„Beseelt vom Werk des großen Architekten“
Als Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung lenkt Christine Dornaus auch die Finanzierung großer Bauprojekte. Und sie liebt, was sie tut. Vor allem, wenn es um architektonische Perlen wie das Hotel Hansen Kempinski an der Wiener Ringstraße geht.
Wenn man eine Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen im Wiener Ringturm besucht, erwartet man geradezu, ins oberste Stockwerk geschickt zu werden. Ihr Büro ist allerdings auf der 5. Etage, also quasi „mittendrin“…
Christine Dornaus (lacht): Dass wir hier eigentlich nicht im Ringturm selbst, sondern im niedrigeren Seitentrakt sitzen, hat vor allem mit Effizienz zu tun. Als ich 2009 in den Vorstand berufen wurde, waren meine Kollegen und ich uns einig, dass das Vorstands-Team kompakt auf einer Ebene sitzt. Die Räumlichkeiten im Turm sind dafür zu klein. Hier konnten wir dieses Konzept verwirklichen. Zum Generaldirektor, der sein Büro im Turm hat, ist durchgebrochen worden. Das Hauptsekretariat und die Vorstandszimmer sind hier. Alles ist auf rasche Kommunikation ausgerichtet.
Sie sind also ein Fan von Großraumbüros?
Das kommt auf den Geschäftsgegenstand an. Wir haben unsere Zimmer, die man auch verschließen kann, wenn es um vertrauliche Dinge geht. Je nach Termin ist meine Türe offen oder zu. Ein gelungenes Modell, finde ich. Wenn man wirklich auf Großraum setzt, muss man es gut machen. So, wie zum Beispiel die Erste Bank: großzügig, mit vielen Schallschutzelementen und Kommunikationszonen.
Könnten Sie kurz erklären, was Ihre Aufgaben sind?
Im Rahmen der Neustrukturierung des Konzerns der Wiener Städtischen Versicherung im Jahr 2010, wurde die Wiener Städtische zur größten Tochter der Vienna Insurance Group, wo ich meine Vorstandsfunktion ausüben darf. In der Wiener Städtischen Versicherung wird das Versicherungsgeschäft in Österreich betrieben. Dazu gehört auch, als wesentlicher Teil, die Veranlagung.
Was bedeutet das für die Kunden der Wiener Städtischen?
Versicherer sind Kapitalsammler. Wir sammeln die Prämien unserer Kunden und verwalten sie treuhändig. Wir investieren sie so, dass wir in 20, 30, 50 Jahren unseren Verpflichtungen aus den Versicherungsverträgen nachkommen können. Ich fühle mich den Versicherungskunden verpflichtet, das Geld nicht nur zu bewahren, sondern sicher und ertragreich anzulegen.
Als großer österreichischer Versicherer haben wir so um die 23 Milliarden Euro in der Veranlagung. Mit einer solchen Summe kann man in Österreich auch volkswirtschaftlich schon einiges bewegen. Und diesen Auftrag nehmen wir wahr – zum Beispiel auch in der Stadtentwicklung.
In diesem Sinne finanzieren Sie etwa auch große Bauprojekte und realisieren diese mit Partner-Unternehmen. Wie nachhaltig müssen solche Business-Partnerschaften heutzutage sein?
Die Netzwerke, die wir aufbauen konnten, sind ein ganz wesentlicher Erfolgsfaktor. Vertrauen ist hier sehr wichtig. So zählen etwa die Erste Bank im Finanzsektor, aber auch die UBM Development AG dazu.
Eine Pionierleistung war zum Beispiel ein Hotelprojekt in Prag im Jahr 2005: UBM hat das Hotelprojekt entwickelt, PORR hat gebaut, ein Hotelbetreiber aus der Gruppe hat es gemanagt und wir haben es finanziert. Es lief so gut, dass wir es 2007 gekauft haben. Solche verlässlichen Partnerschaften sind essenziell – auch für den wirtschaftlichen Erfolg der Wiener Städtischen.
