Im Einklang mit dem Kosmos
Das soeben fertiggestellte Cosmos House in Mexiko verfolgt die Idee, unseren Planeten und das gesamte Universum liebevoll einzufangen. Und das in all seinen Facetten.
Offensichtlich ist, dass aktuell alle großen Bauvorhaben der Welt in mehr oder weniger ausgeprägter Form das Thema Nachhaltigkeit hervorkehren. So gut wie kein Projekt wird nicht nach internationalen Klimavorgaben zertifiziert. Der CO2-Fußabdruck steht – zum Glück – inzwischen fast überall im Mittelpunkt jeglicher Architektur.
Das liegt freilich stark an der öffentlichen Wahrnehmung. Immobilien, die keine Umweltschutzgedanken verfolgen, sind schwerer verkaufbar. Der Druck des Marktes führt zu einer für unseren Planeten positiven Entwicklung.
Cosmos House als Paradebeispiel
Wirklich überraschend wird es jedoch, wenn der Nachhaltigkeitsgedanke intrinsischer Natur ist. Wenn einzelne Personen aufgrund ihrer Überzeugung Wege suchen, um ihr Eigenheim so naturnah wie möglich zu errichten.
Eines der besten Beispiele für die Kreativität besonders idealistischer Bauherrn wurde soeben in Puerto Escondido an der Pazifikküste des mexikanischen Bundesstaates Oaxaca fertiggestellt. Das sogenannte Cosmos House ist jedoch nicht nur in Sachen Ökologie ein Meisterstück. Das Einfamilienhaus ist auch aus ästhetischen Blickwinkeln ein echter Hingucker. „Wir wollten das Universum umarmen“, sagen die heutigen Bewohner. Und das ist ihnen gleich auf mehreren Ebenen gelungen.
Aber fangen wir bei den Grundlagen an. Bei der Struktur. Die Architekten von S-AR entschieden sich dazu, das Objekt in drei unterschiedliche Bereiche zu clustern. Diese sollen im Zusammenspiel ein Haus ergeben, das sowohl wohnlich, ressourcenschonend aber eben auch schön anzusehen ist. Dabei definierte man vorab, welche Räumlichkeiten für das Wohnen in dieser warmen Region unseres Planeten so relevant sind, dass sie von festen Mauern umgeben sein sollten.
Quadrat der Wohnlichkeit
„Dadurch musste nur für einen wirklich reduzierten Bereich viel Baumaterial aufgewendet werden“, so die Planer. Konkret bedeutet dies, dass bloß Schlafzimmer, Küche, Essbereich und Badezimmer in einem massiven quadratischen Kokon aus Beton erfasst wurden. Das jedoch keineswegs indem einzelne Räume geschaffen wurden. Vielmehr teilte man das Quadrat in Nischen, die jeweils unterschiedlich genutzt werden.
Der zweite Cluster ist ein um die innere Struktur errichteter Raster aus Betonbalken und -säulen. Die sind zwar mit dem zentralen Kern verbunden, allerdings nicht durch Wände von der Außenwelt abgegrenzt. „So war eine Ausweitung des Lebensbereichs möglich, der die Landschaft einbezieht und gleichzeitig neue Optionen bietet“, heißt es. Auf diese Weise entstanden Innenhöfe, Terrassen und ein Teich.
Alles befindet sich nach unseren Maßstäben außerhalb des Raums. Es ist aber in Wahrheit sehr wohl Bestandteil des Hauses. „Auf diese Weise wird die Wahrnehmung der realen Dimension durch die Erfahrung des Bewohnens des Hauses verändert“, sagen die Architekten von Cosmos House.
Dach mit natürlichen Special Effects
Als dritten Cluster verstehen diese übrigens nicht etwa den umgebenden Garten, sondern das Dach über dem massiven Wohnkern. Es ist als Aussichtsterrasse konzipiert, von dem man die gesamte umliegende Landschaft überblicken und genießen kann. Dabei wurde aber nicht nur an einen horizontalen Rundblick gedacht.
Vielmehr wollte man den gesamten Kosmos auf dem Dach optisch zugänglich machen. Und zwar mit einem kreisrunden Wasserbassin, dessen dunkler Grund daraus einen überdimensionalen Spiegel macht. Tagsüber sieht man darin die Wolken über Cosmos House hinwegziehen. Und des Nachts sind es die Sterne, die das Haus auf romantische Art förmlich streicheln.
Damit wird auch schon klar, auf welch unterschiedliche Art und Weise der Kontakt zu Umwelt und Universum gesucht und gefunden wird. Während also das Dach das Himmelszelt spiegelt, soll die Haut des Hauses die Umwelt einfangen.
Eine Haut aus Holz
Die Wände des zentralen Wohnelements sind deshalb allesamt aus dem Holz des für diese Gegend typischen Macuil-Baums gefertigt. Und zwar in Form von Schiebeleeinheiten, deren einzelne Elemente allesamt filigran konzipiert sind. Wie ein Gitter, das zwar Wetter und Sturm aussperrt, Luft und Licht jedoch einlässt.
Doch abgesehen der naheliegenden Nutzung des lokalen Holzes, wurde selbst beim, auf den ersten Blick weniger nachhaltigen Baustoff Beton ein Verfahren angewendet, das ökologischer kaum sein kann: Es wurde nicht nur das Material dafür in der Umgebung gewonnen, sondern auch die menschlichen Ressourcen aus der Region bezogen.
Learning by doing
Weil aber viel zu wenig Fachkräfte ansässig waren, wurde das bunt zusammengewürfelte Bauteam konstant in den unterschiedlichen Verwendungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten von Beton geschult. So konnten schlussendlich Struktur, Wände, Böden und alle anderen benötigten Oberflächen von Hand hergestellt werden. Gleiches galt für die anfallenden Holzarbeiten. Allein, dafür bestand in der Nachbarschaft weit mehr Grundwissen, es waren weniger Schulungsprozesse notwendig.
Erschwert wurde die Sache jedoch, weil man auch auf die für uns Menschen weniger angenehmen Aspekte unserer Umwelt eingegangen ist. Stichwort: Erdbeben! Das Haus sollte überraschende Erdstöße abfangen können, wie die Architekten betonen. Dazu musste im Beton eine netzartige Struktur geschaffen werden, die Schwingungen absorbieren kann.
Kein Tropfen wird vergeudet
Andere Naturgewalten wiederum nutzt man bewusst – Regen etwa. Während der Regenzeit wird das Wasser vom Dach in einer Zisterne aufgefangen. Hier wird es mittels Sand und Steinen gefiltert, um es so für die Verwendung aufzubereiten. Aber auch das schon genutzte Wasser wird erneut dem Kreislauf zugeführt, sofern es nicht aus der Toilette kommt. Deshalb verwenden die Bewohner auch nur natürliche Seifen und Shampoos.
Alles gute Gründe, um hiermit als ubm magazin. – getreu unseres Claims „green. smart. and more.“ – ein Ehrenzertifikat zu vergeben: für hoch ambitionierte Nachhaltigkeit.
Text: Johannes Stühlinger
Bilder: Claudio Sodi, Camila Cossio