Ganz schön geb(u)ildet
Das Auge lernt mit! Für die Wirtschaftselite von morgen hat Taigu Design eine besonders ästhetische und damit förderliche Bildungsumgebung geschaffen: den CEIBS Shenzhen Campus.
Die südchinesische Metropole Shenzhen gehört zu den am schnellsten wachsenden Städten der Welt. Ende der 1970er-Jahre noch eine Ansammlung von Fischerdörfern, ist die Stadt in der Provinz Guangdong heute Heimat von rund 20 Millionen Menschen. Die City am Perlfluss gilt zudem als die fortschrittlichste des Landes – und als Symbol für den rasanten Aufstieg der Volksrepublik, die es in den vergangenen 40 Jahren von null auf zwanzig Prozent Anteil an der Weltwirtschaft gebracht hat. Längst ist das „Wunder von Shenzhen“ zum geflügelten Wort geworden. In der Stadt und im Umland, dem „Silicon Valley für Hardware“, werden Elektronikgeräte für den globalen Markt produziert – von Firmen wie Huawei oder DJI, dem größten Telekomkonzern bzw. Drohnenhersteller der Welt.
Doch auch im Bereich Architektur ist die Stadt reich an Superlativen. Steht in Shenzhen doch nicht nur der mit fast 600 Metern höchste Büroturm auf diesem Erdball (er gehört dem Versicherungskonzern Ping An), sondern auch das eine oder andere von internationalen Top-Architekten geplante Großprojekt. So hat etwa Ole Scheeren mit seiner Shenzhen Wave für den Technologiekonzern ZTE nicht nur optisch hohe Wellen geschlagen. Bauten wie MVRDVs „gestapelte“ Terrassen, die OPPO-Zentrale von Zaha Hadid Architects oder das vom dänischen Büro 3XN realisierte Naturkundemuseum schaffen ebenfalls neue Hingucker in der „leading design“-Stadt, die zum Creative Cities Network der UNESCO gehört.
Zusammenarbeit fördern
Freilich trägt aber nicht jedes neue Gebäude gleichermaßen (er)sichtlich zur beeindruckenden Skyline bei. Zum Beispiel ist der von Taigu Design entworfene Campus für die China Europe International Business School (CEIBS) im Stadtteil Qianhai dafür mit „nur“ 7.000 Quadratmetern doch zu klein. Unbedeutend ist der Bau aber beileibe nicht. Seine wahre Größe zeigt der CEIBS Shenzhen Campus nämlich erst, wenn man ihn betritt.
„Wir wollten die Bewegungswege optimieren und gleichzeitig das Zusammenspiel von Licht und Schatten, greifbaren Formen und unsichtbaren Elementen betonen, um Grenzen nahtlos zu verschmelzen und eine effektive Kommunikation durch klug gestaltete Terrassenstrukturen zu ermöglichen“, so Taigu-Gründer Tan Kan. So kombiniert das Design nun organische Fließlinien mit einem lichtdurchfluteten Atrium und fördert durch miteinander verbundene Innenräume die Zusammenarbeit der Studentinnen und Studenten.
CEIBS Campus für Leader
Der Fokus der Lehre liegt auf „Social Responsibility“. „Angesichts der Ungewissheit und Unbeständigkeit der heutigen Weltwirtschaft brauchen wir einfühlsame, verantwortungsbewusste Führungskräfte, die den Wunsch haben, einen dauerhaften positiven Einfluss auszuüben – nicht nur auf ihre eigenen Unternehmen, sondern auch auf die Gesellschaft im Allgemeinen“, so Wang Hong. „Das Global EMBA-Programm schmiedet globale Führungskräfte, die konsequent über die kurzfristigen Bedürfnisse ihrer Organisationen hinausdenken und instinktiv nach tragfähigen, nachhaltigen Lösungen und Strategien suchen.“ Den Weltrang ihrer Ausbildung unterstreicht die CEIBS immer wieder. 2023 belegte ihr Global EMBA-Programm im EMBA-Ranking der Financial Times erneut den zweiten Platz.