Wenn Vertrauen da ist, kann man sich zu 100 Prozent auf das Projekt konzentrieren und muss nicht auf die Intentionen des vis à vis aufpassen, das wäre verlorene Zeit. Deshalb arbeite ich sehr gern mit vertrauensvollen Partnerschaften, bei denen jeder seine Kompetenz einbringt und der Erfolg des Projektes für alle Beteiligten im Mittelpunkt steht. Ein gutes Beispiel ist hier auch das Palais Hansen Kempinski in Wien.
Gibt es Beteiligungsprojekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen?
Ja. Solche, bei denen man über die Veranlagung hinaus auch diesen städtebaulichen und volkswirtschaftlichen Auftrag erfüllen darf. So ist es zum Beispiel bereichernd, dass wir in der Seestadt Aspern und beim Projekt Nordbahnhof leistbaren Wohnraum schaffen. Hier können wir uns mit unserer Kompetenz nutzenstiftend in die Stadtentwicklung einbringen.
Inwiefern nutzenstiftend?
In der Seestadt haben wir wirklich sehr nachhaltig gebaut und ein durchdachtes Konzept für Verkehr und Nahversorgung umgesetzt. Wir haben die Erdgeschosszonen zu einem wesentlichen Teil fix an die „aspern Seestadt Einkaufsstraßen GmbH“ vermietet, die wir mit SPAR gegründet haben. Diese Zone wird nun wie ein Shoppingcenter bewirtschaftet. So, dass man nicht fünf Trafiken und zehn Friseure hat, sondern einen guten Angebotsmix. In der Seestadt wird zudem auf die soziale Durchmischung geachtet – also auf das Verhältnis zwischen frei finanziertem, leistbarem und gefördertem Wohnraum.
Das Projekt Nordbahnhof wird auch sehr schön. Nach einem von den Architekten Vlay/Streeruwitz entwickelten Masterplan, wird inmitten der bebauten Ränder der Baufläche eine Stadtwildnis – die so genannte ‚Freie Mitte‘ – belassen, was dem Stadtentwicklungsgebiet eine zusätzliche Qualität geben wird.
Ist auch das Palais Hansen ein solches Herzensprojekt?
Oh ja, last but not least: Jeder weiß, dass ich diesem Projekt zwar in erster Linie wirtschaftlich, aber auch emotional sehr verbunden bin. Da hat sich jeder Partner mit voller Begeisterung und Kompetenz engagiert: Die UBM als Hotelentwickler, PORR mit Bau-Qualität, die diesem würdigen Gebäude gerecht wird, Warimpex mit ihrer Kompetenz im Bereich der internationalen Hotellerie und wir als Investor.
Wir durften das Werk des großen Theophil Hansen reanimieren und das Haus zu seinem eigentlichen Zweck zurückführen. Denn das Palais Hansen war ursprünglich als Hotel geplant
Dr. Christine Dornaus, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung AG
Alle waren vom Werk des großen Architekten Theophil Hansen beseelt, das wir dort reanimieren durften. Alle haben den Denkmalschutz respektiert. Die Außenhaut und vier Stiegenhäuser waren geschützt. Und wir durften das Haus zu seinem eigentlichen Zweck zurückführen. Denn es war ursprünglich als Hotel geplant. Es wurde vor der Weltausstellung gebaut, damals übrigens auch von PORR, aber nie als Hotel eröffnet.
Die Grundstruktur und die damit verbundene Architektur waren somit vorhanden. Und ich finde, das spürt man auch. Die Rückbesinnung auf den Zweck, für den es vom Architekten gedacht war, hat wunderbar funktioniert.
Lässt sich also nicht jedes historische Gebäude in ein Luxus-Hotel verwandeln?
Wenn ich da kurz zum Konkurrenten schaue: Das Hyatt am Hof. Für mich wirkt es nach wie vor wie die Bank, die es war. Natürlich ist es ein schönes Haus und es ist wunderbar, dass es erhalten wurde.
