Die Stadt von morgen wächst vom Meer in den Himmel
Der italienische Architekt Luca Curci hat eine vertikale Stadt entwickelt, die auf einen Schlag nahezu alle urbanen Probleme lösen könnte. Wo das nachhaltige Wunderding entstehen wird, ist noch nicht klar – dass wir darin aber im Wasser leben sollen, das ist fix.
Glaubt man der Vision des italienischen Star-Architekten Luca Curci, so dürfen wir uns im urbanen Leben auf ziemlich massive Veränderungen gefasst machen! Denn was sein auf Städtebau spezialisiertes Studio soeben präsentiert hat, wäre im Fall einer Realisierung wahrlich bahnbrechend. Zumal dieses Konzept einer Stadt von morgen fast alle Probleme der heutigen Zeit lösen will. Aber alles der Reihe nach.
Stadt von morgen wird senkrecht
Die wohl offensichtlichste Veränderung von Curcis Stadt der Zukunft ist wohl im Grundriss zu finden: Seine Stadt erstreckt sich nicht etwa horizontal auf dem Land, sondern vielmehr vertikal auf dem Meer! So sollen künftig auf insgesamt 580.000 Quadratmetern Nutzfläche in mehreren Türmen 250.000 Menschen zusammenleben.
Die Idee, ein vertikales Stadtsystem zu etablieren, ist übrigens keineswegs kreative Willkür, sondern entspringt einer intensiven Analyse moderner Wolkenkratzer. Diese habe eben ergeben, dass eine senkrecht gedachte Welt die Themen Nachhaltigkeit, Bevölkerungsdichte und Null-Energie-Bauweise am besten vereinen würde. Vorausgesetzt, man würde alle unterschiedlichen Bedürfnisse der Einwohner auf einer gewissen Anzahl von Stockwerken unterbringen, wie Curci in seinem Konzept erläutert.
Wiederkehrende Module
Eben deshalb hat er ein modulares System ersonnen, aus dem die einzelnen Türme der Stadt von morgen zusammengesetzt sein sollen. Vereinfacht ausgedrückt, besteht also jedes Stadtelement aus 180 Stockwerken, die 750 Meter in den Himmel ragen und aus jeweils zehn gleichen Modulen bestehen.
Jedes Modul wiederum ist 72 Meter noch, bietet auf 18 Etagen jeweils 58.000 Quadratmeter Nutzfläche, die sich wiederum auf Wohnräume, Dienstleistungsbereiche, Büros, Geschäfte und gemeinschaftliche Einrichtungen für 2.500 Bewohner aufteilen. Außerdem verfügt jedes Modul über insgesamt 20.000 Quadratmeter Außenflächen, die für Freizeitaktivitäten aber auch für die Nahrungsmittelgewinnung genutzt werden.
Außerdem ist jeder Bau mit einer Photovoltaik-Membran ummantelt, die den gesamten Energiehaushalt des Gebäudes decken und einen etwaigen Überschuss für weitere Objekte – eventuell alte Stadtteile auf dem Festland – bereitstellen kann. Gleichzeitig aber sind die Fassaden durchgängig perforiert, um eine konstante Licht- und Luftzirkulation zu gewährleisten. Selbstredend fließen alle aktuell bekannten erneuerbaren Energiequellen in das Konzept ein: Wind-, Wasser- und Solarturbinen werden ebenfalls integriert wie Energiespeicherlösungen und Wasserentsalzung. Alles soll einer Null-Abfall-Politik folgen.
Stadt von morgen unter dem Meer
Dies gilt freilich alles nur für die oberhalb des Meeresspiegels gelegenen „Stadtteile“. Die darunterliegenden sollen bis zum Meeresboden allerdings genauso genutzt werden. Vorwiegend für Haustechnik und Freizeitbereiche. Neben Spas, Meditations-und Fintenesszentren könnte hier jedoch auch ein Luxushotel mit Unterwasserblick Platz finden.
Wichtig ist dem Architekten auch zu betonen, dass seine „Vertical City“, wie er die senkrechte Stadt selbst bezeichnet, über alle möglichen Wege erreichbar ist: Also zu Wasser, Luft und Land. Das heißt konkret: Das runde Untergeschoss wird mit externen und internen Docks und drei Marineeingängen ausgestattet sein. Große Boote können so an den externen Liegeplätzen anlegen, nur öffentliche oder private kleinere Boote dürfen im Inneren navigieren.
Futuristischer Luxus?
Die Verbindung mit dem Festland soll durch eine halbgetauchte Brücke für Fußgänger und öffentliche Verkehrsmittel geschaffen werden. Darüber hinaus ist jeder Turm mit Hubschrauberlandeplätzen ausgestattet.
Was nun doch ein wenig nach futuristischem Luxus klingt, soll in der Vision der Macher das genaue Gegenteil sein: „Unser Ziel ist es, sicherzustellen, dass Vertical Cities erschwinglich und für alle zugänglich sind“, sagt Luca Curci. Schließlich sei ein weiterer positiver Effekt des senkrechten Baus, dass es keine verarmten Vororte mehr geben kann, meint er. Und: Innerhalb der Wohntürme sollen große und kleine, also günstige und teurere Wohneinheiten miteinander vermischt werden, um keine vertikale Ghetto-Bildung zu ermöglichen.
Auch wenn all diese Ausblicke in die Stadt der Zukunft wohl durchdacht sein mögen, stellt sich freilich die Preisfrage: Wo soll die erste „Vertical City“ errichtet werden? Der Architekt hat sein Konzept vorerst einmal in Dubai verortet. Hier gäbe es zumindest ansatzweise das Geld für diese besonders nachhaltige Stadt. Dass die finanziellen Mittel vielleicht weniger nachhaltig herbeigeschafft würden, dürfte bei Luca Curci also keinen inneren Konflikt auslösen. Wir sind jedenfalls schon ziemlich neugierig.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Vertical City / Luca Curci