Centro Direzionale - die neue U-Bahn-Station in Neapel
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Astreine Station in Neapel

Einer der spektakulärsten Infrastruktur-Bauten Italiens der letzten Jahre ist fertiggestellt. Mit dem neuen Verkehrs-Hub Centro Direzionale di Napoli setzt die Verwaltung der süditalienischen Metropole ganz auf Holz.

Was lange währt, wird endlich gut. Lange mussten die Neapolitaner auf die Eröffnung des Bahnhofs warten. Nun ist endlich die Beleuchtung montiert und erhellt den Vorplatz, der rund einen Kilometer Luftlinie von der berühmten Kathedrale der süditalienischen Metropole entfernten liegt.

Auch die letzte Hürde wurde vor kurzem genommen: Die statische Überprüfung konnte erfolgreich abgeschlossen werden. Damit geht nicht nur eines der größten Infrastruktur-Projekte Italiens in Betrieb, sonder auch ein Vorzeige-Holzbau von internationaler Strahlkraft. Mit dem 43 Millionen Euro teuren Bauvorhaben hat das in Barcelona ansässige Architekturbüro Miralles Tagliabue – EMBT der Hauptstadt der Region Kampanien ein neues Wahrzeichen verpasst.

Centro Direzionale di Napoli, entworfen von Miralles Tagliabue - EMBT
Der Bau der Station Centro Direzionale di Napoli ist abgeschlossen.

Umgeben von Bürotürmen und direkt an der Piazza
Holz als Baumaterial setzt einen organischen Kontrapunkt zu den Bürotürmen der Umgebung.

Doch zur Freude, dass die U-Bahn-Linie 1 alle fünf bis sechs Minuten in der Centro Direzionale ein- und ausfahren und die Menschen zu und von diesem wichtigen Verkehrsknotenpunkt Neapels bringen wird, gesellt sich auch Ärger. Denn: Nach der Fertigstellung ist vor der nächsten Baustelle.

Auf zur nächsten Baustelle

Weitere oberirdische Arbeiten, die die Station Centro Direzionale-Tribunale und einen Fußgängerweg betreffen, der den Justizpalast mit der Staatsanwaltschaft verbinden soll, brachten eine Änderung der Verkehrsrichtung.

die Station Centro Direzeionale in Neapel von oben
Die neue Station Centro Direzionale befindet sich mitten in Neapels Business-Quartier, unweit der Kathedrale, des Justizpalasts und der Staatsanwaltschaft.

Anfang November 2024 ging frühmorgens deshalb erst mal gar nichts: Das Chaos auf den Straßen mitsamt fluchender und wild gestikulierender Verkehrsteilnehmer machte dem Klischee süditalienischen Treibens alle Ehre. Die Einwohner Neapels befürchten, dass es noch gut ein Jahr dauern wird, bis der Verkehr wieder seinen gewohnten Lauf nehmen wird.

Das Centro Direzionale, Namensgeber der neuen Station, ist das Top-Geschäftsviertel in Neapel. Die Planungen des Stadtquartiers gehen auf das Jahr 1964 zurück, als die Stadtverwaltung ein brach liegendes Industrieareal im Ausmaß von etwa 110 Hektar festmachte, mit dem man das eigentliche Stadtzentrum entlasten könne.

die Bahnstation Centro Direzionale in Neapel beeindruckt mit ihren imposanten Holzsäulen und der Holzdecke
Die Holzstruktur: Massiv wirkend und doch ein sehr leichtes Material.

Die Holzsäulen und die Holzdecke des Centro Direzionale bestehen aus Brettschichtholz.
Die ursprünglichen Strukturen wurden teils einbezogen. Die neuen bestehen aus Brettschichtholz.

Dieses Viertel Neapels war von Anfang an hauptsächlich für Büronutzung gedacht. Und die Realisierung nach den Plänen des japanischen Architekten Kenzō Tange orientierte sich an den Ideen von Le Corbusier. Dieser sah Straßenzüge und Verkehr als Organismen, die es zweckmäßig zu organisieren gilt, sodass die oberirdischen Fußgängerbereiche strukturell klar getrennt sind.

Direkte Anbindung an Neapels Ringstraße

Nun wird die neue Station zum Dreh- und Angelpunkt der neapolitanischen urbanen Mobilität – nicht zuletzt durch die Anbindung an die Ringstraße und das Verkehrssystem hinter dem Hauptbahnhof, zu dem es eine direkte Verbindung geben wird.

Der neue Verkehrshub in Neapel hat fast etwas kathedralenhaftes an sich
Der neue Verkehrshub in Neapel hat fast etwas Kathedralenhaftes an sich.

Das neue Beleuchtungssystem, die Grünanlagen und die Tiefgaragen mit mehr als 2.000 Stellplätze werten das Gelände auf.

Neapels Triple A

Für die Architektur zeichnet Benedetta Miralles Tagliabue verantwortlich. Ihre Überarbeitung des ursprünglichen Baukörpers, bei der ein Teil der Dachplatte und einige Elemente des Zwischengeschosses abgetragen wurden, ließ einen freundlichen, lichtdurchfluteten Bahnhof mit großzügigen Lufträumen entstehen.