Die Institution hat inzwischen fünf Standorte auf drei Kontinenten. Ihr Herz schlägt aber nach wie vor in Shenzhen. Der neue CEIBS Shenzhen Campus ist Teil des Qianhai Free Trade Center, einem Gebäudekomplex mit geringer Dichte und einzigartiger Außenlandschaften. Der Campus-Bau selbst hat eine facettenreiche Ausrichtung – von Südosten nach Nordwesten – und ist von transparenten, umlaufenden Vorhangfassaden umgeben. Sie leiten, zusammen mit den Oberlichtern, natürliches Licht in die Räume, wodurch eine offene und einladende Atmosphäre entsteht.
Alles bleibt anders
Im Inneren zeichnet sich der Entwurf von Taigu Design zudem durch flexible (Gemeinschafts-)Räume und dynamische architektonische Formen aus. Das an ein Amphitheater erinnernde Auditorium und die Vorlesungs- und Seminarräume sind perfekte Beispiele für die Verbindung von vorwärts gewandtem Denken und praktischen Bedürfnissen. „Aufbau und Form der Räume wurden von anderen CEIBS-Sandorten übernommen, jedoch optimiert“, sagt CEIBS-Präsident Wang Hong. So haben die Planer etwa die Linienführung, die Beleuchtung und die Farbpalette des Interiors angepasst, um die bewährte Unterrichtsszenerie des Shanghaier Hauptsitzes herzustellen. Gleichzeitig spiegelt das Design aber auch die Innovation und Exzellenz des Shenzhener Bildungsstandorts wider.
Die Funktions- und Gemeinschaftsräume – von der Bibliothek über die Vorlesungssäle bis hin zu Café und Mensa – sind um das offene Atrium angeordnet und in jedem Stockwerk über einen ruhigen, minimalistisch gestalteten Korridor verbunden. Der kreisförmige „Gehweg“ mit Wandflächen aus körnigen Keramikplatten und das Atrium erschließen auch den Zugang zu den Treppen. Durch ihre dynamischen Kurvenneigung und die organischen Formen werden sie zum visuellen Mittelpunkt des Raumes.
Aber nicht nur optisch stehen die Treppen im Mittelpunkt des Designs. So ist etwa die zweite Etage mit der ersten sowohl durch eine zweigeteilte Treppe verbunden, die an eine Muschel erinnert, als auch durch einen Aufgang in Form eines Fächers. Dessen Stufen – im ersten Obergeschoss noch über zehn Meter breit – werden nach oben führend immer schmaler. Als Sitztreppe angelegt, lädt zu einer kleinen Verschnaufpause ein, während man das Campusleben in sich aufsaugt. Denn sie ist auf das halboffene Café ausgerichtet, wodurch eine nahtlose Verbindung und ein Dialog mit der Kaffeebar entstehen.
Natur trifft Wissenschaft
Die Kaffeebar auf der unteren Ebene schafft eine ruhige Atmosphäre, in der sich die Studenten vom akademischen Druck erholen können. Dazu trägt auch bei, dass das Café mit einem abgesenkten Außenbereich verbunden ist, in den die Designer ein Wasserspiel integriert haben. Es soll die Interaktion zwischen den Menschen und ihrer Umgebung fördern. In der Mensa wird dieses Ziel durch raumhohe Fenster erreicht. Durch sie dringt das Grün der vertikalen Außenbepflanzung nach Innen. Reflektierende Decken und Säulen, in denen sich die Natur spiegelt, fördern zusätzlich die Harmonie zwischen Mensch und Umwelt.
Mit ihrem Entwurf bleibt die von Tan Kan im Jahr 2010 gegründete Interior-Design-Firma ihrem ästhetischen Konzept von „Kunst und Funktion“ treu. Die räumliche Gestaltung des CEIBS Shenzhen Campus schafft das richtige Gleichgewicht zwischen öffentlich und privat und fördert den Wissensaustausch und die soziale Dimension der Wissenschaft.
„Mit den eingesetzten Design-Details verfolgten wir die Idee, dass Raumattribute von menschlichen Aktivitäten abhängig sind. Beim CEIBS Shenzhen Campus wollten wir ein mehrdimensionales Bildungsumfeld schaffen, das Komfort, Kooperation und Interaktion gleichermaßen fördert“, sagt Taigu-Design-Chef Tan Kan. Das darf als gelungen betrachtet werden. Man könnte auch sagen: „Ganz schön geb(u)ildet.“
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Text: Daniela Schuster
Bilder: flower image via v2com-newswire.com