Die (Arbeits-)Welt nach Corona
Im Architektur- und Designstudio von Perkins Eastman trifft Zukunft auf Tradition: Es bietet nachhaltige Inspirationen für eine sich verändernde Welt, birgt Ideen für eine Post-Covid-Zusammenarbeit und ist gleichzeitig eine Hommage an die ehemalige Stahl-Stadt Pittsburgh.
Dann kam Corona und plötzlich war alles anders. Mit diesem Satz lassen sich weltweit wohl viele Projekte in den vergangenen zwei Jahren beschreiben. So auch der Umbauprozess für das neue State-of-the-Art-Office von Perkins Eastman in der Sportmetropole Pittsburgh, Pennsylvania. Perkins Eastman ist ein globales Architektur- und Designbüro, das weltweit über insgesamt 22 Standorte verfügt: von US- und kanadischen Metropolen über Dubai, Mumbai und Shanghai bis nach Guayaquil, der größten Stadt Ecuadors.
Alles neu denken
Jedenfalls befand man sich in Pittsburgh gerade in der Anfangsphase der Planung der neuen Räumlichkeiten im 25. Stockwerk des 525 William Penn Place, als im März 2020 von der Weltgesundheitsorganisation die Covid-19-Pandemie ausgerufen wurde. Schnell war abzusehen, dass sich Büro- und Arbeitswelten durch die neuen Umstände nachhaltig verändern werden.
Also haben Lee Pellegrino und Jeff Young, die beiden Co-Manager des Pittsburgh-Standorts, kurzerhand ihr Team beauftragt, das Thema Büro „neu zu denken“. Dazu wurden nicht nur aktuelle Trends beleuchtet, sondern auch Umfragen unter Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gestartet. „Mit unserem Studio eröffnen wir ein neues Kapitel in der Art und Weise, wie wir zusammenarbeiten, wie wir voneinander lernen und wie wir mit unserer Mission ‚Human by Design‘ wachsen können“, erklärt Lee Pellegrino.
Mein rechter, rechter Platz ist frei …
Die Pandemie brachte vor allem eine Neuerung in der Arbeitswelt mit sich: das Homeoffice. Da man bei der Planung der neuen Räumlichkeiten davon ausging, dass ein Teil der Mitarbeiter auch langfristig von zu Hause oder unterwegs arbeiten würde, reduzierte man die Zahl der traditionellen, großen Schreibtische um mehr als die Hälfte.
Ein Geschäftsführer kann neben einem Praktikanten sitzen. Wir begrüßen diese Art von Beziehungen, weil wir glauben, dass sie unser Unternehmen besser machen.
Jeff Young, Manager Perkins Eastman
Die Auswahl des jeweiligen Arbeitsplatzes in dem hellen, luftigen Raum passiert heute nach dem „first come, first served“-Prinzip. „Ein Geschäftsführer kann neben einem Praktikanten sitzen. Wir begrüßen diese Art von Beziehungen, weil wir glauben, dass sie unser Unternehmen besser machen“, beschreibt Jeff Young die neue Arbeitsplatzstrategie im Magazin Office Snapshots.
Austausch und Verbindungen schaffen
Die Rolle des Büros sieht man Perkins Eastman mehr denn je als eine verbindende. Lee Pellegrino skizziert warum: „Das Zusammensein in einem Raum, insbesondere in einer Umgebung ohne fixe Arbeitsplätze, schafft Möglichkeiten für unerwartete Zusammenarbeit und Mentoring. Diese zufälligen Interaktionen können zu Innovationen führen, die sonst nicht zustande kämen.“
Platz für Austausch und gemeinsames Schaffen an einem Designprozess gibt es genug. So stehen eine Vielzahl an Sitzgelegenheiten – Thekensitze, Stehtische, Sofas, Kabinen – ebenso zur Verfügung wie offene Workshop-Räume, die mit Filztafeln, magnetischen Whiteboards und Monitoren ausgestattet sind. Aber auch Fokusbereiche für konzentriertes Arbeiten werden von den Mitarbeitern gerne in Anspruch genommen.
Makers gonna make
Auch in der sogenannten „Maker Box“ kann allein oder gemeinsam an Objekten getüftelt werden. Sie ist quasi ein Studio im Studio und befindet sich in der Nähe des Haupteingangs. Hier stehen die richtig coolen Arbeitsmittel von Perkins Eastman im Mittelpunkt: Modellbaumaterialien, 3-D-Drucker und Virtual-Reality-Tools.
