Esbjergs bevorstehender Wandel
Heimspiel für die Bjarke Ingels Group: Das dänische Architekturbüro hat den Masterplan für eine neue Stadt- und Campusumgebung in Esbjerg entworfen, Education Esbjerg. Dänemarks größter Fischereihafen soll so zu einem Bildungszentrum mit Top-Business-Chancen werden.
Am 4. Juli 2025 wird es wieder so weit sein: Dann starten neuerlich die „Tall Ships’ Races“, ausgehend von der Hafenstadt Le Havre. Diese Langstreckenregatta für Großsegler wurde erstmals 1956 ausgetragen. Jährlich findet sie auf wechselnden Routen auf europäischen Gewässern statt. Im Jahr 2025 wird die dänische Stadt Esbjerg Endstation sein.
2025: Ein starkes Jahr für Esbjerg
Im deutschsprachigen Raum ist Esbjerg wenig bekannt. Segler wissen natürlich, dass die Stadt schon vier Mal Gastgeber der Tall Ships Races war. Das ist jedoch nicht das einzige, was Esbjerg zu bieten hat. Ebenfalls 2025, vom 23. bis 27. April, wird das Musical „We Will Rock You“ von Queen und Ben Elton – Tickets sind bereits erhältlich – im Musikhuset Esbjerg aufgeführt. Und im August 2025 geht der Vorhang für „Ragnarok“, den vierten und letzten Teil von Richard Wagners Opernzyklus „Ring des Nibelungen“ in der Den Ny Opera hoch. Aber das nur nebenbei.
Schwenk zur Architektur: An Persönlichkeitsentwicklung interessierte Menschen erinnern sich sicher an den 2010 aufgelegten Buchtitel „The big leap“ (auf Deutsch: „ein großer Schritt“) von Gay Hendricks. Darin erläutert der amerikanische Bestseller-Autor wie man die Hindernisse überwindet, die uns von Erfüllung und dem Erreichen von Erfolg sowie Glückszuständen abhalten.
Und was hat das nun mit Architektur zu tun? The „Big Leap“ spielt auch beim Stadtentwicklungsprojekt „Esbjerg of the Future Vision 2025“ eine Rolle – als Wortspiel, von BIG, der Bjarke Ingels Group, selbst erfunden.
The BIG LEAP
Das renommierte dänische Architekturbüro spricht von einem großen Schritt, also einem Big Leap. Denn die Landschafts-, Ingenieur-, Architektur- und Planungsteams (LEAP) von BIG haben sich zusammengetan, um der Vision von Esbjerg, der Entwicklung zu einem Zentrum für Bildung, Wirtschaft und Wohnen an der Südwestküste von Jütland, Gestalt zu geben. Eine Herausforderung zwar, die aber das erfolgsverwöhnte Architekturbüro nicht von der Realisierung abhalten wird.
Im Moment noch ist Esbjerg eine Stadt, die gern übersehen wird – es sei denn man hat ein Sommerhäuschen in der Gegend. Oder nutzt den Flughafen oder ist in der Fischindustrie tätig, denn Esbjerg ist der größte Fischereihafen Dänemarks. Wer in der Nähe wohnt, dem kommt schon mal der Spruch über die Lippen: „Esbjerg riecht nicht nach Fisch, sondern nach Geld.“
Masterplan von BIG für Bildungscampus
Im Fokus der Stadtväter stehen daher die Sicherung von Wohlstand und Wachstum auch abseits der Fischerei. Die Anliegen der Bürger sollen Eingang in die Stadtplanung finden und die traditionelle Fischereimetropole auch zu einer grünen Energiemetropole werden, die Top-Business-Möglichkeiten bietet.
BIGs Masterplan für Education Esbjerg – eine neue Bildungseinrichtung und ein Campus für die Küstenstadt – orientiert sich dabei ganz an den Gegebenheiten des Standorts. Nüchtern betrachtet bedeutet dies: Lärm der nahegelegenen Schiffsrecyclingwerft und der Offshore-Anlagen, dominante Westwinde, hohen Gezeiten, Sturmfluten und hohe Sonneneinstrahlung.
