgegebenen Prämisse gerecht zu werden: Hier ziehen alle an einem Strang.
Text: Gertraud Gerst
Visualisierungen: Varma