Der Villen-Turm von Montevideo

Mitten in der Stadt zu residieren hat unbestritten Vorteile. Doch spätestens wenn Nachwuchs kommt, zieht es viele Familien schnurstracks in die Peripherie oder aufs Land. Beseelt vom Wunsch nach Bewegungsfreiheit, Grün und einem eigenen Haus. Ein Trend, der sich – wie in vielen anderen Städten – auch in Uruguays Hauptstadt Montevideo bemerkbar macht. Dort soll ein neues Projekt nun zeigen, dass es auch anders geht. Denn das niederländische Erfolgsbüro MVRDV baut „Ziel“: Ein 15-stöckiges Gebäude, das wie ein Turm aus Gartenhäusern wirkt und Familienwohnungen mit Villen-Feeling verspricht.

City-Wohnen, neu gedacht

Mit der jüngst erteilten Baugenehmigung ist der Startschuss für „Ziel“ endgültig gefallen. Für Bauträger IXOU von MVRDV in Kooperation mit dem ausführenden Architekten Monoblock entworfen, soll die Anlage zum Musterbeispiel erstrebenswerten City-Wohnens werden. Mitten in Montevideos dichtem Stadtteil Punta Carretas. 

Wobei: Schon der Standort selbst kann durchaus mit Pluspunkten aufwarten. Immerhin entsteht der außergewöhnliche Villen-Turm nur einen Block vom Meer entfernt an der Südspitze der Metropole. Und zwar auf einem Eckgrundstück neben dem Park Villa Biarritz, der als grünes Herz des Viertels gilt. Was das Projekt so spannend macht, geht jedoch weit über Strandnähe und Nachbarschaft urbanen Grüns hinaus. 

Wie ein Stapel aus Einfamilienhäusern

MVRDV hat „Ziel“ als lockeres Zusammenspiel unregelmäßig übereinander gestapelter Einheiten konzipiert, die – jede für sich – genauso gut als Einzelhaus bestehen könnte. Das Design ist offen und durchlässig. So, dass Licht und Luft den gesamten Komplex durchdringen können, und viele grüne Flächen entstehen, die Bewohnern aller Altersgruppen ein Extra an Lebensqualität bieten.

Die Tiefe des Grundstücks wird genützt, um einen begrünten Innenhof anzulegen, der dafür sorgt, dass jede Wohnung ausreichend Licht erhält. Das Grün des Parks wird in die gesamte Struktur integriert – vom Innenhof selbst bis zu den privaten Terrassen und den gemeinsamen Freiflächen, die „Ziel“ auf verschiedenen Ebenen zusätzlich bekommt. 

Outdoor-Komfort für alle

Jede Wohnung verfügt über einen großzügigen Balkon oder eine Loggia. Die unterschiedlichen Grundrisse der 40 neuen Domizile schaffen zehn individuelle Varianten. Die meisten davon verfügen über drei Schlafzimmer. „Ziel“ bietet aber auch eine Zweizimmerwohnung im ersten Stock und vier große Eck-Apartments mit vier Schlafzimmern in den oberen Etagen.

 „In Montevideo, wie auch in vielen anderen Städten, ist es üblich, dass die Menschen wegziehen, sobald sie eine Familie gründen. Sie kaufen eine Villa auf dem Land. So geht der Stadt Vitalität verloren“, analysiert MVRDV Gründungspartner Jacob van Rijs. Und der Architekt erklärt die Idee, die hinter dem Konzept des „Ziel“ Neubaus steht: „Was wäre, wenn wir ihnen die gewünschte Villa geben könnten, sie aber gleichzeitig in der Stadt halten, indem wir eine Kombination aus urbanem und vorstädtischem Lebensstil anbieten?“

Der Entwurf sei als Beweis dafür gedacht, dass sich die Weite und Natur des Landes auch im zehnten Stockwerk mitten in der Stadt genießen lässt, erläutert MVRDV Partner Frans de Witte. Möglich wird dies durch die verschachtelte Struktur, die dem Villen-Turm zugrunde liegt. 

Lebensqualität im „Ziel“

Im zweiten, vierten, sechsten und achten Stockwerk befinden sich Patios, die von allen Bewohnern des Gebäudes gemeinsam genutzt werden. Jeder davon bildet einen zweigeschossigen Freiraum, der die Straße mit dem Innenhof verbindet. Als bepflanzte Outdoor-Zonen bringen sie Licht und frische Luft in den tiefen Innenhof. Und sie machen den „Ziel“ Komplex ebenso transparent, wie optisch interessant. Sowohl für die Bewohner der innen liegenden Wohnungen, die dadurch Blick über den Hof hinaus genießen, als auch für Passanten, denen so Sicht ins Innere des Gebäudes gewährt wird.

Die grünen „Himmelsgärten“ haben zwar Gemeinsamkeiten, was die Designsprache betrifft. Allerdings bekommt jeder davon einen eigenen Charakter und ein eigenes Programm. Die „Ziel“ Bewohner finden dort Raum für unterschiedliche Aktivitäten und profitieren vom herrlichen Blick auf den Ozean und die Stadt. Zum Beispiel auch vom Pool aus, der auf einer der offenen Terrassen zur Entspannung lädt. Das Restaurant im Erdgeschoss indes steht auch „hausfremden“ Gästen offen und soll zur Belebung des ganzen Stadtviertels beitragen.

Individuell und doch verbunden

Den aus individuellen „Villen“ zusammengesetzten Komplex gestaltet MVRDV als Reihe von Steinblöcken in verschiedenen, aber komplementären Farben. Dieses Konzept ergibt eine harmonische Palette warmer, erdiger Töne. Die vier unterschiedlichen, für die Fassade verwendeten Stein-Varianten unterstützen den Eindruck, dass jede Wohnung eine eigenständige Einheit bildet. Für optische Verbindung sorgen die bronzefarbenen Fensterrahmen, die die Außenhaut zieren.

Die vielen Auskragungen des „Ziel“ Komplexes schützen vor zu heftiger Sonneneinstrahlung und helfen so, den Energieverbrauch zu senken. Ebenso, wie die Durchlässigkeit des Gebäudes, die natürliche Belüftung und damit Kühlung der Wohnungen erleichtert. 

„Ziel“ setzt auf Nachhaltigkeit

Sonnenkollektoren auf dem Dach werden zur Deckung des Energiebedarfs der 11.000 Quadratmeter umfassenden Anlage beitragen. Die Rundum-Begrünung fördert die Artenvielfalt. Und ein Wasser-Auffang- und -Rückhaltesystem, das auch für die Bewässerung der Grünanlagen genutzt wird, verringert die Auswirkungen auf die lokale Umwelt. Dies und mehr soll den ökologischen Fußabdruck des Projekts positiv beeinflussen. Denn MVRDV strebt immerhin LEED Platinum Zertifikation an.

Geht es um intensiv begrünte Wohngebäude und extravagant geformte Fassaden, macht das renommierte Büro MVRDV inzwischen immer öfter von sich reden. Projekte wie „Green Villa“ im Süden der Niederlande oder das spektakuläre Hochhaus „O“ in Mannheim sind nur zwei Beispiele für die Kreativität des niederländischen Architektenteams. Was die Wohnungen im neuen Komplex in Montevideo kosten werden, verrät die Website des Entwicklers IXOU derzeit noch nicht. Und so bleibt abzuwarten, ob der schöne Villen-Turm namens „Ziel“ sein Ziel erreicht, junge Familien in der Stadt zu halten.  

Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: MVRDV