Education Esbjerg: Superblock bildet ganzes Viertel
Wo zuvor einzelne, über der Esbjerg City vorgelagerten Insel verteilte Blöcke lagen, in denen der öffentliche Raum durch Straßen zwischen den Gebäuden definiert war, entsteht nun etwas ganz anderes. In der Vision von BIG wird EDUES zu einem einzigen, durchgehenden Gebäude mit einer großen Grünfläche in Zentrum und einer ikonischen Dachlandschaft.
Die Vision von BIG für Esbjerg Strand ist es, eine ganze Stadt in einem Gebäude unterzubringen. Bildung, Entwicklung und neue Gemeinschaften bilden den Rahmen für ein Leben, in dem die Insel mit all ihren Möglichkeiten als nachhaltiges, vom Menschen geschaffenes Ökosystem inmitten der Stadt funktioniert.
Aus der offiellen Aussendung von BIG
Während der zentrale Kern die grüne, architektonische Oase sein wird, bleibt die äußere Hülle des Gebäudeblocks mit dem Hafen verbunden. Öffentliche Promenaden am Boden und auf dem Dach laden auch Besucher zu erholsamen Spaziergängen ein. Die bestehende Bebauung wird durch einen Neubau mit einer reduzierten Grundfläche – 13.700 statt 15.000 Quadratmeter – ersetzt.
Geschützter üppiger Park im Inneren
Wie ein Vierkanthof, der dem Profil der bestehenden Grundfesten folgt, umfasst der Campus den landschaftlich gestalteten Garten, der auf diese Weise vor den starken, auflandigen Winden geschützt ist.
Der üppige Park bestimmt den Charakter des Innenhofs und schafft einen Kontrast: Zwischen dem Industriehafen und der ruhigen Umgebung des Campus. Die unterschiedliche Höhe der Umfassung und die Struktur des Baukörpers – das Gebäude wird zahlreiche Öffnungen und Fenster an den gezackten weißen Wänden und Fassaden aufweisen – sorgen dafür, dass alle Nutzer einen schönen Ausblick haben: entweder auf den Park oder das Wattenmeer und den Jachthafen – oder beides.
UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung im Fokus
Die Blockrandbebauung wird auf eine Plattform um sieben Meter angehoben, um sie vor Hochwasser zu schützen. Mit der variierenden und angepassten Höhe der Geschosse und Wände hält sich auch die vom benachbarten Hafen stammende Lärmbelastung in Grenzen. An seiner höchsten Stelle wird das Gebäude sieben Stockwerke hoch sein.
In Bodennähe herrschen optimierte Windverhältnisse und auf dem Dach erzielt man maximale Sonneneinstrahlung. Der Campus wird über standortbetriebene erneuerbare Energien versorgt. Der Innengarten sowie die Dachpromenaden von in Summe rund einem Kilometer Länge soll die Biodiversität und Lebensräume für lokale Arten fördern.
Auf diese Weise will man mindestens elf der 17 UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung erreichen, darunter hochwertige Bildungschancen, erschwingliche und saubere Energie, sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen sowie verantwortungsvolle Produktion.
Einzelheiten über die zum Einsatz gelangenden Materialien des Gebäudes sind noch nicht bekannt. Aber die von BIG veröffentlichten Renderings deuten darauf hin, dass Holz die vorherrschende Materialwahl sein könnte. Die voraussichtliche Fertigstellung des Projekts wurde ebenfalls noch nicht fixiert.
Über BIG
BIG wurde 2005 vom dänischen Architekten Bjarke Ingels gegründet und ist ein Architekturbüro mit Büros in Kopenhagen, New York, London und Barcelona. Zu den aufsehenerregendsten Realisierungen der jüngeren Zeit gehört zum Beispiel das Wohnprojekt Sluishuis im Amsterdamer Hafen. Gemeinsam mit Barcode Architects hat BIG nahe des aufstrebenden Stadtteils IJburg energieneutralen Wohnraum für 442 Haushalte geschaffen. BIG ist auch eingebunden in die Planungen für die „flutsichere“ schwimmende Stadt Oceanix Busan.
Text: Linda Benkö
Renderings: BIG, esbjerg denmarkimages by Mir