Knie's Zauberhut, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz, Holzbau
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Der Trick mit dem Zauberhut

Was macht ein Zirkus, wenn er sesshaft wird? Richtig. Er tauscht sein Zelt gegen ein prismatisch gekrümmtes Schalentragwerk aus Holz. Knie’s Zauberhut brilliert in der Königsdisziplin des Ingenieur-Holzbaus.

Das Otarium war 20 Jahre lang das Zuhause der Seelöwen. Doch die Infrastruktur von Knies Kinderzoo in Rapperswil am Zürichsee war in die Jahre gekommen. Zwar sorgten die Seelöwen stets für volle Zuschauerränge, doch die Kritik von Tierschützern wurde trotz Übererfüllung der gesetzlichen Standards immer lauter. Schließlich entschied sich der Zoo, das Otarium aufzulassen und stattdessen „etwas Multifunktionales“ zu bauen, das für verschiedene Konzepte genutzt werden könne.

Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz
Ein Zirkuszelt aus Holz: In Knie’s Zauberhut finden das ganze Jahr über Veranstaltungen und Events statt.

Eventlocation mit Zirkusflair

So entstand die Idee zu Knies Zauberhut, einem neuen geschäftlichen Standbein der weitverzweigten Zirkusdynastie Knie. Statt auf dressierte Seelöwen setzt man heute weltgewandt auf eine ganzjährig bespielbare Eventlocation mit einer kräftigen Prise Zirkusflair. Während untertags Vorstellungen für Kinder laufen, können Firmen hier abends ihre Gala ausrichten. Bis zu 500 Personen fasst der imposante und konstruktiv sehr anspruchsvolle Holzbau. 

Der 26 Meter hohe Turm ist der neue Blickfang in Knies Kinderzoo. Es handelt sich um ein prismatisch geformtes Schalenfaltwerk, das an der Fassade mit unregelmäßig geformten Metallschuppen bedeckt ist. Das Freiform-Bauwerk gilt im Ingenieur-Holzbau als höchste Disziplin, weshalb man auch die erfahrenen Holzbauingenieure von Blumer Lehmann mit der Planung, der 3D-Modellierung und der Vorfertigung der Holzbauteile beauftragte. Der Entwurf für den außergewöhnlichen Bau stammt vom Schweizer Büro Carlos Martinez Architekten, die gemeinsam mit dem Ingenieurbüro Pirmin Jung eine optimale Tragwerkstruktur ermittelten, „um ein möglichst geringes zu beheizendes Gebäudevolumen bei frei überspanntem Grundriss und der nötigen Gebäudehöhe für Trapezkünstler zu gewährleisten“, präzisiert Thomas Riemer von Pirmin Jung.

Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz
Der 26 Meter hohe Turm ist die neue architektonische Attraktion von Knie’s Kinderzoo in Rapperswil am Zürchersee.

Acht Monate Bauzeit

Von der Planung bis zur Fertigstellung vergingen nur acht Monate, ein zeitlicher Rahmen, der für alle Beteiligten eine Herausforderung darstellte. „Vom Zirkus bin ich es gewöhnt, dass man schnell aufbaut und abbaut. Doch was hier geleistet wurde, ist unglaublich“, schwärmt Bauherr Franco Knie Senior angesichts der schnellen Montage. 

Die einzelnen Bauteile wurden im Werk von Blumer Lehmann produziert und komplett vorgefertigt. Auch die Metallfassade wurde angebracht, wodurch die Komponenten auf der Baustelle nur mehr zusammengesetzt werden mussten. Aufgrund der schweren Lasten war die Montage für einen Holzbau recht anspruchsvoll.

Montage, Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz
Aufgrund der schweren Bauteile war die Montage eine Herausforderung.

Die 470 Holzelemente mussten auf den Millimeter exakt zusammenpassen. Das war für uns eine Zitterpartie.

Richard Jussel, Projektentwicklung und Verkauf, Blumer Lehmann

Die großen Dachelemente der Konstruktion wiegen je vier Tonnen, der oberste, zylindrische Teil wurde als Ganzes montiert und wog satte 20 Tonnen. „Die 470 Holzelemente mussten auf den Millimeter exakt zusammenpassen. Das war für uns eine Zitterpartie“, sagt Richard Jussel von Blumer Lehmann.

Dach Detail, Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz
Zur Planung des Bauwerks diente ein parametrisches Modell.

Metallschuppen, Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz
Der Zauberhut ist an der Fassade mit Metallschuppen bedeckt.

Parametrisches Modell zur Planung

Dank der hohen Vorfertigung sind im Holzbau kürzere Bauzeiten möglich, und die Lkw-Fahrten zur Baustelle betragen nur einen Bruchteil verglichen mit einer mineralischen Bauweise. „Wir arbeiten generell gerne mit Holz“, erklärt Architekt Carlos Martinez. „Wegen der schnellen Umsetzbarkeit, vor allem aber aus Umweltgründen.“

Es gehört zum Auftrag eines Zoos, Themen wie Artenschutz und Umweltschutz zu vermitteln.

Franco Knie Senior, Zirkusdirektor und Elefantendresseur

Insgesamt hat man im Tragwerk und bei der Innenverkleidung 224 Kubikmeter Fichte und Tanne verbaut. Zusätzlich zur Planung übernahm Blumer Lehmann auch die Modellierung. Man erstellte ein parametrisches Modell und konnte dadurch die Höhe und den Durchmesser des Gebäudes anpassen. Dem Architekten half es bei der Designfindung, die Holzbauingenieure konnten dadurch die Prozesse der Produktion und der Montage genauer betrachten.

Knie's Zauberhut, Holzbau, Zirkus Knie, Carlos Martinez Architekten, Rapperswill, Schweiz

Ein Zirkus wird (beinahe) sesshaft

Damit die magische Location auch multifunktional nutzbar ist, hat man sie mit einem versenkbaren Bühnenpodest sowie einer Auszieh-Tribüne ausgestattet. Für den Zirkusbetrieb bedeutet der Neubau ein gewisses Sesshaftwerden, auch wenn der Schweizer National-Circus Knie, der 2019 sein 100-jähriges Bestehen feierte, noch regelmäßig durch die Kantone tourt. Ein Prozess, der bereits mit Knies Kinderzoo, der Teil seines Winterquartiers ist, seinen Anfang nahm.

Mit dem Holzbau ist man diesmal auch imagemäßig auf der sicheren Seite. Franco Knie Senior, der zu den besten Elefantendresseuren der Welt zählt, sieht die nachhaltige Bauweise als Teil seiner Verantwortung: „Es gehört zum Auftrag eines Zoos, Themen wie Artenschutz und Umweltschutz zu vermitteln.“

Text: Gertraud Gerst
Fotos: Carlos Martinez Architekten, Blumer Lehmann

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