Dubai kratzt an der 1000-Meter-Marke
Wenn alles nach Plan läuft, hat das Burj Khalifa im Jahr 2021 als höchstes Gebäude der Welt ausgedient. Denn spätestens dann wird der Dubai Creek Tower fertig sein. Und er soll 1.000 Meter in den Himmel ragen. Oder doch 1.400?
Es ist ziemlich genau zehn Jahre her, da stand US-Architekt Adrian Smith stolz auf seinem persönlichen Dach der Welt. Am 4. Jänner 2010 wurde „sein“ Burj Khalifa mit einer Höhe von sagenhaften 828 Metern als höchstes Bauwerk der Welt eröffnet. Und dementsprechend gefeiert.
Doch nun scheinen Ruhm und Glanz langsam aber sicher zu verblassen: In spätestens einem Jahr soll der „Dubai Creek Tower“ eröffnet werden. Und dieser Turm dürfte das Burj Khalifa um vielleicht sogar fast 600 Meter überragen. Sicher jedenfalls um zumindest 100 Meter. Dazu aber später mehr.
Creek Tower als nächster Rekord
Tatsächlich hat eben jene Projektgesellschaft, die Smith einst den Auftrag erteilte, beschlossen, sich selbst zu übertrumpfen: Emaar Properties wollen nun eben noch höher hinaus. Dafür haben sie sich keinen geringeren geschnappt, als den spanisch-schweizerischen Architekten Sandiago Calatrava.
Ein durchaus mutiger Schritt, schließlich ist Calatrava nicht nur dafür berühmt, außergewöhnliche Bauwerke zu konzipieren, sondern auch dafür, deren Baukosten um das Doppelte zu überschreiten.
Kleine Kost(en)probe gefällig? Die von ihm geplante PATH-Station in New York war mit zwei Milliarden Euro budgetiert gewesen. Gekostet hat sie dann vier. Bei einem Bauvorhaben von diesem Kaliber müsse man auf Probleme reagieren, „das Projekt seriös revidieren, aber den Entwurf immer noch bewahren“, erklärt Calatrava da bloß lapidar. Wichtig sei nur, „dass man das Ziel im Kopf behält.“
Klare Zielvorgabe: Höchstes Haus
Dieses ist in diesem Fall auch sonnenklar definiert: Höchstes Haus des Planeten. Doch das ist selbst mit den modernsten verfügbaren technischen Möglichkeiten ein schwer zu bewältigender Kraftakt, wie der Star-Architekt betont: „Wenn man so hoch baut, kommt man an technische Grenzen“, sagte er zuletzt der Zeitung „Die Welt“, um sogleich zu präzisieren: „Man fühlt es förmlich, wenn man mit technischen Fragen eine Schwelle überschreitet, die noch nie überwunden wurde.“
Doch in Dubai ist es nicht nur die Höhe, sondern auch der im Verhältnis extrem kleine Grundriss, der für Calatrava so herausfordernd ist.
Von Brücken inspiriert
Um dieses Problem zu lösen, bedient man sich nun einem Flechtwerk an miteinander vertäuten Stahlseilen, die im Boden verankert, bis zur Spitze gespannt werden sollen. Eine Methode, die man bis dato nur von Schrägseilbrücken kennt. Bei einem senkrechten Bau in dieser Dimension wurde sie noch nie angewendet.
Creek Tower auf Mega-Fundament
Unter anderem deshalb lag schon bei Baubeginn im Oktober 2016 das Hauptaugenmerk auf dem Fundament der neuen stolzen Speerspitze Dubais. Dort, wo der Creek Tower bald stehen soll, wurden insgesamt sagenhafte 170.000 Kubikmeter Erdreich freigelegt, um Platz zu schaffen. Im Anschluss wurden 145 Pfähle jeweils 75 Meter tief in den Boden getrieben und mit 210.000 Tonnen Beton übergossen.
Zum Vergleich: Das Gesamtgewicht des 443 Meter hohen Willis-Towers (bis 2009 Sears Tower), also des dritthöchsten Wolkenkratzers der USA, beträgt mit 222.500 Tonnen nur einen Hauch mehr.
Aber kommen wir zurück zum Creek Tower in Dubai. Laut Plan wird er hauptsächlich aus einem schlanken Stamm, der als „Rückgrat“ des Turms dient, bestehen. In der Nähe der Spitze wird sich eine länglich-ovale Struktur befinden, die an die Knospe einer Lilie erinnern soll. Der Durchmesser dieser Knospe ist jedoch weit größer geplant, als der des Stamms. Dies würden den Turm majestätischer erscheinen lassen, ist sich der Meisterarchitekt sicher.
Glühende Nadelspitze
Zudem wird an der Spitze der gigantischen Nadel ein weiteres Highlight des Dubai Creek Towers angebracht sein: Nachts soll aus dem Gipfel des dann höchsten Gebäudes der Welt ein riesiges Leuchtfeuer die Stadt überstrahlen.
Darunter werden neben Luxusresidenzen, Büros, Restaurants und Wohnungen auch rotierende Besucher-Plattformen integriert sein. Und so genannte Sky Gardens. Inspiriert von den alten Hängenden Gärten Babylons, will man diese dem antiken Weltwunder so weit wie möglich nachempfinden. Nur eben in luftigen Höhen.
Des Architekten wahres Motiv
Dieser Aspekt lässt übrigens das wahre Motiv erahnen, das Calatrava bei diesem Megabau persönlich verfolgt: Er will ein modernes Weltwunder, oder zumindest ein Wahrzeichen schaffen. In seinen Ausführungen klingt das dann so: „Der Eiffelturm ist das technische Objekt seiner Zeit. Das soll mein Turm in Dubai auch werden.“
Vielleicht ist das auch der Grund, warum Calatrava bis heute die wahre Höhe des Creek Tower noch nicht veröffentlich hat: Er will eben so richtig eins draufsetzen und dabei die Spannung so hoch wie möglich halten. Apropos hoch: Fest steht bloß, dass der Turm zumindest 928 Meter in die Wolken ragen wird. Vielleicht aber, so heißt es, werden es gar 1.400 Meter sein.
1000 Meter oder noch mehr?
Ziemlich sicher darf man davon ausgehen, dass die 1000-Meter-Marke überschritten wird. Garantiert aber wird der spanisch-schweizerische Großbaumeister versuchen, einen Rekord in den Himmel zu knallen, der länger hält als zehn Jahre. Wir lassen uns jedenfalls gerne überraschen.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Emaar Properties