„Die Hotellerie wird wieder funktionieren“
Corona hat die Hotelbranche massiv getroffen. Wie der Weg aus der Krise gelingen kann, wurde beim „Real Estate Circle“ in Wien diskutiert. Der Sommer 2021 lieferte dafür schon einen ersten Geschmack. Das zeigte ein Panel mit UBM-Vorstandsmitglied Martina Maly-Gärtner und Gerhard Aigner, Geschäftsführer der Verkehrsbüro Hotellerie GmbH.
Jetzt heißt es, innovativ und kreativ zu sein, aber gleichzeitig auch umsichtig und wachsam.“ So lautete der Grundtenor eines der Schwerpunkte des „Real Estate Circle“ im Vienna Hilton Danube Waterfront, den Hotel-Immobilien. Dieser Themenkomplex wurde bei der hochkarätigen Konferenz in drei eigenen Sessions erörtert. Die Palette reichte dabei von „Krisengewinnern“ und „Alternativnutzungen“ über „Opportunitäten am Markt“ bis hin zu „Wie partnerschaftlich das Verhältnis zwischen Pächtern und Verpächtern ist“.
Flexibilität ist Trumpf
Zu letzterem Punkt diskutierten Martina Maly-Gärtner – bei der UBM Development AG als COO für den Bereich Hotels zuständig – und Gerhard Aigner vom Verkehrsbüro, Österreichs größtem operativem Tourismuskonzern und führendem Hotelbetreiber. Fazit dieses Gesprächs laut Maly-Gärtner: „Wir wissen, dass die Hotellerie wieder funktionieren wird. Nur wann und wie, hängt von unserer Flexibilität ebenso ab wie von den Maßnahmen der Regierenden.“
Dass die Krise dem Hotelmarkt enorm zugesetzt hat, ist ein Faktum. Wie sehr, skizzierte Gerhard Aigner so: „Das Verkehrsbüro als gesamtes Tourismusunternehmen hat es hart getroffen. Es gab von einem Tag auf den anderen gar keinen Umsatz: weder in der Beherbergung, noch in der Gastronomie und schon gar nicht im Reisebüro. Besonders gelitten haben die Stadthotellerie und der Bereich Geschäftsreisen.“
Rollercoaster Ride
Auch Martina Maly-Gärtner konnte das nur unterstreichen. Sie war von 2018 bis Anfang 2021 als COO für das Hotelportfolio und die Strategie-Entwicklung der Arabella Hospitality der Schörghuber Gruppe mit Sitz in München verantwortlich: „Es war ein Rollercoaster Ride für alle Beteiligten. Auch deshalb, weil Hilfsmaßnahmen für große Unternehmen wie UBM und Schörghuber erst sehr spät gekommen sind.“ Demnach sei etwa argumentiert worden: „Die Großen können die Krise besser überleben, weil sie über eine andere Diversifikation, also über zusätzliche Asset-Klassen und Geschäftsbereiche verfügen, wie zum Beispiel die Schörghuber Gruppe mit Paulaner Bier.“
Auch große Unternehmen müssen wettbewerbsfähig bleiben. Wenn keine Fördermöglichkeiten vorhanden sind, kann ich die Arbeitsplätze nicht halten.
Martina Maly-Gärtner, bei UBM Development als COO für den Bereich Hotels zuständig
Für UBM wiederum sei erschwerend dazugekommen, dass man „mit Standorten in Deutschland, Polen und Österreich auf unterschiedliche Kurzarbeits- und Fördermodelle Rücksicht nehmen musste.“ Wichtiger Zusatz: „Auch große Unternehmen müssen wettbewerbsfähig bleiben. Wenn keine Fördermöglichkeiten vorhanden sind, kann ich die Arbeitsplätze nicht halten“, so Maly-Gärtner.
Ohne gute Partnerschaft keine Zukunft
Zum eigentlichen Thema der Session wurde eine Umfrage unter der Zuhörerschaft gemacht. Die Frage lautete, ob der Umgang zwischen Pächtern und Verpächtern eher partnerschaftlich oder über ein klassisches Vertragsverhältnis geregelt sein sollte. 88 Prozent der Anwesenden votierten dabei für eine gute Partnerschaft, 12 Prozent ausschließlich für Kontrakte.
