Vom Lager zum Büro
Die neuen Büros des Technik-Versands Haberkorn sind preisgekrönt in der Kategorie „Kluges Bauen“. Anstatt einen Neubau in die grüne Wiese zu stellen, haben NONA Architektinnen eine alte Lagerhalle in Holzbauweise nachverdichtet.
Haberkorn ist so etwas wie das Amazon der Bauindustrie. Ob Kranzubehör, Maschinenbauteile oder Holzverbindungen, das Unternehmen mit Sitz in der Vorarlberger Gemeinde Wolfurt liefert über 20.000 technische Artikel, und zwar in die Länder Österreich, Deutschland, Schweiz, Ungarn, Slowenien und Kroatien. Begonnen hat die Firmengeschichte im Jahr 1932 mit der Gründung einer kleinen Seilerei in Bregenz. Heute beschäftigt das Unternehmen an die 2.500 Mitarbeiter weltweit und verzeichnet einen Jahresumsatz von 790 Millionen Euro.
Nachdem man die Logistikkapazitäten Ende 2019 verdoppelt hatte, stand eine Büroerweiterung auf dem Plan. Es fehlten rund 100 zusätzliche Arbeitsplätze am Standort Wolfurt. Um keinen zusätzlichen Boden zu versiegeln, sollte eine bestehende Lagerhalle entsprechend adaptiert und umgenutzt werden. In einem Architekturwettbewerb suchte man schließlich nach kreativen und nachhaltigen Ideen für diesen adaptiven Re-Use.
Ein Raum im Raum
Um die Büroerweiterung auf Schiene zu bringen, ging die Bauherrschaft vorab der Frage nach: Lässt sich der benötigte Raumbedarf auch innerhalb der bestehenden Gebäudestruktur decken oder ist das Aufstocken des Bestands unvermeidbar? Anstatt ein ganzes Geschoss neu zu errichten, sollte es eine kompakte Raum-im-Raum-Lösung werden. Immerhin bot ein ganzes Hallenobergeschoss eine Menge Potenzial, das es im Sinne der Ressourcenschonung zu nutzen galt.
Für diese gesuchte Nachverdichtung nach innen lieferten NONA Architektinnen den Entwurf. Anja Innauer und Nora Heinzle, die das Dornbirner Büro 2005 gegründet haben, präsentierten einen zweigeschossigen Holzbaukörper in Regalform, der in die bestehende Halle eingeschoben ist. Dieser Baukörper füllt die Halle nicht ganz aus, sondern lässt freien Raum zur Glasfront hin offen. Auf diese Weise entstehen Zwischenbereiche, die mit ihrer doppelten Raumhöhe ein Gefühl von Großzügigkeit und spannende Blickbezüge schaffen.
Inspiriert am Hochregallager
Die offene Holzkonstruktion besteht aus einem Stützenraster aus Brettschichtholz, das über einen Achsabstand von 150 cm und eine Tiefe von 40 cm verfügt. Inspiration für diese Struktur lieferten die Hochregallager der Firma Haberkorn, deren Kerngeschäft die Logistik ist. Diese eingeschobenen Regale schaffen eine vielfältige Zonierung im Bestandsgebäude, ohne die Offenheit der Halle zu sehr zu beschneiden.
Die naturbelassene, kompakte Holzkonstruktion fungiert als Filter zu den umliegenden Flächen und schafft durch ihre ehrliche Materialität ein behagliches Arbeitsklima.
Anja Innauer und Nora Heinzle, Architektinnen
Der so entstandene neue Bürostandort, für den Bischof & Zündel die Generalplanung übernahm, bietet unterschiedliche Arbeitswelten, die vom Großraum- bis zum Einzelbüro alles abdecken. Großzügige Gemeinschaftsflächen mit hoher Aufenthaltsqualität sorgen zudem für das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. „Die naturbelassene, kompakte Holzkonstruktion fungiert als Filter zu den umliegenden Flächen und schafft durch ihre ehrliche Materialität ein behagliches Arbeitsklima“, heißt es vonseiten der Architektinnen Innauer und Heinzle.
Schöne Aussicht für Mensch und Umwelt
Die große Glasfront an der Kopfseite des Gebäudes gibt den Blick auf das Naturschutzgebiet Ried frei. Hätte man früher ein Panorama wie dieses der Chefetage zugesprochen, sollen sich heute nach der New-Work-Ethik alle Mitarbeiter daran erfreuen können.
Aus diesem Grund findet man hier den größten Aufenthaltsbereich, der dem zwischenmenschlichen Austausch und der wohlverdienten Pause dient. „Diese vor allem auf der Ebene der sozialen Nachhaltigkeit bewusste Entscheidung für das Gemeinwohl sehen wir als einen sehr wichtigen Beitrag für ein gut funktionierendes Konzept“, erklären NONA Architektinnen.
Der Einsatz von hochwertigen, regionalen Materialien schont Natur und Umwelt und leistet einen positiven Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit.
Anja Innauer und Nora Heinzle, Architektinnen
Nicht zuletzt schont eine Nachverdichtung in bestehender Bausubstanz den Bodenverbrauch, der in Österreich ungebremst voranschreitet und zu den größten ökologischen Problemen unserer Zeit zählt. Er heizt nicht nur die Klimakrise an, sondern auch den Verlust der Artenvielfalt.
37 mal um die Welt
Durch die bewusste Wahl von regionalem Holz als nachwachsendem Baustoff werden zudem endliche Ressourcen eingespart und CO2-Emissionen auf lange Zeit gebunden. Die Architektinnen dazu: „Der Einsatz von hochwertigen, regionalen Materialien schont Natur und Umwelt und leistet einen positiven Beitrag zum Thema Nachhaltigkeit.“
Laut Haberkorn bindet der neue Office-Trakt im verbauten Holz rund 175 Tonnen CO2, und zwar auf lange Sicht. Dies entspreche bei 110 g CO2 pro Kilometer einer Autofahrt von 1,59 Millionen Kilometern. Anders ausgedrückt: Mit den eingesparten Emissionen ließe sich 37 mal die Welt umrunden. Ganz zu Recht wurde die Büroerweiterung mit dem Vorarlberger Holzbaupreis 2023 in der Kategorie „Kluges Bauen“ ausgezeichnet.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: David Schreyer