Die „symbiotischen“ Türme von Dubai
Wolkenkratzer, die Natur und Mensch einander näherbringen: Soweit die Kurzbeschreibung eines futuristischen Projekts, das bald in Dubai wachsen soll. Und eines sind die von AmorphouStudio designten „symbiotischen“ Türme ganz bestimmt: Ein spannendes Beispiel zukunftsorientierter Architektur.
Hochhäuser sind in Dubai bekanntlich nichts Besonderes. Superlative auch nicht. Immerhin steht hier mit dem über 800 Meter gen Himmel ragenden Burj Khalifa der derzeit höchste Wolkenkratzer der Welt. Auch wenn es um extravagante Projekte geht, kommt man an der Emirat-Stadt kaum vorbei. Entwürfe wie Architekt David Fishers „Rotating Towers“ werden hier eher realisiert als anderswo. Seit Nachhaltigkeit als essenzielles Thema gilt, strebt man auch diesbezüglich Vorreiterstatus an. Dazu passt das Konzept der „symbiotischen“ Türme des australischen AmorphouStudio perfekt. Und diese sind derart spektakulär, dass sie – sobald gebaut – sogar in Dubai Aufsehen erregen dürften.
Hoffnung auf grünes Licht
Dass der Spatenstich für die „symbiotischen“ Türme wohl noch länger warten muss, hat, wie AmorphouStudio Gründer Zayad Motlib bedauert, mit der aktuellen Pandemie zu tun: „Entwickler beobachten den Markt jetzt ganz genau. Und es ist schwer zu sagen, wie es nach COVID-19 weitergehen wird“.
Der Architekt hofft allerdings, seinen Original-Entwurf keinen gröberen Veränderungen unterziehen zu müssen, wenn das Projekt dann endlich realisiert werden kann. Kein Wunder. Denn das Konzept ist in der Tat bestechend zukunftsorientiert.
Was Motlib in zwei bis drei Jahren Bauzeit in Dubais Jumeirah Gardens setzen will, verfolgt ein großes Ziel: Umwelt, Mensch und Design sollen zur lebenswerten Einheit zusammengeführt werden. Und zwar durch Wolkenkratzer, die das lokale Klima punktgenau berücksichtigen. So, dass sie Menschen besten Lebensraum bieten, ohne der Natur zu schaden.
Kurzum: Architektur zum Vorteil aller „Beteiligten“. Eine Symbiose, die durch das Design der Türme obendrein zum faszinierenden Gebäude-Ensemble geraten soll.
Vorbild Natur
Inspiriert wurde der Entwurf von erodierten Gesteinsmustern in natürlichen Systemen und in Dubais Wüstenoase. AmorphouStudios Plan für die neue Mixed-Use-Anlage basiert unter anderem auf lokalen Umweltdaten. Naturlandschaft und öffentliche Zonen wurden fein aufeinander abgestimmt.
Obwohl die Renderings wie Science Fiction Filmkulissen wirken: Sie versprechen „grüne“ Lebensqualität und hohe Umwelt-Standards.
Die „symbiotschen“ Türme bestehen aus einem Wohngebäude, einem Hotel und einem Büro-Hochhaus. Allesamt mit viel Grün und so angelegt, dass sie angenehme klimatische Verhältnisse bieten. Die Gebäude sind im Erdgeschoss durch einen doppelstöckigen Bereich mit Einkaufszentrum vernetzt.
Zwei Decks, zwei Klimazonen
Der Verbindungsplatz schafft zwei mikroklimatische Zonen, die zu verschiedenen Jahreszeiten genutzt werden können. Die erste davon ist das Unterdeck. Es ist als üppig bepflanzte, halbschattige Grün-Oase mit Bäumen und Wasser konzipiert. Und es soll während der heißen Sommersaison zum angenehmen Treffpunkt werden. Auf einer Ebene mit der umgebenden natürlichen Landschaft angelegt, ist es von allen Seiten zugänglich.