Ziemlich genau dieses Ergebnis bestätigte auch Gerhard Aigner aus der Erfahrung der vergangenen 18 Monaten. „Wir haben 25 Betriebe mit Pacht-, Management- und sogar Mietverträgen. Mit allen bis auf zwei konnten wir eine Einigung erzielen. Mit manchen gibt es zwar noch ein paar offene Punkte, aber keinen Streit, sondern eine offene Diskussion.“ Die überwiegende Anzahl der Verpächter, mit denen man zusammenarbeite, sei eben daran interessiert gewesen, gemeinsame Lösungen zu finden, so Aigner: „In einer Partnerschaft lautet die Devise: `Wie verteilt man das Unglück?´ Denn viel Glück gab es in dieser Zeit nicht zu verteilen.“
Mut zur Veränderung
Auch Martina Maly-Gärtner sprach sich dafür aus, „den Mut zu haben, Verträge aufzulösen und neu zu gestalten.“ Mit folgendem Ansatz: „Ja, vor Corona war das ein tolles Projekt, aber jetzt muss man das komplett umstrukturieren. Und das haben wir sehr erfolgreich gemacht, um unser Portfolio zu managen.“
Als Developer bauen wir, um zu verkaufen. Wenn ein Objekt verkauft ist, bleiben wir großteils als Betriebsgesellschafter drinnen – meist in Zusammenarbeit mit einer großen internationalen Brand. Das ist unser Geschäftsmodell.
Martina Maly-Gärtner, über das Geschäftsmodell von UBM Development
Da UBM vorrangig City-Hotels im Portfolio habe, sei ein rasches Reagieren permanent gefragt gewesen. „Wann sperrt man auf, wie lange brauche ich, um wirkliche eine Auslastung zu erreichen?“, so Maly-Gärtner. Daher sei es anfänglich auch nur um Schadensbegrenzung gegangen. „Man musste hier sehr partnerschaftlich zusammenrücken. Nicht nur mit dem Eigentümer, sondern auch mit dem Betreiber. Hier war es wichtig, sehr transparent zu sein und gemeinsame Lösungsansätze zu entwickeln.“
Hin zu „green. smart. and more.“
Dazu müsse man die generelle Strategie von UBM im Hotelsegment kennen, so die Vorständin, die über zehn Jahre Erfahrung im operativen Hotelmanagement in Amerika, dem Nahen Osten und Europa bei internationalen Hotelketten verfügt: „Als Developer bauen wir, um zu verkaufen. Wenn ein Objekt verkauft ist, bleiben wir großteils als Betriebsgesellschafter drinnen – meist in Zusammenarbeit mit einer großen internationalen Brand. Das ist unser Geschäftsmodell und daher legen wir großen Wert auf langfristige Partnerschaften.“
Im August hatten wir eine Auslastung von 66 Prozent, das ist gut. Dieser Trend hat sich auch im September fortgesetzt.
Gerhard Aigner, Verkehrsbüro
Eine weitere Entwicklung bei UBM gehe weg vom klassischen Hotel und hin zu Lösungen, die unter dem Motto „green. smart. and more.“ firmieren. Als Beispiel dafür wurde etwa im polnischen Katowice, eigentlich einer klassischen Industriestadt, erst Anfang September 2021 ein „Öko-Hotel“ der Accor-Gruppe eröffnet, das gleich auf großes Interesse stieß, wie Maly-Gärtner betonte: „Das ist eine große Freude, wenn man sieht, dass es hier von Anfang an eine gute Buchungslage gibt.“
Ein Sommer fast wie damals
Der Sommer 2021 hat bereits einen eindeutigen Geschmack davon gegeben, wo es wieder hingehen sollte. „Beginnend mit Juli haben wir einen Großteil unserer Häuser, aber nicht alle geöffnet“, so Gerhard Aigner. „Im August hatten wir eine Auslastung von 66 Prozent, das ist gut. Dieser Trend hat sich auch im September fortgesetzt.“
Wir haben gesehen, dass Videokonferenzen sehr effizient sein können.
