Wie im Kreis schwimmende Kois
Laguarda.Low Architects gelang ein guter Schachzug: Trotz strenger städtebaulicher Vorgaben lockert das Chengdu Co-Innovation & Cooperation Center den starren Raster der umliegenden Blöcke in Chengdu auf. Die beeindruckende spiralige Komposition wird gar mit Koi-Fischen verglichen, die um eine elliptische Oase schwimmen.
Co-Innovation, Co-Creation und Kooperation sind inspirierende und beflügelnde Worte. Noch besser ist es, wenn es Arbeitsplätze und -räumlichkeiten sowie Wohnhäuser gibt, die diese kraftvolle Arbeitsweise fördern, wo man diese Werte auch leben kann. Das Chengdu Co-Innovation & Cooperation Center in China ist genau so ein Ort.
Aber das Projekt ist auch noch in anderer Hinsicht von der Idee der gemeinschaftlichen Gestaltung geprägt. Denn das neue Zentrum nach einem Entwurf von Laguarda.Low Architects ist in Chengdus Bezirk Dayuan angesiedelt. Und die Stadtverwaltung hat für dieses Gebiet umfassende städtebauliche Vorgaben definiert. Sie tragen einerseits zur Standardisierung und Vereinheitlichung der städtebaulichen Realisierungen bei. Andererseits schränken sie die Möglichkeiten für neue Projekte ein. Das architektonische Gesicht des Bezirks ist deshalb sehr homogen.
Daher bestand die Herausforderung für das Architekturbüro Laguarda.Low darin, die strengen Richtlinien einzuhalten und doch etwas einzigartiges zu entwerfen, das hervorsticht und auflockert. Tatsächlich ist es gelungen, dem Chengdu Co-Innovation and Cooperation Center eine markante Form zu verleihen. Gleichzeitig aber zeigt es sich mit der Umgebung kompatibel.
A+ Award für Chengdu Co-Innovation and Cooperation Center
Übrigens wurde Laguarda.Low Architects bei den 11. jährlichen A+ Awards des Architizer – „The World’s Best Architecture“ Magazins als „Popular Choice Winner“ für das Chengdu Co-Innovation & Cooperation Center in der Kategorie „Office-High-Rise“ ausgezeichnet.
Chengdu dürfte mittlerweile mehr als 20 Millionen Einwohner haben. Neben Chongqing hat sich die Metropole zu einem Mega-Wirtschaftszentrum Westchinas entwickelt. Gleichzeitig gilt Chengdu als eine der chinesischen Riesenstädte mit bester Lebensqualität, als „grüne Stadt“.
Weitere Bestrebungen Richtung Nachhaltigkeit sind diverse Innovations-Cluster sowie eine geplante Modellstadt ein wenig außerhalb von Chengdu namens „Great City“. In einer ersten Phase sollen dort rund 80.000 Menschen wohnen, die komplett ohne eigenes Kraftfahrzeug auskommen können.
Äußerst begrenzte freie Flächen
Der Dayuan-Bezirk wiederum ist eine ausgewiesene High-Tech-Zone – mit idealer Infrastruktur, mit einer starken Gemeinschaft und einem florierenden Geschäftsviertel. Die Herausforderungen liegen in den weiteren städtebaulichen Entwicklungsprojekten und der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Fläche.
Trotz der Höhenbegrenzung auf 70 Meter wollten die Experten bei Laguarda.Low aber ein einzigartiges Wahrzeichen schaffen, das das Gesamtbild von Chengdu aufwertet. Auf einer Fläche von exakt 148.351 Quadratmetern sind Büro-, Wohn- und Einzelhandelsflächen kombiniert.
Mit geschwungener Form im Dialog mit den Hochhäusern
Das neue nachhaltige Stadtviertel und der neue Geschäftsknotenpunkt wird bis zu 250.000 Einwohner beherbergen und 490.000 Büroangestellte in einem Umkreis von drei Kilometern aufnehmen.
