Hoch hinaus in Singapur
Der jüngst eröffnete Wolkenkratzer namens CapitaSpring bringt vertikalen Urbanismus auf den Punkt: Designt von BIG und Carlo Ratti Associati, setzt der Mixed-Use-Turm ein zukunftsorientiertes Highlight in die Skyline von Singapur. Grüne Oasen und öffentliches Angebot inklusive.
Es ist schon ein besonderer Wolkenkratzer, der da in den vergangenen vier Jahren in Singapur gen Himmel wuchs. Nicht etwa bloß, weil der jüngst fertiggestellte Turm mit seinen 280 Metern Höhe nun vor Ort das zweithöchste Gebäude ist. Sondern vor allem, weil das CapitaSpring genannte Großprojekt die Vision einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft repräsentiert, deren Umsetzung sich seine Entwickler zum Ziel gesetzt haben.
Für Arbeit, Wohnen & Genuss
Der Entwurf dazu ist quasi eine dänisch-italienische Koproduktion der beiden Top-Büros BIG (Bjarke Ingels Group) und CRA (Carlo Ratti Associati). Und die Architekten haben sich für CapitaSpring einiges einfallen lassen. Das Ergebnis ist eine Hochhaus-Oase, deren 51 Stockwerke mit vielfältigem Angebot aufwarten. Von üppigen Sky Gardens und Dachparks, Büros und Wohnungen mit Service bis zu öffentlichen Räumen, Restaurants und einem Hawker Center, das „Straßenküche“-Stände beherbergt: Der Neubau im Herzen des Finanzdistrikts beschert Nutzern und Nachbarschaft ein buntes Programm.
Für CapitaLand Development (CLD), CapitaLand Integrated Commercial Trust und Mitsubishi Estate Co. errichtet, umfasst Capita Spring 93.000 Quadratmeter Mixed-Use-Fläche. Der als „biophil“ bezeichnete Wolkenkratzer soll „bahnbrechenden vertikalen Urbanismus“ demonstrieren und Singapurs Ruf als „Gartenstadt“ unterstreichen.
„Vertikale Erkundung“ tropischen Städtebaus
Wo das Hochhaus jetzt gen Himmel ragt, befanden sich zuvor ein öffentlicher Parkplatz, Straßenhändler und Street-Food Buden. BIG Chef und Gründungspartner Bjarke Ingels: „Aufgrund des einzigartigen Charakters von Singapurs Städtebau – sowohl extrem dicht als auch grün – haben wir uns entschieden, den Entwurf zu einer vertikalen Erkundung des tropischen Städtebaus zu machen“.
Die vertikalen Elemente, die das Äußere des Gebäudes ausmachen, wurden auf mehreren Ebenen auseinandergezogen. Dadurch öffnet das Design den Blick in die grünen Oasen, die im Sockel, im Kern und im „Sky Garden“ auf dem Dach gedeihen.
Über 80.000 Pflanzen
Was dort wächst und blüht, ist deutlich mehr als bloße Zierde: CapitaSpring beherbergt über 80.000 Pflanzen mit einem Grünflächenverhältnis von mehr als 1:1,4. Dies entspricht einer begrünten Gesamtfläche von mehr als 8.300 Quadratmetern, hier also 140 Prozent der Grundstücksfläche.
Zu ebener Erde wird die Straße geschlossen, um einen neuen linearen Park und einen Platz zu schaffen. Auf dieser Ebene stellt CapitaSpring so einen Teil der historisch bedeutsamen Market Street wieder der Öffentlichkeit zur Verfügung: Die Strecke wird zur Fußgängerzone und zum erweiterten Landschaftsbereich. Benachbarte Mieter und Passanten können sich dadurch neuer grüner Freiräume in diesem hochverdichteten Stadtgebiet erfreuen.
Hotspots für Mieter und Besucher
Verschlungene Gartenwege schaffen natürliche Zugänge zum City Room, einem 18 Meter hohen, großzügigen Freiraum am Fuß des Turms. Vor der tropischen Sonne und den Regenschauern geschützt, werden die Mieter dort in separaten Lobbys für die Büros und Wohnungen willkommen geheißen. Ebenso, wie die Einkäufer und Genießer im Food Center im Podium des Turms.
Das ikonische Hawker Center der Market Street wird im zweiten und dritten Stock des Gebäudes mit 56 Food-Ständen nachgebildet. Damit soll dieser Bereich zum Hot-Spot der kulinarischen Erfahrung der Stadt werden. Eine Strategie, die CapitaSprings Bedeutung für die Aufrechterhaltung der lokalen Kultur und Gemeinschaft unterstreichen soll.
Turm mit Park „im Bauch“
Ein vertikaler Park in der Mitte des Wolkenkratzers schafft eine spiralförmig ansteigende Promenade zwischen tropischen Baumstämmen und Baumkronen. Oben macht ein urbaner Wald alle Restaurants und Cafés im Gebäude zum grünen „Gipfelgenuss“ für die Besucher.
CapitaSpring ist wie die Vision einer Zukunft, in der Stadt und Land, Kultur und Natur nebeneinander existieren und sich urbane Landschaften uneingeschränkt in die vertikale Dimension ausdehnen können.
Bjarke Ingels, Architekt und BIG Gründungspartner
In den ersten acht Stockwerke des Turms befinden sich Apartments mit Service. Dort stehen Annehmlichkeiten wie Schwimmbad, Whirlpool, Joggingstrecke, Fitnessraum, Gemeinschaftsküche, Bewohner-Lounge und Grillplätze zur Verfügung. Die obersten 29 Etagen indes bieten hochwertige Büroflächen mit Panoramablick auf den Singapore River und die Marina Bay.