War es leicht, einen Pächter für das Hansen zu finden?
Kempinski war sehr schnell an Bord. Kempinski hat sich sehr bald als bester Pächter hervorgetan und dann auch gleich in die Entwicklung eingebracht.
Das Hansen Kempinski ist ja nur ein paar Schritte vom Ringturm entfernt. Gehen Sie selbst oft hin oder nützen das Haus?
Ja, durchaus. Da darf ich auch für alle Partner sprechen, also die Vertreter der UBM, PORR und Warimpex. Wir sind auch sehr aktive HausherrInnen, treffen uns regelmäßig mit dem Kempinski-Management und halten Kontakt mit dem Hoteldirektor. Stehen da etwa einmal Pfifferlinge statt Eierschwammerl auf der Karte, adressieren wir unsere Bemerkungen (lacht).
Es ist ein sehr schönes Haus. Dass man dort wunderbar frühstücken kann, hat sich schon herumgesprochen. Mein persönliches Highlight ist der „Five o’clock Tea“, der hier „High Noon Tea“ heißt: Um vier Uhr wird in der Lobby im britischen Stil Tee, Sekt, Süßes und Salziges serviert. Aber es gibt auch Wiener Spezialitäten: Seit einiger Zeit zelebriert man im Hansen Kempinski den Apfelstrudel. Jetzt wäre es noch schön, eine hauseigene Tortenspezialität zum Mitnehmen einzuführen. Ich habe da auch schon eine Idee…
Was ist für Sie das Faszinierende an der Architektur des Hansen Kempinski?
Ich habe Ehrfurcht vor diesem großen Ringstraßen-Architekten Theophil Hansen. Dass wir uns in diese Perlenkette einreihen – von Musikverein und Parlament bis zur ehemaligen Börse – ist wundervoll. Und wir glauben, mit dem Kempinski etwas Licht und Leben in diese ruhigere Seite der Ringstraße gebracht zu haben.
Wenn man im Kempinski in Wien aufwacht, weiß man sofort, man ist in Wien. Nicht in Bochum, nicht in Montreal. Das liegt am Gebäude per se ebenso wie an der Ausstattung
Dr. Christine Dornaus, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung AG
Das Besondere ist auch die Lage: Ruhiger als hinter der Oper, fußläufig nur zehn Minuten vom Stephansplatz, mit dem Auto gut erreichbar und mit bequemer Flughafen-Anbindung. Das wird auch von Staatsgästen geschätzt. Wir haben übrigens auch eine Garage und eine prachtvolle Presidential-Suite. Kempinski ist außerdem ein sehr engagierter Hotelbetreiber mit dem Anspruch, dass jeder Gast bei der Ankunft so behandelt wird, als ob er der Erste ist.
Was macht das Haus unverwechselbar?
Die Architektur ist kein Fake, sondern echt und getreu restauriert. Und was uns schon bei der Entwicklung wichtig war: Wenn man im Kempinski in Wien aufwacht, weiß man sofort, man ist in Wien. Nicht in Bochum, nicht in Montreal. Das liegt am Gebäude per se ebenso wie an der Ausstattung.
Wie wichtig sind gute, lokaltypische Hotels für eine Stadt?
Gute Hotellerie ist die Visitenkarte einer Stadt. Die zweite, gleich nach dem Flughafen. Und Wien ist eine traditionsreiche Stadt. Viele Touristen kommen wegen ihrer Geschichte und Architektur. Es ist wichtig, diese Geschichte durch die Architektur und das Hotel erlebbar zu machen. Dass man sie nicht nur sieht, sondern auch erleben und nützen darf. Das war auch dem Denkmalamt ein Anliegen und wurde unterstützt.
Es gibt genug historische Gebäude, die man wirtschaftlich nicht nützen kann. Die werden dann Museen – und müssen von Bund oder Stadt erhalten werden. Beim Palais Hansen ist es gelungen, ein historisches Gebäude einer wirtschaftlichen Nutzung zuzuführen. So, dass die Investoren, die Geld hineingesteckt haben – also kein öffentliches Geld – zufrieden sind. Dann lebt so ein Projekt per se.
