Zug um Zug durch Kalifornien
Das California High-Speed Rail-Projekt soll den Personenzugverkehr im Golden State der USA im wahrsten Sinne wieder auf Schiene bringen. Außergewöhnliche Architektur soll dazu entscheidend beitragen. So wurden Vier Bahnhöfe des Projekts von Foster + Partners, Arup und Page & Turnbull entworfen.
Europa ist für sein dichtes Eisenbahnnetz bekannt, das mit Hochgeschwindigkeits- und Nachtzügen quer durch den Kontinent führt. Und das funktioniert, trotz oft aufflammender Kritik, großteils zuverlässig und effizient. In den USA sieht das ein wenig anders aus. Bis in die 1960er-Jahre noch die führende Eisenbahnnation der Welt, hat sich die Bahn-Infrastruktur der Vereinigten Staaten in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. So gibt es in dem fast zehn Millionen Quadratkilometer großen Land aktuell mit dem Acela Express nur eine einzige Hochgeschwindigkeitsstrecke. Mit bis zu 240 km/h geht es damit aber nicht etwa quer durch die Staaten von der Ost- zur Westküste, sondern gerade einmal rund 700 Kilometer von Washington, D.C. nach Boston.
Der Großteil des US-Zugverkehrs entfällt auf den Güterverkehr, zuletzt gab es jedoch Bestrebungen, den Personenverkehr auszubauen. So sind unter anderem neue Hochgeschwindigkeitsstrecken in Planung oder befinden sich gerade im Bau. Eines dieser Projekte ist das California High-Speed Rail-Projekt, mit dem die 500 Kilometer lange Strecke von Los Angeles nach San Francisco in weniger als drei Stunden befahren werden soll. Zum Vergleich: Mit dem Auto braucht man dafür derzeit rund sechseinhalb Stunden.
Knotenpunkte
Die ersten vier Stationen des Projekts entstehen im Kalifornischen Längstal (Central Valley) nördlich von Los Angeles in den Städten Bakersfield, Merced, Fresno sowie im Grenzgebiet der Countys Kings und Tulare. Dafür beauftragt wurde niemand Geringerer als die Architektur-Großmeister von Foster + Partners, die das Projekt in Zusammenarbeit mit den Studios Arup, mit Hauptsitz in London, und Page & Turnbull aus San Francisco umsetzen.
David Summerfield, Co-Chefarchitekt und -Leiter von Foster + Partners, beschreibt das Vorhaben als „ein transformatives Projekt, das Gemeinden in ganz Kalifornien wieder verbindet und enorme Vorteile für die Umwelt im ganzen Land bringt.“ Das Ziel sei es, eine halbe Million Autos im Jahr von der Straße zu holen.
Darüber hinaus werden die neuen Stationen einen wesentlichen Beitrag zur jeweiligen Stadtgestaltung leisten. So wird in Merced eine neue Fußgängerbrücke über die Gleise errichtet, die aktuell die Stadt regelrecht zweiteilen. Downton wird damit direkt an den Bahnhof angebunden, der mit einem neugestalteten Vorplatz zu einem Ort der Begegnung und Knotenpunkt des öffentlichen Lebens werden soll.
Zug-Verbindung
In Fresno ist Ähnliches geplant. Auch hier wird ein erhöhter Gehweg im wahrsten Sinne verbindend wirken: Chinatown kann für Fußgänger aus der Innenstadt damit direkt erreicht werden. Die Brücke wird „zum Katalysator für zukünftiges Wirtschaftswachstum und Investitionen in Chinatown“, so Foster + Partners.
Zudem soll attraktive Gestaltung rund um die neue Straßenverbindung auch den öffentlichen Raum in Fresno wiederbeleben. Auch das historische Bahnhofsgebäude soll im Zuge des Neubaus restauriert werden.
Außerhalb von Hanford wird der Bahnhof Kings/Tulare entstehen. Zugpassagiere können hier mit dem Bus, dem Auto oder dem Fahrrad anreisen. Die Bahnsteige und das ausladende Dach werden dabei über dem Bahnhofsgebäude errichtet, das wiederum an einen neuen öffentlichen Vorplatz anschließen wird.
Der Bahnhof Bakersfield schließlich, die südlichste Station im Central Valley, stellt einen künftigen Verkehrsknotenpunkt nach Los Angeles und Anaheim dar. In einem Park eingebettet, der unter den Gleisen verläuft, wird der Bahnhof die Innenstadt von Bakersfield und den durch die Stadt fließenden Kern River direkt mit dem neuen Naherholungsgebiert verbinden. Und dabei soll es nicht bleiben: Stadtentwicklungspläne sehen bereits eine Erweiterung der Neugestaltungen vor.
Schattendasein
Eine Verbindung gibt es auch zwischen allen vier Bahnhöfen: Ihre Architektur orientiert sich an nachhaltigen Prinzipien. Sie zeichnet sich durch großzügige Überdachungen aus, die mit ihren Überhängen für großzügige Beschattung sorgen. Bleibt zu hoffen, dass die vier Stationen nicht selbst ein „Schattendasein führen“.
Denn sie sollen freilich nicht die einzigen bleiben; insgesamt sind bis zu 24 Bahnhöfe entlang der Hochgeschwindigkeitsstrecke geplant. Doch die Idee für das Projekt wurde bereits 1979 erstmals angestoßen, eine Finanzierung jedoch erst 2008 bewilligt. Seitdem gab es immer wieder Rückschläge und Kontroversen. Nun ist der Betrieb der Strecke im Kalifornischen Längstal für das Jahr 2030 vorgesehen.
Text: Resi Reiner, Michi Reichelt
Fotos: Foster + Partners