Das „unsichtbare“ Spiegelhaus
Wie kann mitten im Gestein kalifornischer Wüstenlandschaft plötzlich ein Stück Himmel leuchten? Ganz einfach: Filmproduzent Chris Hanley ließ sich in Joshua Tree ein „unsichtbares“ Spiegelhaus errichten. Eines, das der Natur eine oscar-reife Bühne bietet.
Felsen, Sand und karge Vegetation, so weit das Auge reicht. Am Rande des kalifornischen Joshua Tree Nationalparks, gut zehn Minuten vom gleichnamigen Städtchen, tut sich stille Wüstenlandschaft auf. Unberührt und menschenleer, wie’s scheint. Doch, Achtung: Sieht man plötzlich mitten im Gestein ein weißes Wölkchen ziehen, muss dies nicht am Genuss halluzinogener Substanzen liegen. Denn Architekt Tomas Osinski hat für Filmproduzent Chris Hanley hier ein Eigenheim gebaut, das optisch wundersame Streiche spielt: Ein Spiegelhaus, das sich unsichtbar macht, um der Natur die Bühne zu überlassen.
Dass Chris Hanley ein Faible fürs Außergewöhnliche hat, zeigen nicht allein von ihm produzierte Filme wie „American Psycho“, „Buffalo ´66“ oder „London Fields“. Der US-Amerikaner startete seine Karriere im Musikgeschäft und machte sich einen Namen als Promoter zeitgenössischer Kunst von Andy Warhol bis Jean-Michel Basquiat, ehe er ins Movie-Business wechselte. Inzwischen gilt sein Interesse auch kreativ-innovativer Architektur.
Vom Container- zum Spiegelhaus
Ein Containerhaus, das Hanley für sich und seine Frau – Actrice, Regisseurin und Drehbuch-Autorin Roberta Hanley – in Auftrag gab, wurde gar zum Aushängeschild des aktuellen Containerhaus-Trends. Vom britischen Architekten James Whitaker entworfen, ziert es das Cover des im Gestalten-Verlag erschienenen Bildbandes „Container Atlas“.
Was der erfolgreiche Produzent sich von Tomas Osinski bauen ließ, ist allerdings nicht minder spektakulär. Das im Vorjahr fertiggestellte Spiegelhaus nahe Joshua Tree fügt sich wie ein Chamäleon in die Umgebung ein. Es verändert sein Aussehen mit Tageszeit, Wetter und Vegetation. Seine 510 Quadratmeter Fläche verbergen sich nahezu unsichtbar in der Natur des rund 36 Hektar großen Grundstücks der Hanleys.
„Unsichtbar“ wohnen im Naturparadies
Außer der unbefestigten Zufahrtsstraße verrät da nichts, dass in der Wüstenlandschaft ein Stück spannender Architektur entstanden ist. Und doch: Das „Mirrored House“ ist da – und bietet seinen Bewohnern hohe Lebensqualität.
Alle Außenwände des Spiegelhauses bestehen aus stark wärmereflektierendem „Solarcool“ -Glas. Ein „Cool“-Dachisolationssystem mit FCKW-freiem, geschlossen-zelligem Polyäthylen-Schaum und die Gebäudelage am Fuß eines Hügels sorgen für Schutz vor rauem Wetter.
Die thermische Masse aus Beton und das Wasser des 30 Meter langen Indoor-Pools stabilisieren die Raumtemperatur an heißen Tagen und in kühlen Nächten. Und dass das Haus nahe am Joshua Tree Nationalpark über eine Solaranlage verfügt, versteht sich von selbst.
Hat man es einmal entdeckt, ähnelt das aus Beton, Stahl und Glas gebaute Spiegelhaus einem flachgelegten Wolkenkratzer. Einem sehr „kurzen“, allerdings. Horizontal und „Minimundus“, quasi.
Herzstück Indoor-Pool
Obwohl: So klein wie die Nachbauten des beliebten Klagenfurter Miniaturenparks ist das unsichtbare Domizil in Joshua Tree natürlich keineswegs. Immerhin umfasst das Interieur vier Schlaf- und Badezimmer, eine Küche und den weitläufigen Wohnbereich. Letzterer wurde attraktiv und gemütlich rund um den Pool angelegt.
Obwohl der Blick nach draußen, der sich überall im langgestreckten Haus genießen lässt, für sich allein schon traumhaft ist: Auch innen wird Tomas Osinkis Werk großen Hollywood-Visionen absolut gerecht. Wohn- und Essbereich gruppieren sich mit einladenden Sitzmöbeln ums Schwimmbecken.
Hollywood-reif bis ins Detail
An einem Ende des Pools verwöhnt eine Projektionswand wahlweise mit Farblichtspielen oder Filmen. Glasschiebetüren öffnen die Räume auf Wunsch und bieten so jederzeit direkten Zugang zur Natur.
Das Interieur-Design brilliert mit vielen außergewöhnlichen Details. Auf einem gläsernen Bettgestell und mit Panoramablick ins Freie lässt es sich bestimmt vorzüglich ruhen. Und nach einem Wüsten-Walk in einer transparenten Duschkabine Abkühlung zu finden ist vermutlich auch perfekt.
Alles transparent im Spiegelhaus
Anstelle klassischer Türen unterteilen weiße Trennwände die Schlafräume. Das Innere des unsichtbaren Spiegelhauses setzt fort, was das luftig wirkende Stahlkonstrukt verspricht: Offene Leichtigkeit, die mit Licht und Farben spielt.
Die Sorge, das auf zylindrischen Betonpfeilern ruhende Spiegelhaus könnte Umwelt und Tieren in Joshua Tree Schaden zufügen, versuchte Eigentümer Hanley erst jüngst wieder zu zerstreuen.
Man habe schon bei der Planung penibel auf Einhaltung aller Naturschutzbestimmungen geachtet. Eine Selbstverständlichkeit – vor allem im Umfeld des Joshua Tree Nationalparks.
Auch die Befürchtung, das „Mirrored House“ könnte zur tödlichen Vogel-Falle werden, bestätige sich nicht. Im Gegenteil: Laut Hanley liebt es die lokale Vogelpopulation sogar, die besonders zahlreich ums reflektierende Gebäude schwirrenden Insekten zu vernaschen. Bislang sei kein gefiederter Anwohner letal gegen das Haus gekracht.
Joshua Trees Vögel lassen sich also offenbar weniger leicht täuschen als Menschen, die das filmkulissengleiche Haus als „unsichtbar“ bezeichnen. Und wenn es in der Tat so ist, steht einem Hollywood-typischen Happy End des drohenden Disputs mit Naturschützern auch nichts mehr im Wege.
Texte: Elisabeth Schneyder
Bilder: Chris Hanley