Wie lange dauert es, bis sich ein solches Projekt für die Investoren lohnt?
Ab der Fertigstellung. Über dem Hotel befinden sich 17 Luxuswohnungen, die wir gemeinsam mit dem Hotel entwickelt und von Plan weg verkauft haben. Dadurch konnte das Gesamtinvestment reduziert werden. Ab dem Zeitpunkt der Eröffnung zahlt dann auch das Hotel die Pacht.
Stichwort „überschaubares Investment“: Wie behalten Sie den Überblick, wenn es um große Summen geht, die Sie schließlich sicher anlegen und verwalten müssen?
Man muss sich schon immer wieder bewusst machen, mit welchem Volumen man agiert. Ich habe da so meine Schritte. Geht es zum Beispiel um 50.000 Euro, sage ich, das entspricht einem luxuriösen Auto. Geht es um zwei bis drei Millionen Euro, bin ich in einer Zinshausgattung. Kommt noch ein Nuller dazu, also 50 Millionen, entspricht das in etwa einem herzeigbaren Hotel. So bekomme ich ein Gefühl für die Beträge und kann die Nachhaltigkeit einer Investition besser für mich greifbar machen.
Wie wird die Entwicklung in der Spitzenhotellerie weitergehen?
Was ich aktuell höre, ist, dass weitere Spitzenmarken auf den Wiener Markt drängen. So wird es weitere Entwicklungen im 1. Bezirk geben.
Ist das nicht zu viel für eine Stadt wie Wien?
Bis jetzt steigt die Touristenzahl. Ich bin auch überzeugt, dass man international noch viel mehr Aufmerksamkeit auf Wien richten wird. Bis zum Fall des Eisernen Vorhangs war Wien bei internationalen Touristen – vor allem aus den USA – oft noch außen vor. Die Öffnung hat Wien geografisch in das Herz Europas gebracht.
Ich denke auch, dass die Zimmerpreise in Wien steigen sollten. Sie sind im internationalen Vergleich sehr günstig. Denken Sie an London oder Mailand! Oder – extrem – an die USA: Da wird für Zimmer in reinen Haustechnikanlagen mit Kulissenbau drum herum eine Room-Rate von 200 Dollar verlangt!Wenn ich da an die unvergleichliche Substanz unseres Kempinski denke… Eine höhere Zimmerrate ist gerechtfertigt, weil sie auch mit der Qualität korreliert.
An welchen Aspekten in puncto Architektur sind Sie besonders interessiert?
In Immobilienrunden frage ich gerne, was aus unserer Epoche wohl erhalten bleiben wird. Ich denke da an meine alte Uni, die WU in der Augasse. Man hört ja, dass das Gebäude technisch kaputt ist und geschliffen werden wird. Es ist nur um die 40 Jahre alt. Die Uni der bildenden Künste am Schillerplatz hingegen ist auch ein Theophil Hansen. Und wenn ich überlege, wie würdig wir mit dem 150 Jahre alten Palais Hansen umgegangen sind…
Was aus unserer Epoche wohl erhalten bleiben wird? Ich meine, es wird das bleiben, wo in wertvolle Architektur investiert wurde
Dr. Christine Dornaus, Vorstandsdirektorin der Wiener Städtischen Versicherung AG
Ich meine, es wird das bleiben, wo in eine wertvolle Architektur investiert wurde. Ein Beispiel unserer Zeit ist, glaube ich, der neue WU-Campus. Da gibt es eine Bibliothek von Zaha Hadid und auch die weiteren Gebäude sind von namhaften internationalen und heimischen Büros. Genauso glaube ich, dass die Seestadt und der Nordbahnhof bleiben werden. Da haben wir auch überall gute Architekten.
Text: Elisabeth Schneyder
Fotos: Oliver Capuder, Michael Nagl