Stadt und Garten werden eins
BIG Architekt Brian Yang: „Als jemand mit singapurischen Wurzeln fühle ich mich geehrt, zur laufenden Entwicklung der Architektur in Singapur beizutragen“. Diese sei eine „deutliche Mischung aus zeitgenössischer und tropischer“ Bauweise. Der Entwurf manifestiere dies als nahtlosen Übergang zwischen Garten und Stadt. Ein Konzept, das in den Fassaden und üppigen, spiralförmigen Gärten sichtbar wird, die verschiedene Programme verbinden und mit vielerlei Annehmlichkeiten aufwarten.
Im Herzen des Gebäudes, zwischen den „harten“ Oberflächen der Büros und Wohnungen, ruhen vier miteinander verbundene, „weiche“ Landschaftsebenen. Als „Grüne Oase“ bezeichnet, findet sich dort ein 35 Meter langer Garten unter freiem Himmel. Er ist zum Arbeiten, Spazieren, Entspannen und Trainieren gedacht. Auch Veranstaltungen können in dieser Zone, die Natur und moderne Architektur verwebt, stattfinden.
Im Haus und doch im Regenwald
Der gesamte vertikale Grün-Bereich ahmt die Vegetation tropischer Regenwälder nach: Das hierarchische Blattwachstum der Pflanzen steht in direktem Verhältnis zur Lichtverfügbarkeit innerhalb der Vegetationsschichten. Schattentolerante Pflanzen mit großen Blättern befinden sich auf dem „Regenwaldboden“, weil sie am wenigsten direktes Licht brauchen. In der Baumkronenschicht – also im „Dach des Regenwaldes“ – wurden Bäume mit kleinerer Blattstruktur gesetzt.
Der Dachgarten von CapitaSpring brilliert nicht nur mit grandiosem Blick über Singapur. Er beherbergt auch die größte urbane Farm der Stadt, die von der 1-Group betrieben wird. Derzeit werden auf fünf thematischen Parzellen über 150 Arten von Obst, Gemüse, Kräutern und Blumen angebaut, die auch die Dachrestaurants mit frischem Grün versorgen.
CapitaSpring mag’s umweltfreundlich
CapitaSpring wurde von der Bauaufsichtsbehörde Singapurs mit den Zertifikaten Green Mark Platinum und Universal Design GoldPLUS ausgezeichnet. Zudem verfügt der Wolkenkratzer über Einrichtungen, die die Vision nachhaltigen Verkehrs im Rahmen des Singapore Green Plan 2030 unterstützen. Dazu zählen etwa 165 Fahrradstellplätze und voll ausgestattete Abstellanlagen. Ebenso, wie ein 600 Meter langer Radweg rund um den Turm, entlang Malacca und Phillip Street, der Teil des Radwegenetzes der Central Area ist und eine Verbindung zu Singapurs größerem Radwegenetz herstellt.
Der italienische Star-Architekt Carlo Ratti, Leiter des Senseable City Lab am renommierten MIT in Massachusetts (USA), hat seine Freude am gemeinsamen Projekt mit den dänischen Kollegen: „Es war sehr bereichernd, unsere Herangehensweise an Design und Innovation mit der architektonischen Kompetenz von BIG zu kombinieren. Ich bin stolz darauf, wie wir die öffentlichen Räume im gesamten Gebäude verbessert haben“.
Man habe, so Ratti, mit CapitaSpring die beste Erfahrung für alle Nutzer geschaffen, indem sowohl Technologie als auch „beispiellose Integration natürlicher Elemente“ genutzt wurden.
Zukunftsmodell CapitaSpring
CapitaLand Development CEO Tan Yew Chin sieht’s ähnlich: Der biophile Wolkenkratzer repräsentiere die Vision einer grüneren und nachhaltigeren Zukunft. Also genau das, worauf der Masterplan des Unternehmens CLD abzielt. Dieses habe „von Funan im Civic District bis zu den CanningHill Piers entlang des Singapore River eine Schlüsselrolle bei der Einführung ganzheitlicher Work-Live-Play-Elemente gespielt“, um Bezirke zu aktivieren und das Zentrum Singapurs im Einklang mit Lifestyle-Trends zu verjüngen.
Oberdrein ist Singapurs CLD-CEO überzeugt, mit CapitaSpring neue Maßstäbe fürs Büro der Zukunft zu setzen: „Wir bieten den Gebäudenutzern ein erstklassiges, facettenreiches Arbeitsplatzerlebnis. Ergänzt durch unsere Core-Flex-Lösungen, die der zunehmenden Verbreitung hybrider Arbeitsstrategien Rechnung tragen“.
Rückmeldungen der Nutzer stehen zwar noch aus. Dass der außergewöhnliche Turm viele sinnvolle Neuerungen umsetzt, steht jedoch fest. Schließlich sind seine Designer für spannende, nachhaltige Konzepte bekannt. Man denke nur an BIG-Projekte wie das Sluishuis in Amsterdam oder die Pläne zur „Woven City“ in Japan. Mag sein, dass CapitaSpring im Rennen um die höchsten Wolkenkratzer weder vor Ort, noch weltweit eine Rolle spielt. Innovative Qualität lässt sich allerdings ohnehin nicht in Metern messen.
Text: Elisabeth Schneyder
Bilder: Finbarr Fallon / BIG