Martina Maly-Gärtner, UBM Development AG
Auch UBM konnte sich im Sommer über sehr positive Zahlen freuen, wie Maly-Gärtner erklärte. „Man muss es allerdings von den Märkten her differenzieren. Wien, München und Frankfurt etwa haben sich sehr stark auf den internationalen Markt fokussiert. Daher hatten wir dort eine viel geringere Auslastung als etwa in Hamburg, Krakau oder Gdańsk, wo wir sensationelle Werte erreichten. Oder in Berlin, das sich zu einer unglaublichen Leisure-Stadt entwickelt und wo wir bei über 80 Prozent Auslastung lagen.“
Trend zum ausgelagerten Home-Office
Dass sich das Reisen definitiv ändern wird, ist den Playern am Markt von Haus aus klar. Eine Chance besteht für Maly-Gärtner etwa in der Verknüpfung von Arbeiten und Reisen. „Wir haben gesehen, dass Videokonferenzen sehr effizient sein können. Aber ich kann ja auch wo anders im Home-Office sein. Wenn ich einen Business-Trip mache, hänge ich zwei Arbeitstage dran und bleibe dann noch übers Wochenende dort. Hier verschmilzt Business wieder mit Leisure.“
Ganz generell erkenne man eine große Bereitschaft zum Reisen, sowohl beruflich als auch im Wochenendtourismus. „Das ist schön zu sehen, dass der Leisure-Bereich wieder da ist. Daher stammt auch mein Optimismus, weil wir ja wissen, dass der nationale Tourismus boomt.“ Viel schwieriger sei der internationale Markt abzuschätzen und ob dieser 2023 oder 2024 wieder anspringen werde.
Ausziehbare Betten für Familien
Hier sei Handlungsbereitschaft in jeder Hinsicht gefragt. „Wir dürfen jetzt nicht in einer Warteposition bleiben, sondern müssen agieren und die richtigen Produkte am Markt haben“, gab Maly-Gärtner bei dem Talk die zielstrebige Richtung vor.
In den Verträgen wird es zukünftig sicher eine Pandemieklausel geben.
Gerhard Aigner, Verkehrsbüro
Wie das in der Praxis aussehen könne, zeigte die UBM-Vorständin anhand eines ganz konkreten Beispiels auf. „Wir haben in allen Hotels ausziehbare Betten gekauft, um auch den Familien den nötigen Komfort zu bieten. Man muss eben auf allen Ebenen kreativ werden und neue Produkte finden.“
Wohin die Reise geht
Rein rechtlich und wirtschaftlich betrachtet, erwartet Gerhard Aigner ein ganz neues Zeitalter. „In den Verträgen wird es zukünftig sicher eine Pandemieklausel geben. Zudem werden die Sicherheiten im Hintergrund eines jeden Projekt höher werden. Und wir werden vorsichtiger sein. Also zuerst die Situation beobachten und dann handeln. Mutig mit volle Kanne Risiko hineingehen, macht jetzt keinen Sinn.“
Dennoch ist der Verkehrsbüro-Geschäftsführer, der rund 3.600 Zimmer und fast 7.000 Betten verwaltet, nicht per se pessimistisch gestimmt. „Zu Beginn der Pandemie hat es geheißen: `Es werden viele Betreiber nicht überleben.´ Das ist zum Glück nicht eingetreten – auch dank der Förderungen. Aber nach mittlerweile 18 Monaten sind die Herausforderungen immer noch groß. Es ist ein ständiges Auf und Ab, ein Zickzack-Kurs.“
Mitarbeiter der Zukunft?
Maly-Gärtner sieht trotz viel Optimismus zwei große Herausforderungen am Horizont: „Zum einen haben wir eine Rohstoffknappheit, die den Markt treibt und unsere Kosten zusehends steigen lässt. Zum anderen herrscht ein großer Fachkräftemangel, den wir strukturell angehen müssen, indem wir uns fragen: `Wer ist unser zukünftiger Mitarbeiter?´“
Text: Martin Obermayr
Fotos: Real Estate Circle | UBM Development AG