Holzbau mit Haltung
Die neue Bezirksbauernkammer Hallein zeigt, dass Holzbau mehr ist als die bloße Wahl eines Baumaterials. Das stringente Konzept von LP Architektur macht einen Verwaltungsbau zu einem niederschwelligen Wohlfühlort mit erbaulichem Flair.
Landwirtschaftliche Bauten, ob für private oder wirtschaftliche Zwecke, folgten traditionellerweise dem Grundsatz: Gebaut wird mit dem, was lokal verfügbar ist. Im alpinen Raum war das in den meisten Fällen Holz und Stein. Angesichts des hohen Alters mancher Bauernhäuser von mehreren Hundert Jahren ergibt sich eine Lebenszyklusanalyse, die nach heutigen Maßstäben ihresgleichen sucht. Und anstatt Berge von Müll zu hinterlassen, gehen diese Häuser am Ende ihrer Lebensdauer wieder in die Landschaft über, aus der sie gebaut wurden.
Auch wenn in der aktuellen Debatte um Materialgerechtigkeit auch andere Aspekte hinzukommen, die vor Hundert Jahren noch nicht relevant waren, so ist dieser alte Grundsatz heute wieder aktuell. Denn im Hinblick auf die zu erreichenden Klimaziele stellt das klimafreundliche und ressourcenschonende Bauen einen enormen Hebel dar.
Ein konstruktiver Holzbau
Dieser Verantwortung fühlte sich auch die Landwirtschaftskammer Salzburg verpflichtet, als sie ein neues Verwaltungsgebäude für die Bezirksbauernkammer Hallein in Auftrag gab. „Die Bauherrschaft hatte sich im Vorfeld nicht nur mit den Anforderungen auseinandergesetzt, sondern auch sehr intensiv mit dem Zeichen, das man heutzutage mit einem Neubau aussendet, und der möglichen Vorbildwirkung, die von einem solchen Projekt ausgehen kann“, heißt es vonseiten des Büros LP Architektur, das als Sieger eines geladenen Wettbewerbs hervorging.
Die Bauherrschaft hatte sich im Vorfeld sehr intensiv mit der möglichen Vorbildwirkung auseinandergesetzt, die von einem solchen Projekt ausgehen kann.
LP Architektur
Um dieser Vorbildwirkung gerecht zu werden, entschied man sich für einen konstruktiven Holzbau und eine Nachhaltigkeit auf ökologischer und sozialer Ebene. So entstand an der malerischen Uferpromenade der Salzach ein Solitär mit drei Stockwerken und einer Nutzfläche von 1.610 Quadratmeter.
Während die Repräsentanz der Landwirtschaftskammer in den beiden oberen Geschossen untergebracht ist, werden die unteren vom regionalen Maschinenring mitgenutzt. Diese in den 1960er-Jahren gegründete Vereinigung setzt auf die gemeinschaftliche Nutzung von Land- und Forstmaschinen.
Sekundärstruktur mit Mehrfachnutzen
Das markanteste Merkmal des Holzkubus stellen die großzügigen Loggien dar, die im Süden und im Westen der Fassade vorgelagert sind. Diese Sekundärkonstruktion erfüllt eine Vielfalt von Funktionen. Zum einen schützt sie die Innenräume vor direkter Sonneneinstrahlung und sorgt so trotz großer Fensterfronten dafür, dass die Innenräume nicht überhitzen. Verstärkt wird dies noch durch die Rankgitter, die eine Begrünung der Außenhülle ermöglichen, und zugleich auch einen Beitrag zum Erhalt der Biodiversität leisten.
Diese Kombination aus ökologischen und sozialen Aspekten bringt unsere Definition des Begriffs Nachhaltigkeit zum Ausdruck.
Tom Lechner, Architekt und Gründungspartner von LP Architektur
Zum anderen entsteht durch diese Außenflächen auf allen Ebenen eine hohe Aufenthaltsqualität, die allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zugute kommt. „Diese Kombination aus ökologischen und sozialen Aspekten bringt unsere Definition des Begriffs Nachhaltigkeit zum Ausdruck“, erklärte Tom Lechner von LP Architektur gegenüber austria-architects.com.
Wohlfühlort statt Bürokratiefestung
Was sich an diesen Loggien ebenfalls ablesen lässt, ist ein Paradigmenwechsel in der Planung von Verwaltungsgebäuden. Waren sie früher meist hermetisch geschlossene Bastionen, in deren kargen, geschlossenen Gängen sich die Starrheit der Bürokratie architektonisch manifestierte, sind sie heute immer öfter niederschwellige Wohlfühlorte mit erbaulichem Flair. Sie zelebrieren eine neue Offenheit und Freundlichkeit, wie sie sich früher bei öffentlichen Bauten nur selten verorten ließen.
Unsere Grundidee bestand darin, einen markanten, unverwechselbaren Baukörper zu formulieren, dessen Ausdruck eine ideologische Grundhaltung widerspiegelt.
Tom Lechner, Architekt und Gründungspartner von LP Architektur
Ein neues Leitbild scheint sich zu etablieren, von dem die Mitarbeiter ebenso profitieren wie die Besucher einer Institution. Erfolgt das Bauen innerhalb der planetaren Grenzen, dann schont dies außerdem Ressourcen und Klima. In dieser Hinsicht zeigt die neue Bauernkammer in Hallein eine respektvolle Architektur, die laut Architekt Lechner dem gesamten Konzept zugrunde liegt: „Unsere Grundidee bestand darin, einen markanten, unverwechselbaren Baukörper zu formulieren, dessen Ausdruck eine ideologische Grundhaltung widerspiegelt, ohne sich dabei jedoch irgendwelchen modischen Klischees zu bedienen.“
Schöne Aussicht, hoher Anspruch
Die Räumlichkeiten der Bezirksbauernkammer in Hallein sind lichtdurchflutet und vom Boden bis zur Decke in warmen Holzoberflächen ausgekleidet. Die Träger und Stützen der Skelettkonstruktion sind durchwegs sichtbar, und die schlichten Holzmöbel, die von hoher handwerklicher Qualität zeugen, ergänzen das Raumkonzept auf harmonische Weise. Die Fensterbänder und die Terrassen bieten weite Blickbezüge in die Landschaft – auf das andere Ufer der Salzach und das dahinter liegende Bergpanorama.
Der hohe Anspruch, den man mit dem Bauprojekt konsequent verfolgt hat, spiegelt sich auch bei der Materialbeschaffung wider. Alle Holzprodukte, die im Gebäude verbaut wurden, stammen aus einer nachvollziehbaren und nachhaltigen Forstwirtschaft. Der Verwaltungssitz ist daher das erste Bürogebäude im deutschsprachigen Raum, das mit einer PEFC-Zertifizierung ausgezeichnet wurde. Ein Siegel, das eine lückenlose Kette vom Wald bis zum fertigen Produkt garantiert. Das stringente Konzept hat dem Projekt zudem eine Nominierung für den Architekturpreis Land Salzburg 2024 eingebracht.
Text: Gertraud Gerst
Fotos: Markus Rohrbacher