An der Außenseite der Maker Box, die mit einer maßgefertigten Holzplatte verkleidet ist, befinden sich an einer Seite Haken für Schutzhelme und Bauwesten. Fotos und Fakten über die Mitarbeiter von Pittsburgh schmücken eine andere Seite.
Pittsburgh – charmanter als sein Ruf
Pittsburgh selbst hat eine Strukturwandlung hinter sich, die weltweit als beispielhaft gilt. Von einer krisengebeutelten Schwerindustrie- und Stahlstadt (Spitznamen „Steel City“ und „Iron City“) in den 1970er-Jahren entwickelte sie sich zu einem Ort mit einer eindrucksvollen Wirtschaftsstruktur an „sauberen“ Branchen und touristischen Highlights.
Heute dominieren in Pittsburgh Unternehmen, die im weitesten Sinne im Gesundheitswesen und in der Technologie tätig sind. Auch renommierte Bildungseinrichtungen nehmen hier einen großen Platz ein. Wenn es um die Wirtschaft und den Wohlstand in Pittsburgh geht, darf natürlich ein Name nicht fehlen: Die Stadt im US-Bundesstaat Pennsylvania ist die Heimat des Unternehmens Heinz, das vor allem dank seines Tomatenketchups Weltruhm erreicht hat.
Perkins Eastman – Eine Hommage an die Historie
Die raue und aufregende Geschichte von Pittsburgh spiegelt sich im Office von Perkins Eastman wider: mit polierten Originalbetonböden und -säulen bis hin zu den hohen, freiliegenden Decken und Rohrleitungen. Neben den optischen Aspekten ging es dabei auch darum, auf einen zusätzlichen Aufwand und weiteren Ressourcenverbrauch zu verzichten.
Aus Gründen der Nachhaltigkeit wurde außerdem auf viel Tageslicht und eine minimale Anzahl von Wänden gesetzt. Ein positiver Effekt ist, dass sich durch die Sitzgelegenheiten und zwanglosen Treffpunkte entlang der Fenster eine wunderbare Aussicht auf die Innenstadt und die umliegenden Stadtteile, Flüsse und Hügel eröffnet.
Fahr nicht fort, kauf im Ort
Für Perkins Eastman war ebenfalls wichtig, die Handwerkskunst lokaler Künstler und Hersteller zu präsentieren. Zu den herausragenden Stücken gehören etwa ein maßgefertigter Couchtisch aus regionalem Eichenholz von Urban Tree, mobile Whiteboards mit Rohstahlrahmen von Standard & Custom oder Porzellanfliesen der Keramiker von Limelight.
Überhaupt war die materielle Transparenz ein wesentliches Ziel des Projekts, so die Verantwortlichen von Perkins Eastman: „Mehr als 95 Prozent der fest installierten Materialien und Möbel erfüllen die Kriterien für niedrige Emissionen. Fast 60 Prozent der Materialien haben eine Umweltproduktdeklaration und 61 Prozent erfüllen die Kriterien für die Angabe der Inhaltsstoffe. Zudem wurden 80 Prozent der Bauabfälle nicht auf die Mülldeponie verbracht, sondern wiederverwendet oder recycelt.“
Ausgezeichnetes gehört ausgezeichnet
Dass das gesamte Team von Perkins Eastman vom neuen Office restlos ergriffen ist, bringt Communications-Spezialistin Jennica Deely auf den Punkt: „Wir sind wirklich begeistert von diesem Raum – sowohl wegen der großen gestalterischen Veränderung, die wir inmitten der Pandemie vornehmen mussten, als auch wegen der beeindruckenden Reduzierung von CO2 und der Konzentration auf Qualität statt Quantität.“
Kein Wunder, dass das Projekt vom AIA Pittsburgh (American Institute of Architects) einen „Design Pittsburgh 2021 Award“ erhielt. Die Juroren dazu: „Das Projekt ermöglicht eine kontinuierliche Auseinandersetzung mit der Frage, wie der Arbeitsplatz der Zukunft aussehen könnte und was das für unseren CO2-Fußabdruck und Energieverbrauch bedeutet. Sehr gut gemacht!“ Finden wir auch.
Text: Martin Obermayr
Fotos: Andrew Rugge für Perkins Eastman