Dreifachsieg für Zaha Hadid
Alljährlich kürt das internationale Architektur-Magazin „The Plan“ besonders spektakuläre Projekte beim „The Plan Award“. Heuer haben Zaha Hadid Architects dabei in drei Kategorien abgeräumt. Zurecht!
Wenn man die Architektur-Brille aufsetzt und so die vergangenen Monate Revue passieren lässt, erscheint die Entscheidung der hochkarätigen Jury des „The Plan Awards 2020“ mehr als nur logisch: Kein ein anderes Architektur-Studio hat in den vergangenen zwölf Monaten so viele spektakuläre Projekte fertiggestellt, wie Zaha Hadid Architects.
Zaha Hadid als Realisierungs-Kaiser
Zwar haben gewiss einige andere Größen wie etwa BIG von Bjarke Ingels mit mächtig vielen Avisos von sich hören lassen, aber die meisten dieser spektakulären Projekte werden erst in mehr oder weniger naher Zukunft auch tatsächlich unseren Planeten zieren. Ganz im Gegensatz zu den architektonischen Ikonen aus dem Hause Hadid.
Und so darf sich Studio-Chef Patrik Schumacher mit seinem Team gleich über drei Goldmedaillen bei den „The Plan Awards 2020“ freuen.
Das ist „The Plan Award“
Einem Preis, der 2016 vom italienischen Magazin „The Plan“ mit der Idee ins Leben gerufen wurde, den Diskurs und die Debatte über globale Design- und Planungsthemen zu fördern. Und weil es gelang, viele internationale Größen als Juroren zu gewinnen, ist der Award längst von internationaler Bedeutung.
Abräumer namens Hadid
Aber kommen wir zurück zur aktuellen Ausgabe der „The Plan Awards“ und dem Abräumerstudio „Zaha Hadid Architects“ (ZHA). Tatsächlich konnte man vor allem die besonders relevante Kategorie „Büro & Business“ mit dem gigantischen Leeza SOHO-Tower in Peking für sich entscheiden. In der Rubrik „Transport“ ist es der ebenfalls in Peking errichtete Beijing Daxing International Airport und das Al Janoub Stadion in Katar sorgte in der Sparte „Sport & Freizeit“ für Jubel. Wir haben die drei Projekte etwas genauer unter die Lupe genommen:
Das Al Janoub-Stadion in Katar
Das im vergangenen Mai eingeweihte Stadion ist das erste in Betrieb genommene Stadion für die FIFA Fußball-Weltmeisterschaft 2022 in Katar. Im Hinblick auf den geografischen Standort in Al-Wakrah sollte der maritime Kontext der Hafenstadt besonders einbezogen werden. ZHA reagierte darauf mit einem Design, das lokale Referenzen mit den klimatischen Bedingungen und funktionalen Anforderungen eines Fußballstadions kombiniert.
Ein Dach, wie ein Schiff
So ist etwa die Dachkonstruktion eine auf den Kopf gestellte Abstraktion einer Dhau. Das ist ein alter Segelschiffstyp, der auch heute noch auf dem Indischen Ozean kreuzt. Vor allem die Außenhaut des Stadions nimmt hier Anleihe: Die nach außen gewölbte Fassade erinnert an den Bauch der trapezförmigen Segel des Zweimastschiffes, während die Balkenstruktur den inneren Rumpfaufbau wiederspiegelt.
Kaligrafische Elemente
Die Dach- und Wandflächen des „Al Janoub Stadions“ hingegen haben ihren Ursprung in den Motiven der arabischen Kalligrafie. Kunstvoll verzierte Traufenelemente und ornamentale Siebdrucke der tieferliegenden Außenhülle würdigen die Kunstfertigkeit des islamischen Handwerks.
Der Beijing Daxing International Airport in Peking
Nach nur vier Jahren Bauzeit öffnete Der Beijing Daxing International Airport am 25. September 2019 sein Gate. Und ist seither der größte Flughafen der Welt. Spektakulär ist das Bauwerk vor allem beim Anflug – es sieht aus wie ein gigantischer Krake (700.000m² Fläche), der sich 70 km südlich von Peking etwas Ruhe gönnt. Wie groß die Dimension dieses ruhenden Ungetüms wirklich ist, lässt sich wohl am besten über die Geldsumme ausdrücken, die für den Bau verrechnet wurde: 51 Milliarden Euro.
Chinesisches Raumkonzept als Grundlage
Zaha Hadid Architects haben aber natürlich nicht dank der extremen Kosten, sondern ob ihres Zugangs das Rennen um die „The Plan Awards 2020“ gewonnen. Und zwar geht die architektonische Story so: In der traditionellen chinesischen Architektur finden sich stets miteinander verbundene Räume wieder, die um einen zentralen Innenhof herum organisiert sind.
Fließende Formen als Markenzeichen
Dieses Konzept wurde im Entwurf des neuen Flughafens in Peking aufgegriffen. Der Bau leitet alle Passagiere nahtlos durch die entsprechenden Abfahrts-, Ankunfts- oder Transferzonen in Richtung des Hofes in seiner Mitte. Daher ergibt sich auch die Krakenoptik. Sechs für Hadid-Konzeptionen so typische, fließende Formen innerhalb des gewölbten Dachs des Terminals reichen bis zum Boden, um die Struktur zu stützen und natürliches Licht ins Innere zu bringen und alle Passagiere ins Zentrum zu leiten.
Lichter als Wegweiser
Zudem wurden lineare Oberlichter so integriert, dass sie ein intuitives Navigationssystem ergeben, das kaum zusätzliche Wegweiser benötigt, ist man bei ZHA stolz. Und das offenbar zurecht.
Der Leeza SOHO-Tower in Peking
Im November 2019 eröffnet, lockt der Leeza SOHO-Tower seither nicht nur die dort arbeitenden Menschen an, sondern auch jede Menge Architektur-Touristen. Der Grund: Es heißt, dass dies der letzte von Zaha Hadid persönlich angefertigte und auch realisierte Entwurf ist. Ob dies stimmt oder ein guter PR-Gag ist, sei dahingestellt. Jedenfalls aber konnte der Wolkenkratzer bei den „The Plan Award 2020“ überzeugen.
Spektakulärer Unterbau
Und das liegt wohl vor allem an dem ungewöhnlichen Unterbau, auf dem der Turm ruht: Der insgesamt 200 Meter hohe Tower verfügt nämlich über das aktuell größte Atrium der Welt. Mit 194,15-Metern Höhe übertrumpft es den bisherigen Rekordhalter – das legendäre Burj Al Arab Hotel in Dubai.
Statik als architektonische Grundlage
Wirklich interessant daran aber ist, dass diese gigantische Empfangshalle aus einer gewissen statischen und architektonischen Notwendigkeit heraus entstanden ist: Denn der Baugrund des Leeza SOHO befindet sich direkt über einem gigantischen unterirdischen Knotenpunkt: Fünf U-Bahn-Linien werden, sobald fertiggestellt, den gesamten Turm untertunneln. Daher teilt der Entwurf des Turms seinen Gesamtraum in zwei Hälften, die von einer einzigen Fassade umschlossen werden. Diese beiden Hälften finden aber baulich erst in 194 Metern Höhe zueinander, um sich gegenseitig zu stabilisieren. Und ergeben so eben das höchste Atrium der Welt. Und Gold bei den „The Plan Awards 2020“.
Da bleibt eigentlich nur noch eine Frage offen: Womit wollen Zaha Hadid Architects im nächsten Jahr punkten? Wir sind jedenfalls schon heute gespannt!
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Zaha Hadid Architects; & Getty Images; Hufton & Crow