Der schraubenfreie Pavillon
Der japanische Architekt Kengo Kuma und der australische Künstler Geoff Nees haben den Botanical Pavilion entworfen, einen Holzpavillon, der wie ein 3D-Puzzle zusammengesetzt wird – ganz ohne Leim und Schrauben.
Ob der Heimwerker seine Freude an einer Laube wie dieser hätte, ist fraglich. Schließlich macht sie sein gesamtes Instrumentarium überflüssig – vom Akkuschrauber bis zum Inbusschlüssel. Hier ist nichts geklemmt, gebohrt oder gehämmert. Gäbe es den Botanical Pavilion im Baumarkt zu kaufen, dann käme er in einem Set von identen Holzelementen und einer bebilderten Bauanleitung. Statt handwerklichem Fachwissen braucht es hierfür nur eine Leidenschaft fürs Puzzeln.
Ein Raumerlebnis für die Kunst
Diesen zylindrischen Holzpavillon entwarf der japanische Architekt Kengo Kuma gemeinsam mit dem australischen Künstler Geoff Nees im Rahmen der diesjährigen NGV Triennial, dem Kunst- und Architekturfestival der National Gallery of Victoria in Melbourne. Die Installation sollte einen Bezug herstellen zum Gemälde des koreanischen Künstlers Lee Ufan. In der Ausstellung bildete die runde Öffnung auf beiden Seiten des Pavillons einen Rahmen und ein sinnliches Raumerlebnis für das Kunstwerk.
Ich nehme gerne Anleihe im japanischen Handwerk, wo das Material respektiert wird und untrennbar mit seinen Eigenschaften verbunden ist.
Kengo Kuma, Architekt
„Die halbrunde Form des Pavillons lädt Besucher dazu ein, den Raum und das Wesen der unterschiedlichen Holzarten zu erkunden“, erklärt Kengo Kuma, einer der bedeutendsten zeitgenössischen Architekten Japans. Seinen Namen hat der Botanical Pavilion von den Royal Botanical Gardens in Melbourne. Dort haben Kuma und Nees über Jahre das Holz von gefällten Ästen und Bäumen gesammelt. Diesem „schönen aber ungenutzten Holz“ wollten sie mit dem Pavillon neues Leben geben.
Eine Verbindung zur Natur
Kumas Zugang zum Design wurzelt in der Tradition des japanischen Zimmerhandwerks. Dabei halten ineinander gesteckte Einzelteile allein durch Spannung und Schwerkraft. „Ich nehme gerne Anleihe im japanischen Handwerk, wo das Material respektiert wird und untrennbar mit seinen Eigenschaften verbunden ist“, so Kuma. Der tessellierte Baukörper des Pavillons weist im Inneren eine Farbkodierung auf, die sich allein durch die unterschiedlichen Holzarten ergibt. „Dadurch hat der Besucher in jedem Abschnitt des Pavillons eine unterschiedliche Wahrnehmung von Licht Farbe.“
Ich denke, meine Architektur bildet eine Art von Rahmen für die Natur.
Kengo Kuma, Architekt
Durch diese Art des Bauens, indem man kleinere Teile zu einem größeren Ganzen zusammenfügt, ergibt sich laut Kuma oft automatisch eine organische Form. „Da die Pavillons, die ich mache, aus natürlichen Materialien wie Holz sind, helfen organische und runde Formen dabei, die Architektur in die natürliche Welt einzubinden,“ erklärt der Neuinterpret japanischer Tradition.
Feinsinnig in der Konzeption
Kengo Kuma gilt in der Architekturwelt als Ikone. In seinen einfühlsamen Konzeptionen schafft er eine behutsame Balance zwischen Tradition und Gegenwart. Für das Museum von Hans Christian Anderson im dänischen Odensen inszenierte Kuma ein künstlerisches Gesamterlebnis, das die literarische Welt des Märchenerzählers um eine architektonische Dimension erweitert.
Diese Feinsinnigkeit zieht sich wie ein roter Faden durch Kumas Arbeit. Mit seinem Architekturbüro Kengo Kuma Associates realisierte er zahlreiche internationale Projekte. Diese weisen oft Referenzen an die historische japanische Architektur auf und setzen traditionelle Elemente in den Kontext des 21. Jahrhunderts. Die National Gallery of Victoria schreibt über den Architekten: „Sein Design-Zugang stärkt die Rolle und die Bedeutung von natürlichem Licht und Materialien in der zeitgenössischen Architektur.“
„Ich denke, meine Architektur bildet eine Art von Rahmen für die Natur. Damit können wir die Natur tiefer und inniger erleben“, beschreibt Kuma selbst seinen Zugang zur Architektur.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Tom Ross, Kengo Kuma, Geoff Nees