Die zweite Zone ist ein gestrecktes perforiertes Deck. Diese obere Ebene steigt von beiden Enden des Geländes her sanft an und bildet eine erhöhte Plaza. Viele Rampen dienen als zusätzliche Verbindung zur unteren Oase. Durch die Öffnungen nach oben wachsende Bäume sollen dem Platz Schatten spenden.
Sonnenkraft belüftet die Oasen
Die Perforation erfüllt jedoch auch einen weiteren Zweck: In mehreren Öffnungen werden auf baumartigen Strukturen Photovoltaikanlagen installiert. Der aus Sonnenenergie gewonnene Strom soll das Lüftungssystem der Oasen-Ebenen versorgen. Dadurch – in Kombination mit der Beschattung – sollen beide Decks zur mikroklimatischen Umgebung werden. Zu einem Lebensraum, der auch während der heißesten Jahreszeiten genutzt werden kann.
Geometrie und „Häute“ der Wolkenkratzer wurden speziell für Dubais klimatische Bedingungen entwickelt. Exakte Strahlungsdaten der heißesten Saison von Mai bis Oktober wurden bei Form und Ausrichtung berücksichtigt. Die „symbiotischen“ Türme verjüngen und drehen sich. Dadurch verringern sie die Oberfläche dort, wo die Sonne mit höchster Intensität auftrifft.
Durchdachter Hitzeschutz
Anhand der lokalen Klimadaten entwickelte AmorphouStudio ein Konzept, das sogar bei extremen Bedingungen für angenehmes Wohnen sorgt. Denn auch Verlauf, Tiefe und Größe der Balkone orientieren sich an der Sonne.
Wohnungen, die hoher Intensität ausgesetzt sind, haben tiefere Balkone und beanspruchen kleinere Öffnungen in der Fassade. Wo indes weniger direkte Sonne auf die Türme knallt, sind schmalere Balkone und größere Ausnehmungen vorgesehen.
Im Inneren der Türme schaffen ansteigende Lobbybereiche ein transparentes Atrium, das die Stockwerke verbindet. Zugleich wird man dort außergewöhnliche „Schattenspiele“ genießen können. Denn das Licht, das durch die hohen Hohlräume eintritt, zeichnet das Muster der Außenhaut ins Design der Lobby.
Die sparsamen „symbiotischen“ Türme
Die vorab erhobenen Umweltdaten sind ein Schlüsselelement in Architekt Zayad Motlibs Entwurf der „symbiotischen“ Türme. Das passiv belüftete Mikroklima des doppelstöckigen Platzes ist dabei nur ein Aspekt der innovativen Strategie. Der sonst in diesen Breiten nötige, intensive Einsatz von Klimaanlagen wird dadurch reduziert.
Wie hoch die Kosten des ambitionierten Großprojekts sein werden, wagt Chef-Designer Motlib derzeit nicht zu beziffern. Dafür sei es zu früh. Man müsse erst abwarten und die Pläne anpassen, beziehungsweise finalisieren.
Umweltbewusst und visionär
Fix ist, dass der Architekt seine Vision allen Widrigkeiten zum Trotz realisieren will. Sein Ziel lautet: „Umweltbewusste, ökologisch nachhaltige Räume schaffen“. Wie das in Sydney und Dubai ansässigen Studio dabei vorgeht, beschreibt dessen Website: „Unsere Prozesse umfassen einen generativen und verhaltensbezogenen Designansatz“.
Die „symbiotischen“ Türme von Dubai sind ein Beispiel dafür. Sie sollen eine Symbiose zwischen Architektur und natürlicher Umgebung präsentieren. Und sie entsprechen Motlibs Überzeugungen: Ästhetik und Funktionalität schließen sich nicht aus. Innovative Technologie und organisch gewachsene Systeme befruchten sich gegenseitig. Auch kulturelle Aspekte und Nachhaltigkeit sind vereinbar.
Und führt man alle behutsam zusammen, kann entstehen, was den Herausforderungen der Zukunft gerecht wird – zum Vorteil von Mensch und Umwelt.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: AmorphouStudio