So vielschichtig wie das verwendete Holz sind auch die unterschiedlichen Ebenen der neuen Bahnstation.
So vielschichtig wie das verwendete Holz sind auch die unterschiedlichen Ebenen der neuen Bahnstation.

Bereits im Jahr 2004 hatte die Stadt Neapel Entwürfe mehrerer international renommierter Architekten wie Sir Norman Foster, Massimiliano Fuksas, Alvaro Siza, Domenique Perault, Karim Rashid und auch Benedetta Tagliabue eingeholt. Das Leitmotiv: „Kunst, Architektur und Archäologie“, auch als „Triple A“ abgekürzt (Art, Architecture, Archeology).

Benedetta Tagliabue entsprach diesem Grundgedanken, indem sie neue Beziehungen herstellte: Der unterirdische Hauptbahnhof verbindet die vulkanische Geologie der Stadt mit dem in den 1970er-Jahren von Kenzō Tange entworfenen Masterplan des Ortes, mit den spiegelnden Wolkenkratzern und Tanges Piazza, die sich gar zu sehr vom Rest Neapels unterschied.

Das unterirdische Leben der neuen Station Centro Direzionale ist sehr bunt gestaltet.
Der Ort hat mit Benedetta Tagliabues Neugestaltung eine komplexe Topografie mit vielen verschiedenen Ebenen für die Nutzer …

Centro Direzionale: Neue Identität mit hohem Wiedererkennungswert
… sowie eine neue Identität mit hohem Wiedererkennungswert erhalten.

Die Gegend war immer wieder Schauplatz archäologischer Funde, was so manches Bauvorhaben nicht nur zeitlich ausbremste. Als Anspielung an die kulturhistorisch reiche Geschichte Neapels befindet sich ein Kunstwerk an der Decke der Station. Es stellt eine Szene aus einem archäologischen Fund aus dem nahe gelegenen Pompeji dar.

Holz als organischer Kontrast

Der neue Bahnhof wurde über den bestehenden U-Bahn-Trassen errichtet. Er ersetzt das frühere Gebäude, das kaum mehr als eine Überdachung für die Treppe war. Das Material Holz wurde bewusst gewählt, um einen organischen Kontrast zu den Teilen des Viertels aus den 1970er-Jahren zu schaffen.

Der Bau verleiht dem Ort eine Identität mit hohem Wiedererkennungswert, die im Kontrast zu seiner Umgebung und seinem historischen Kontext steht. Er verwandelt ihn in eine komplexe Topografie mit vielen verschiedenen Ebenen für Fußgänger und mit einer ausgefeilten tektonischen Dachstruktur – sinnbildlich für die Bewegungen und Dynamik der Bevölkerung.

Die Farbgebung des Centro Direzionale ist äußerst fröhlich
Die Farbgebung der Station Centro Direzionale ist äußerst fröhlich.

„Holz ist ein sehr leichtes Material, das sich perfekt in die vorhandenen Strukturen einfügt. Wir haben es wegen seiner Vielseitigkeit, Nachhaltigkeit und der Wärme, die es in städtische Räume bringt, ausgewählt“, erklärt Benedetta Tagliabue. Die Architekten haben die ursprünglichen Betonstrukturen und -säulen genutzt und sie mit neuen Holzstützen ergänzt. Die Stahlteile des Betons dienten ihnen als Basis.

Gewölbeartige Überdachung

Die charakteristische Form des 10.000 Quadratmeter großen Bahnhofs ist aus Brettschichtholz gefertigt. Die Breite der darunter liegenden Gleise spiegelt sich in der Breite der wellenförmigen Gewölbe wider. Die Decken seien auch eine Anspielung auf klassische Bahnhöfe, die oft gewölbt sind. Die Form des Bahnhofs sollte das Gefühl eines „Waldspaziergangs“ vermitteln.

Alle paar Minuten werden am neuen Kopfbahnhof die Garnituren der U-Bahn-Linie 1 ein- und ausfahren.
Alle paar Minuten fahren am neuen Kopfbahnhof die Garnituren der U-Bahn-Linie 1 ein- und aus.

„In gewisser Weise haben wir versucht, eine Art neue organische, fließende Piazza zu schaffen, als ob wir durch einen Wald gehen würden, obwohl wir uns eigentlich in einem künstlichen Geschäftszentrum befinden“, führt Benedetta Tagliabue aus.

Die 1963 in Mailand geborene Architektin Benedetta Tagliabue ist seit 1990 in Barcelona ansässig. Sie gründete 1993 mit dem katalanischen Architekten Enric Miralles das international tätige Architekturbüro Miralles Tagliabue – EMBT in Barcelona. Seit dem Tod ihres Mannes im Jahr 2000 führt sie das Unternehmen alleine. Heute hat EMBT auch Niederlassungen in Shanghai und Paris.

Tagliabue hat zahlreiche Preise für ihre Projekte erhalten. Seit 2014 ist sie Mitglied der Jury für den Pritzker-Preis, die renommierte Auszeichnung für Architektur, die seit 1979 von der Hyatt-Stiftung vergeben wird.

Text: Linda Benkö
Fotos: Roland Halbe

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