Das Kernkonzept des Entwurfs von Laguarda.Low bestand darin, einen lebendigen und angenehmen öffentlichen Raum zu schaffen, der dem Projekt eine klare und erkennbare Form gibt und die Kommunikation und Interaktion zwischen den Menschen in den Mittelpunkt rückt.
Chengdu Co-Innovation and Cooperation Center mit urbanem Garten
Das Chengdu Co-Innovation and Cooperation Center nimmt sich die Freiheit heraus, durch die Anordnung zweier sich gegenüberliegender, bogenförmiger Volumen die rasterartige urbane Struktur der Umgebung elegant zu durchbrechen. Dabei tritt die geschwungene architektonische Form mit einer lebhaften Geste in den Dialog mit den umliegenden Hochhäusern.
Die Baukörper lockern somit den starren und einheitlichen Raum auf. Sie bereichern ihn, indem sie helle, geräumige und vielfältige Sichtkorridore für das Zentrum und die angrenzenden Blöcke schaffen. Außerdem beziehen sie einen diagonalen Eingangsplatz ein – so wird das Zentrum hervorgehoben.
Wie Koi-Fische im Teich
Durch die bogenförmige Struktur der Baukörper entsteht fast wie von selbst ein lebendiger Innenhof. Im Verlauf kreuzen sich Fußgängerwege, die alle öffentlichen Freiräume miteinander verbinden. Der geschwungene Grund- und Umriss passt sich so weit wie möglich an die Grundstücksgrenze an. Der Verlauf der Straße wurde nicht angetastet.
Die Höhe des Gebäudes insgesamt nimmt von Norden nach Süden allmählich ab. Die aufsteigende und die absteigende Hälften der Spirale tanzen um den Block und umschließen den Ort mit sinnlichen, wellenförmigen Formen. Die beiden gegenüberliegenden Halbmonde „schwimmen“ wie Koi-Fische in einem Teich um eine elliptische Oase.
Die fließende und weiche Bogenform vermittelt eine offene, warme und irgendwie sichere architektonische Ästhetik. Um eine ruhige Umgebung innerhalb des Blocks zu schaffen, die die Menschen dabei unterstützt, der Hektik der Stadt zu entgehen, wurde ein Garten innerhalb der Halbmonde angelegt. Vom halb versenkten zentralen Garten aus stehen die Bewohner und Besucher in Interaktion mit der Umgebung und dem Einzelhandel im ersten Stockwerk.
Verbindung als Schlüsselidee
Bei der landschaftlichen Gestaltung der Gartenflächen wurde der geometrische „Sinn“ der Architektur fortgesetzt. Drei Alleen gliedern den Hof in verschiedene Bereiche. Grüne Plattformen in unterschiedlichen Höhen erweitern die natürliche Landschaft vom Boden bis ganz nach oben. Oben ist ein halboffener, zurückgesetzter Garten angeordnet.
Überall wird Verbindung groß geschrieben: zwischen den Balkonen, die als soziale Räume fungieren, dem zentralen Garten, dem Himmelsgarten und dem öffentlichen Raum auf den Straßen. Kunstinstallationen im Freien verbinden zeitgenössische Kunst mit der lokalen traditionellen Kultur – so wird ein interaktiver Raum für Bewohner und Besucher geschaffen.
Gläserne Vorhangfassade vermittelt urbane Geschäftsästhetik
Die gebogene Vorhangfassade war laut Laguarda.Low eine der Herausforderungen bei diesem Projekt. Der größte Teil besteht aus vertikalem Standardglas. Dabei wurde eisenarmes Glas verwendet. Dieses Glas aus hochreinen Rohstoffen hat viele Vorteile, etwa geringe spontane Bruchrate und hohe Durchlässigkeit – nebst dem ästhetischen Touch.
Laguarda.Low Architects hat bisher ein breit gefächertes Portfolio realisiert. Es umfasst Einzelhandel, Büros, Wohnhäuser, Gastgewerbe und gemischt genutzte Projekte.
Text: Linda Benkö
Fotos/Renderings: Arch-Exist, Chengdu Co-Innovation and Cooperation Center, Nick Kuratnik, ZSDC, Vanke Group