Radi(k)al klare Struktur
Das dänische Architekturbüro BIG hat für den skandinavischen Möbelhersteller Vestre eine Fabrik mit Schauraum inmitten eines großen Waldstücks entworfen. „The Plus” soll höchste Ansprüche an Nachhaltigkeit erfüllen.
Wenn die Bjarke Ingels Group (BIG) einen Entwurf für ein Projekt vorlegt, kann man von zwei Dingen ausgehen: Es ist architektonisch auf jeden Fall ein Hingucker und berücksichtigt zweitens in hohem Ausmaß den Anspruch der Nachhaltigkeit (ähnlich wie bei BIGs Plan für die emissionsfreie Stadt für Toyota in Japan). Bei der geplanten Fabrik für den skandinavischen Möbelhersteller Vestre trifft beides zu 100 Prozent zu.
Umweltfreundlichste Möbelfabrik
Das dänische Architekturbüro BIG hat für den Hersteller von nachhaltigen Möbeln für den urbanen und städtischen Raum eine Fabrik entworfen, die nach dessen Angaben „die umweltfreundlichste Möbelfabrik der Welt” sein werde. Das Gebäude mit einer Fläche von in Summe 6.500 m² hört auf den Namen „The Plus”. Anhand des Grundrisses wird einem schnell klar warum.
Radi(k)ale Anordnung
„Das Schöne an der Fabrik ist die Klarheit ihrer Organisation”, schwärmt denn auch Architekt Bjarke Ingels selbst. Es sei als Kreuzung einer Straße und einer Produktionslinie konstruiert und bilde ein großes Plus, das alles mit allem verbindet.
Das Gebäude ist als eine radiale Anordnung von vier Hauptproduktionshallen – Oberflächenbehandlung und -färbung, Holzverarbeitung, Montage und Lager – konzipiert. Sie sind im Zentrum miteinander verbunden. Dort befinden sich auch das Logistikbüro und ein Ausstellungszentrum mit direkter Verbindung zu allen vier Produktionshallen.
CEO Jan Christian Vestre betont, man sei wohl die erste Möbelmarke weltweit, die Informationen über den Kohlenstoff-Fußabdruck ihrer Produktpalette veröffentlicht habe. „Wir tun dies, weil wir offen und transparent sein wollen”. Derselbe Ansatz wird nun mit dem neuen Fabriksgebäude verfolgt. Das 1947 gegründete Unternehmen wolle die Führungsrolle in der umweltbewussten Produktion sicherstellen.
Radi(k)ale Transparenz
Die zentrale Drehscheibe umschließt einen öffentlichen, kreisförmigen Innenhof, in dem die neuesten Außenmöbelkollektionen im Wechsel der Jahreszeiten ausgestellt werden. Der Außenplatz gibt den Blick für Besucher und Mitarbeiter in voller Transparenz auf die Produktionsprozesse der Fabrik frei.
Die „radikale Transparenz” lädt Besucher und Wanderer ein, den gesamten Herstellungsprozess zu beobachten. Das Besondere für die Arbeiter wiederum ist es, mitten in einem circa 120 Hektar großen Park im Wald zu produzieren.
Wie im Museum
BIG erklärt, dass bei The Plus zahlreiche Industrie 4.0-Lösungen eingesetzt werden, wie zum Beispiel intelligente Roboter oder selbstfahrende Lkws. Jeder Maschine ist eine bestimmte Farbe aus der Vestre-Palette zugewiesen. Das Farbleitsystem findet sich auf dem Boden wieder und führt in die Zentrale. Die visuellen Hinweise erleichtern den Arbeitsablauf und helfen den Besuchern den Produktionsprozess zu verstehen – ähnlich wie bei einem Museumsbesuch.
Laut der Möbelmarke wird die Fabrik 50 Prozent weniger Treibhausgasemissionen erzeugen als ein herkömmliches Pendant derselben Größe. Nach seiner Fertigstellung erwartet das Architekturbüro, dass das Gebäude das erste Industrieprojekt in der nordischen Region sein wird, das ein Top-Rating nach dem BREEAM-Umwelt-Standard erhält.
Tesla-Flotte
„The Plus“ wird aus einheimischem Holz und kohlenstoffarmem Beton mit recyceltem Bewehrungsstahl errichtet. Die Materialien werden mit einer Flotte vollelektrischer Tesla-Lkws zwischen den Werken transportiert.
Auf dem Dach sind 1.200 Photovoltaik-Paneele angebracht. Deren Überschusswärme wird an ein Eiswassersystem zur Kühlung, ein Wärme- und Kältespeichersystem mit Wärmepumpen und Energiebrunnen angeschlossen. Insgesamt brauche man so 90 Prozent weniger Energie als eine vergleichbare konventionelle Fabrik.
Die Fabrik wird etwa auf halbem Weg zwischen dem Hauptsitz von Vestre in Oslo und der bereits bestehenden Fertigungsstätte im schwedischen Torsby nahe der Kleinstadt Magnor im Osten Norwegens liegen. Das Werk in Torsby wurde übrigens vom nicht minder renommierten Architekturbüro Snøhetta entworfen.
Text: Linda Benkö
Visualisierungen: Lucian R